Kommunalwahl in der Türkei: AKP sabotiert Erfolge der Opposition
Fünf kurdische Bürgermeister haben bei der Kommunalwahl gewonnen. Jetzt sollen sie aber ihr Amt nicht antreten dürfen.
Istanbul taz | Nach einem Einspruch der regierenden AKP hat der Hohe Wahlrat entschieden, dass in fünf Bezirken im Osten der Türkei, die jeweils ein Vertreter der kurdisch-linken HDP gewonnen hat, die Bürgermeister ihr Amt nicht antreten dürfen. Begründung: Sie seien im Anschluss an den Putschversuch 2016 genauso wie 140.000 andere per Präsidialdekret aus dem Öffentlichen Dienst entlassen worden. Deshalb seien sie ungeeignet, als Bürgermeister zu amtieren.
Die HDP ist empört und verweist darauf, dass alle Kandidaten vor der Wahl vom Hohen Wahlrat überprüft und nicht beanstandet worden seien. „Hätte man ihre Kandidatur abgelehnt, hätten wir die Möglichkeit gehabt, andere Kandidaten aufzustellen. Jetzt geht das Amt einfach an den Zweitplatzierten.“
Wie es der Zufall will, sind alle diese Zweitplazierten Vertreter der AKP, die nie eine Chance gehabt hätten, regulär gewählt zu werden. Am eklatantesten ist dies in einem Bezirk der kurdischen Metropole Diyarbakır, wo der HDP-Mann Zeyyat Ceylan 70,43 Prozent und der AKP-Kandidat nur 25,51 Prozent der Stimmen holte.
Insgesamt beklagt die HDP, dass der Hohe Wahlrat keinem der 17 Einsprüchen ihrer Partei stattgegeben habe, aber allen Einsprüchen der AKP. Das ändert nichts daran, dass die HDP die Kommunalwahlen in den überwiegend kurdisch besiedelten Gebieten im Südosten der Türkei haushoch gewonnen hat.
Bürgermeister inhaftiert
Dort hatte die Regierung in den meisten Städten während des Ausnahmezustandes von Juli 2016 bis Juni 2018 die Bürgermeister der HDP durch Anordnung des Präsidenten abgesetzt und durch Staatskommissare ersetzt. Viele dieser Bürgermeister wurden wegen angeblicher Nähe zur PKK inhaftiert, die als Terrororganisation bezeichnet wird.
Die Wähler haben diesen Eingriff in die Demokratie wieder korrigiert und in all diesen Städten erneut Vertreter der HDP gewählt. Präsident Recep Tayyip Erdoğan hatte schon vor der Wahl angekündigt, er werde auch neue Bürgermeister mit „Kontakten zu Terrororganisation“ durch Kommissare ersetzen.
Neben der Auseinandersetzung in den kurdischen Gebieten schaut das ganze Land aber nach wie vor gebannt auf Istanbul. Nachdem auch nach der Neuauszählung der Kandidat der Opposition, Ekrem İmamoğlu, mit rund 14.000 Stimmen in Führung liegt, will die AKP jetzt eine komplette Annullierung der Wahl und Neuwahlen in Istanbul durchsetzen. Es gäbe eine „außerordentliche Situation“, behauptet Parteisprecher Ömer Çelik.
Zusätzlich hat die AKP in dem Vorort Büyükçekmece „von einer kriminellen Organisation“ – gemeint sind die Gülenisten – gefälschte Wählerlisten beanstandet. Der Hohe Wahlrat hat Donnerstagabend beschlossen, darüber erst zu entscheiden, wenn die Hauptforderung nach Annullierung der Wahl ebenfalls vorliegt. Juristen werten das als Indiz, dass der Hohe Wahlrat dem Antrag der AKP auf Neuwahlen stattgeben wird.
Leser*innenkommentare
Azad
Wieso regt sich jemand auf?
Der Atilla vom Bosporus, kriegt doch genug Tribut von uns das er uns nicht angreift.
Es wird eine Generation in seinem Sinne erzogen und die IS/El Kaida/Moslem Brüder wird auch stillschweigend ein Gebiet wie der Saarland übergeben.
Jeder der bei Verstand ist was aus diesem Land wird.
Hauptsache wir verkaufen den unsere Bahn und geben den 250Millionen über die EU damit sie unsere Kredite bezahlen können, die wir absichern....hört sich so an als würde jemand immer noch von der Bagdadbahn träumen.
Im Osten der Türkei wird gegen das kurdische auf allen ebenen geführt.
Age Krüger
Eigentlich müsste man nun, wo klar ist, dass dort auf demokratischem Wege nix zu ändern ist, die AKP zu einer kriminellen Vereinigung erklären und die PKK noch mal neu betrachten.
Mich beunruhigt am meisten, dass ca. 400000 der in der BRD lebenden Türken AKP und Erdoğan gewählt haben. Man muss auch hier anfangen, was zu machen, damit diese hier keinerlei Einfluß gewinnen.
marxscheEffizienz
Jetzt muss Widerstand geleistet werden! Auf keinen Fall darf man sich einschüchtern lassen von dem Erdogan-Regime und damit den Narrativ sowie den Entwicklungssteuerung Erdogan überlassen werden.
(Man muss immer narrativ aggressiv nachsetzen an die Missstände und Besserungsmöglichkeiten darlegen, wenn man Erfolg hat.)
84935 (Profil gelöscht)
Gast
Wundert mich gar nicht, Diktator bleibt Diktator und das hat sich ja seit Jahren abgezeichnet. Wer schon im Umfeld des Putsches sein eigenes Unrecht zum Recht erklärt hat, lässt sich doch von so ein bisschen Demokratie nicht mehr ans Bein pinkeln. Warum schweigt unsere Politiker so schreiend?
94797 (Profil gelöscht)
Gast
@84935 (Profil gelöscht) Warum die Politiker so schreien schweige?
Weil die genau so ticken. Aber als aufrechte Demokraten ihren" Erdoganismus" erfolgreich, wie ein Konzern zur Gewinnmaximierung "outgesourced " haben. Vorteil:Man kann Gewinne einfahren und sich doch ganz toll menschlich und so fühlen.
Pfanni
Ehemalige DDR-Bürger erinnern sich noch an einen denkwürdigen Ausspruch des ersten SED-Parteichefs Walter Ulbricht, den dieser in einer geschlossenen Veranstaltung mit seinen Genossen tat und der nach der Wende bekannt wurde: „Es muss aussehen wie Demokratie, aber wir müssen alles im Griff haben!“.
Den DDR-Kommunisten gelang es bis zum Schluss, wenigstens den Schein zu wahren. Herrn Erdoğan gelingt dies nicht mehr, er lässt jetzt die Maske fallen.
94797 (Profil gelöscht)
Gast
Was soll ma sagen ?War das nicht zu erwarten?
Und.
Nicht vergessen
Er ( Erdogan) wurde - gewählt.
Wie er tickt, hätte man wissen können- wenn man es denn gewollt hätte.
Wenn man mittels Information, Diskussion und Rationalität wählen würde, gäbe es keine Erdogan.
Dass die Opposition die Wahlen für sich entschieden hat, ist-leider- "nur so einer Stimmung", wie ein Kommentator das mal geschrieben hat, zuzuschreiben. Morgen sieht's wieder ganz anders aus.Bisschen Propaganda der AKP. Dann ändert sich das wieder zu Erdogan Gunsten.
So sieht das leider aus
Sven2000
@94797 (Profil gelöscht) Seltsame Argumentation. Fast alle Diktatoren, die nicht durch einen Putsch an die Macht kamen, wurden gewählt. Daraus soll folgen, dass sie danach tun dürfen, was sie wollen?
Die Türkei hat sich vom Rechtsstaat verabschiedet und gehört somit insAbseits gestellt. Ob dadurch Russland einen neuen Spielgefährten erhält, muss zweitrangig sein.
Aufgeweichte „westliche“ Werte sind wertlos. Die EU hat genug mit eigenen Neos und Oligarchen und einer verdummten Wählerschaft aufzuarbeiten.
94797 (Profil gelöscht)
Gast
@Sven2000 Nein , daraus folgt, dass die Wähler, das so wollen.
Z.B. in der Turkei: Hürryet, eine der letzten relativ kritischen Blätter, ist nicht verboten. Da hätte man sich schon vor der Erdoganwahl über AKP ,Erdogan und die Folgen -hmmmm- beispielsweise- informieren können?
So leicht kommt man mir nicht davon .