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Konflikt um PflanzenschutzmittelKlöckners Bienengift für die Regierung

Das Bundesamt für Verbraucherschutz lässt 18 Ackergifte zu, die Insekten schädigen können. Umweltministerin Schulze hält das für rechtswidrig.

Ein Konflikt, ausgetragen auf dem Rücken der Bienen Foto: dpa

Berlin taz | Für die Zusammenarbeit in der Bundesregierung ist es Gift, für Bienen, Käfer, Schmetterlinge sowieso. 18 Pflanzenschutzmittel, darunter ein Glyphosat-Unkrautvernichter und ein Insektenbekämpfungsmittel mit dem bienengiftigen Wirkstoff Cyantraniliprole, haben die Zulassung für den deutschen Markt bekommen.

Erteilt von der Behörde, die CDU-Agrarministerin Julia Klöckner untersteht: dem Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit, BVL. Das von SPD-Ministerin Svenja Schulze geführte Umweltministerium hält dies für rechtswidrig – und erklärt der taz, es handele sich um einen „Verstoß gegen die Regeln des Zulassungsverfahrens gemäß Pflanzenschutzgesetz“.

Viele Menschen sind beunruhigt, weil ein Großteil der heimischen Kerbtiere verschwindet und damit auch Nahrung für Vögel: Knapp 1,8 Millionen Menschen haben gerade erst das „Volksbegehren Artenvielfalt – Rettet die Bienen“ in Bayern unterzeichnet. Auch darum hat der Streit über die Pflanzenschutzmittel in der Regierung Wucht – und Tradition.

Klöckners Vorgänger hatte mit einem Glyphosat-Alleingang Ende 2017 für Empörung gesorgt. Er stimmte zu, den Wirkstoff weitere fünf Jahr in der EU zu genehmigen – trotz der ausdrücklichen Weisung, sich zu enthalten, weil das Umweltressort anderer Meinung war. Nur deshalb können heute überhaupt noch Pflanzenschutzmittel mit Glyphosat auf nationaler Ebene zugelassen werden.

Bundesministerien können sich nicht gegenseitig verklagen

Bei ihrer Neuauflage 2018 legte Schwarz-Rot im Koalitionsvertrag allerdings fest, den Einsatz von Glyphosat „so schnell wie möglich grundsätzlich zu beenden“. Und Klöckner versprach beim Regierungsantritt: „Was der Biene schadet, muss vom Markt.“ Denn sie seien „systemrelevant“, also lebenswichtig.

Die neueste BVL-Entscheidung steht dazu im Widerspruch, glaubt man dem von Maria Krautzberger geführten Umweltbundesamt. Die oberste Umweltbehörde muss der Zulassung von Pflanzenschutzmitteln zustimmen – also auch den 18 – und stellte sich bei ihnen quer.

Frauen*kampftag bei taz.de

Am 8. März veröffentlichen wir auf taz.de nur Beiträge von Frauen* und nicht-binären Menschen, und auch nur diese kommen darin vor: als Expert*innen, als Protagonist*innen, auf den Fotos. Trotzdem beschäftigen wir uns nicht primär mit dem, was im allgemeinen Sprachgebrauch gern als „Frauenthemen“ bezeichnet wird – sondern mit dem Tagesgeschehen.

Diese 18 Pflanzenschutzmittel, erklärte das Umweltministerium der taz, haben „erhebliche negative Auswirkungen auf die biologische Vielfalt, insbesondere auf die Insektenwelt. Das Umweltbundesamt sieht die Auswirkungen als so gravierend an, dass es seine Zustimmung zur Zulassung dieser Pflanzenschutzmittel daran gebunden hat, Auflagen zum Schutz der biologischen Vielfalt einzuhalten.“ Demnach sollen Landwirtinnen und ihre Kollegen auf einem Teil ihrer Flächen, das können Brachen oder Blühstreifen sein, „gänzlich“ auf den Einsatz von Ackergiften verzichten, und zwar spätestens ab 2020. Das teilte es so auch dem BVL mit.

Nur: Das stellte am Ende eine befristete Genehmigung bis zum 31. Dezember 2019 aus – ohne weitere Vorgaben. Das gab es am Karnevalsdonnerstag bekannt, als große Teile der Republik feierten. So gehe es nicht, meinen Schulzes Leute – und erläutern: „Das Umweltbundesamt hatte sein Einvernehmen zur Zulassung dieser Mittel unter der Bedingung erteilt, dass die Anwendungsbestimmungen zum Schutz der Biodiversität in die Zulassung aufgenommen werden. Da dies nicht erfolgt ist, liegt insgesamt kein Einvernehmen – auch nicht auf eine einjährige Befristung bezogen – vor.“ Das Amt habe den Landwirtinnen nur die Möglichkeit geben wollen, sich auf die Auflagen einzustellen und sie darum erst für 2020 vorgesehen.

Theoretisch könnte Ende 2019 die Zulassung der 18 Mittel einfach verlängert werden

Diese Auflagen sind in der Regierung umstritten. Die Frage ist, ob mit ihnen zu stark ins Eigentum eingegriffen wird. Das werde derzeit geprüft, sagte eine Sprecherin von Schulze. Das Umweltbundesamt halte die Wirkungen der Pflanzenschutzmittel auf den Naturhaushalt ohne hinreichende Anwendungsbestimmungen zum Schutz der Biodiversität jedenfalls „weiterhin als unvertretbar“.

Wie geht es weiter? Ein Bundesministerium kann kein anderes Bundesministerium verklagen, eine Bundesbehörde nicht eine andere Bundesbehörde. Denn alle wären durch die Bundesregierung vertreten. Es geht bei dem Streit nicht nur darum, was in diesem Jahr aufs Feld darf. Theoretisch könnte Ende 2019 die Zulassung der 18 Mittel einfach verlängert werden – bei technischen Verlängerungen ist das Umweltbundesamt gar nicht mehr beteiligt.

Annette Seehaus-Arnold, Vizepräsidentin des Deutschen Berufs- und Erwerbsimkerbunds, hält die Neuzulassungen für „unverantwortlich“. Sie sorgt der Insektenvernichter Cyantraniliprole besonders, der gegen den Kartoffelkäfer eingesetzt werden soll. „Wir wissen nicht, wo wir künftig noch mit unseren Bienen hinsollen, wenn Cyantraniliprole in Deutschland hoffähig wird“, sagt sie. Ihr Verband bereitet eine Klage gegen die Zulassungen vor. Klöckners Ministerium sieht kein Problem. Eine Sprecherin erklärte: „Das BVL hat mit seinen aktuellen Zulassungsentscheidungen im Einklang mit den Regeln des Pflanzenschutzgesetzes gehandelt.“

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25 Kommentare

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  • Mich regt der Begriff "systemrelevant" auf. Wenn man als System das Wirtschaftssystem meint mit dem Menschen im Zentrum, dann mag der Begriff richtig gewählt sein. Dann ist man allerdings mit einem erschreckend engen Horizont ausgestattet. Das System ist in Wirklichkeit ein in Millionen Jahren entstandenes Zusammenwirken aller - und wirklich ausnahmslos aller - Lebewesen, Pflanzen und Tiere. Wenn jemand glaubt, er könne einzelne Arten, die er für menschenwichtig hält, besonders herausheben und irgendwie vor den ausufernden menschenverursachten Schäden schützen, ist er arm im Geiste. Das Gesamtwerk muß geschützt und mit Respekt behandelt werden. Das präzise Zusammenwirken der unzähligen Arten wird der Mensch nie ganz verstehen. Und ich fürchte, er hat auch kein Interesse daran. Also, Frau Klöckner, machen Sie sich die Erde untertan.

  • Es ist wirklich wichtig immer wieder auf den Unterschied zwischen "Bauern" und der Agrarindustrie hinzuweisen. Auch wenn der große Verband immer noch Bauernverband heißen darf.



    Dazu kann ich nur immer wieder diesen Film empfehlen: www.youtube.com/watch?v=l2C443iRaI4

    • @nelly_m:

      Sehr erhellender historischer Abriss, vielen Dank!

    • @nelly_m:

      @Nelly_M: Danke für den Link!

  • "Diese Auflagen sind in der Regierung umstritten. Die Frage ist, ob mit ihnen zu stark ins Eigentum eingegriffen wird. "

    Klar, ich finde auch, ich muss Altöl auf meinem Grundstück entsorgen dürfen. Wer mir das verbietet, greift in meine Eigentumsrechte ein.



    Wir haben da sicher auch irgendwo noch ein paar Asbesthaltige Blumenkästen...die werd ich gleich kleinschlagen und im Erdreich verbuddeln. Ist ja mein Eigentum!

  • Monsanto&Co bestimmen die Politik.



    Klöckner hat lediglich ab-zunicken.



    Statt lebensbedrohliche Vergiftung - zu Lande, zu Wasser und in der Luft - zu unterbinden, werden wir von unseren Volksvertretern in Siechtum verkauft und verabschiedet.

  • Das wir in manchen Hinsichten neue Politiker brauchen sollte nichts neues sein, aber das Menschen die so eine Macht haben, sich für Tiermord einzusetzten... ich weis nicht was da noch kommen soll. Finde es dennoch gut, dass dieses Thema angesprochen wird, da es wichtig ist dagegen anzugehen.

    • @Sophie Prechtl:

      Sie müssten, um was zu ändern auch noch die Menschen austauschen, die die Politiker wählen. Fangen Sie doch mit ihrem direkten Umfeld an ;-)

  • Wir brauchen dringend neue Politiker!!



    Keine Eliteschüler die an wichtigen Themen vorbeidiskutieren um Problemenicht angehen zu müssen, da sie nicht mehr gradlinig denken können.



    Weil hinter jedem ein Lobbyist steht.

  • Schön, dass man nicht so doll ins Eigentum der Bauern eingreifen soll, die ihre gesamte Umgebung und das Eigentum anderer schädigen. Müsste man mal weiterdenken...

  • Wieso heißt dieses Amt Bundesamt für Verbraucherschutz. Müsste es nicht heißen BA für Chemie und Umweltsünder?



    Der Name verwirrt wenn man die Handlungsweisen dieses Amtes sieht.

    • @Sofia Dütsch:

      😡 ^^^Da liegt ein Missverständnis vor:



      Das Bundesamt für Verbraucherschutz soll die Unternehmen und Konzerne vor dem Verbraucher schützen.^^^ 😡

      • @Frau Kirschgrün:

        Sehr schön...



        :)

  • 9G
    91672 (Profil gelöscht)

    Einfach CDU. Wie sie immer war. Wofür sie immer stand. Ackergifte, Tierquälerei und Rüstungsexporte, Bauern, Soldaten und Reiche, das ist unser Metier. 'Das haben wir immer gemacht. Mehr wollen wir nicht und mehr brauchen wir nicht'.

    • @91672 (Profil gelöscht):

      So isses. Sehen Sie irgendwo eine noch so kleine Möglichkeit, diesen Umstand endlich den 80% der Wähler zu vermitteln, die diese Kapitalismus-Parteien immer und immer wieder wählen, dass sie also ihre Unterdrücker wählen?



      (Nur die dümmsten Kälber wählen ihre Metzger selber).



      Bin in diesem Punkt sehr hoffnungslos…

    • @91672 (Profil gelöscht):

      Klöckner gehört zur CSU, genau wie ihr Vorgänger und wie gewisse Verkehrsminister der letzten Jahre. Ein Schelm wer da an Wirtschaftsfreundlichkeit denkt.

      • @Jan Berger:

        Wusste gar nicht,daß wir die CSU in der Pfalz haben...

    • @91672 (Profil gelöscht):

      Richtig. Einfach CDU.



      Nicht mehr, aber auch nicht weniger.

    • @91672 (Profil gelöscht):

      Genau...Kosovo- und Afghanistaneinsatz, Hartz IV und die Rüstungsexportgenehmigungen von Gabriel : alles so richtig CDU! Merkt ihr es eigentlich noch?

      • 9G
        91672 (Profil gelöscht)
        @Clara Kreuzer:

        Und noch eine Ergänzung. Ich weiß nicht, wie alt Sie sind. In den Jahren 2001 und 2002 hatte G.W. Bush die westliche Welt erpresst mit dem Satz: Wer nicht für uns ist, ist gegen uns!'.



        Und danach beim Irakkrieg der USA hat Schröder den Mittelfinger gehoben und hat symbolisch zu Doubleju gesagt: ' Nicht nochmal, du Bürschchen'.Und: Merkel bereut bis heute, daß Deutschland nicht an diesem schönen Kriegsschauplatz Irak teilgenommen hatte. Und Merkel findet auch, daß Hartz4 unbedingt beibehalten werden sollte.



        Ich bin froh, daß ich die CDU durch eine Klarsichtbrille sehe.

      • 9G
        91672 (Profil gelöscht)
        @Clara Kreuzer:

        Ich füge noch hinzu: Kein einziger EU-Umweltgrenzwert wurde von der Merkel-CDU eingehalten, die Dieselkrise ganz und gar nicht angefasst, Gülle und Glyphosat kein Thema, Plastikverschmutzung der Meere durch den Müllexport nach Indien und Bangladesch interessert die CDU einen Scheissdreck. Flintenuschis Luftsprung, als Trump endlich seine 2% - Forderung erhob.



        Merkt Ihr eigentlich gar nichts mehr?

  • Klöckner versprach beim Regierungsantritt: „Was der Biene schadet, muss vom Markt.“ Denn sie seien „systemrelevant“, also lebenswichtig.



    Das ist Wortbruch und steht gegen Ihren geleisteten Eid.



    Frau Ministerin Klöckner sollte Ihrem Amt enthoben werden, denn Sie schadet wissentlich den Bürgern und unserem Land.

    • @Sonnenhaus:

      Entheben "wir" sie – leider hackt eine Krähe der anderen kein Auge aus, denn wenn jede|r Politiker*in, die gelogen oder ihr |sein Wort nicht gehalten hat, den Amtssessel räumen würde, gäbe es viele leere Sessel im Plenarsaal… würde mir persönlich gefallen, wenn es die gewählten Damen und Herren zur Abwechslung mal mit Ehrlichkeit und Aufrichtigkeit zu versuchten…

    • 9G
      91672 (Profil gelöscht)
      @Sonnenhaus:

      Mal sehen, wie sie sich aus der aktuellen Glyphosatentscheidung der EU wieder rauswindet.



      Diese Ministerin ist zu allem fähig, um ihre Lobby zu bedienen.

    • @Sonnenhaus:

      Sollte sie, dringend. Bei solchem Regierungspersonal kann es einem Angst und Bange werden.