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Kommentar zur Reichsbürger-ZählungEnde der Narrenfreiheit

Konrad Litschko
Kommentar von Konrad Litschko

Erst seit ein Polizist von einem Reichsbürger erschossen wurde, sind die Behörden alarmiert. Jämmerlich, dass es Widerstand gegen die Entwaffnung gibt.

Erst die tödlichen Schüsse auf einen Polizisten in Georgensgmünd haben den Behörden die Bedrohung durch Reichsbürger vor Augen geführt Foto: dpa

E s ist ein Offenbarungseid. Erst wenige Wochen ist es her, dass die Sicherheitsbehörden die „Reichsbürger“-Bewegung genauer ins Visier genommen haben. Und was sie seitdem zutage fördern, sieht nach einem bösen Erwachen aus. Tausende „Reichsbürger“ entdecken die Behörden plötzlich in Deutschland, Hunderte davon bewaffnet. Dabei wurde die Bewegung kürzlich noch als Nischenphänomen abgetan, als Sammelbecken für Spinner und Querulanten.

Man habe die „Reichsbürger“ unterschätzt, heißt es jetzt selbstkritisch aus einigen Ländern. Stimmt. Frage ist aber: warum? Denn aus ihren Auffassungen machten die „Reichsbürger“ schon früher keinen Hehl: aus ihrer fundamentalen Ablehnung dieses Staates, aus ihren brachialen Widerstands- und Gewaltaufrufen, ihrem Drohen mit „Erschießungskommandos“ und „Befreiungskämpfen“, aus ihrem Faible für Waffen. Dennoch genoss die Bewegung jahrelang Narrenfreiheit.

Nun aber wird eine üble Parallelwelt offenbar: Eine Bewegung, die häufig nicht nur viel radikaler ist als von Polizei und Verfassungsschutz angenommen, sondern auch viel größer und vernetzter. Eine, in der sich selbst Polizisten tummelten – Staatsdiener in Uniform. Dass erst ein Polizist sterben musste, erschossen von einem bayrischen „Reichsbürger“, bevor das Umdenken begann, stimmt nachdenklich. Klar ist: Die „Reichsbürger“ sind eine böse Niederlage für die Sicherheitsbehörden.

Der Plan der Länder, den Fantasiestaatlern nun ihre Waffen zu nehmen, kommt daher spät – aber er ist richtig. Dass selbst dagegen Widerspruch laut wird, ist erschreckend. Man dürfe Jäger und Sportschützen nicht unter Generalverdacht stellen, heißt es aus der CSU. Erst diese Woche beriet der Bundestag über schärfere Waffengesetze – und auch dort bekamen die Abgeordneten den geballten Widerstand der Waffenlobby zu spüren, die auf ihre „rechtschaffene“ Klientel verwiesen.

Die Reichsbürger sind eine böse Niederlage für die Sicherheitsbehörden

Es ist ein jämmerlicher Widerstand. Schon von jeher gibt es keinen vernünftigen Grund, warum Privatpersonen überhaupt Waffen zu Hause haben sollten. Entsprechende Vorstöße, dies zu ändern, werden seit Jahren ausgebremst. Dass dies nun selbst noch für Extremisten gelten soll, die teils mit rechtsextremen Mythen und Widerstandsrhetorik hantieren, wäre noch absurder. Das sollten auch die Jäger und Sportschützen einsehen. Eine Entwaffnung der „Reichsbürger“ – sie ist das Mindeste.

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Konrad Litschko
Redaktion Inland
Seit 2010 bei der taz, erst im Berlin Ressort, ab 2014 Redakteur für Themen der "Inneren Sicherheit" im taz-Inlandsressort. Von 2022 bis 2024 stellvertretender Ressortleiter Inland. Studium der Publizistik und Soziologie. Mitautor der Bücher "Staatsgewalt" (2023), "Fehlender Mindestabstand" (2021), "Extreme Sicherheit" (2019) und „Bürgerland Brandenburg" (2009).
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14 Kommentare

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  • In der sogenannten Reichsbürgerbewegung gibt es offenbar jede Menge Personen, die den Entscheid des Bundesverfassungsgerichtes BVerfG, 1956-08-17, 1 BvB 2/51, BVerfGE 5, 85 nicht kapieren. Beim vom Gericht bestätigten Fortbestand des Deutschen Reiches ist selbstverständlich nicht (!) das sog. „dritte Reich“ mit der Nazidiktatur gemeint, sondern die Weimarer Republik, die offiziell eben auch Deutsches Reich hieß. Die Nazis hatten anfänglich die Bezeichnung „drittes Reich“ ausgegeben, sind davon aber zwei Jahre später wieder abgerückt, weil sich die Bevölkerung darüber lustigmachte, indem sie Hitler als Kaiser verspottete und nach dem vierten Reich frug. Wenn also die sog. Reichsbürger glauben, daß mit dem vom Gericht bestätigten Fortbestand des Reiches ihr drittes Reich inklusive Hakenkreuz gemeint sei, irren sie gewaltig.

  • Dann setzen Sie sich dafür ein, dass Sportschießen aus der Olympischen Disziplin genommen wird, in "Herrgottsnamen". Es hat Tradition und geschossen wird nicht nur in Deutschland. Woanders schießen Leute auf Menschen und werden als Rebellen gefeiert. Auch von linker Seite. Nun, was soll das Ganze? Warm springen Menschen Bungee, Fallschirm? Warum trinken Menschen Alkohol? Warum gibt es Menschen, die in der Nase bohren?

  • Es gibt gute Gründe Waffen von Sportschützen zuahuse zu lagern. Schießstände sind meist weit außerhalb und kaum gegen Diebstahl zu schützen. Dort wären dann auch viele Waffen auf einmal zu erbeuten. Die Frage ist eher ob man unbedingt mit Feuerwaffen Sportschießen muss. Zumal die Kontrollen sehr lasch sind,

  • Das "rechtschaffende Klientel" darf auch in Flugzeugen keine Waffen mitnehmen. In diesem Punkt wünsche ich mir das rigorose Vorgehen der Airlines auch für das Leben außerhalb von Flugzeugen.

  • "Dennoch genoss die Bewegung jahrelang Narrenfreiheit."Zitat

     

    Weil solche Narren förmlich als das Rückrat eines deutschen Selbstverständnisses von vielen Bürgern angesehen werden.Sozusagen als die Hüter der "deutschen Flamme" in migrationslastigen Zeiten.Migration fällt übrigens nur dann unangenehm auf,wenn die Einwanderer erstmal hilfsbedürftig sind und nicht als voll ausgebildete, dringend benötigte Fachkraft,oder als unterbezahlte Malocher auf der Matte stehn.

  • Da geben Deutsche ihren Pass an die Behörden zurück mit der Begründung, sie seien keine Bürger dieses Staates und lehnen die demokratische Verfassung ab. Sie bilden eine Vereinigung, die das autoritäre bzw.totalitäre (Erste oder Dritte) Reich bewundert und ein Viertes anstrebt.

     

    Nicht zu fassen : Wenn dann solche Leute auch noch bewaffnet sind, haben die Verbände der Sportschützen in den Dörfern und der Jäger in unseren Wäldern nichts anderes zu tun als von einem "Generalverdacht" gegen alle Jäger- und Sportschützen zu faseln, nur damit ausgerechnet diese Radikalen ihre Sport- und Jagdwaffen behalten dürfen.

     

    Wie nennt man denn eine Vereinigung, die den Staat ablehnt, eine andere Staatsform herbeiführen will und Waffenbesitz für sich beansprucht, besonders dann, wenn es mal mehr als drei Leute sind ?

    • 4G
      4932 (Profil gelöscht)
      @unSinn:

      Wie Konrad Litschko in dem dem Artikel geben auch Sie die richtige Antwort.

      Es gibt eine große Anzahl von Menschen, die wegen ihrer rechten Gesinnung, geradeheraus und rechts, frei von der Leber, Ordnung und Eigentum, stammtischgewaltig, Reh- und Hasenbraten sichernd, und nochmal wegen ihrer richtigen Gesinnung und auch gegen Ausländer und solche Sachen und geradeheraus und schlicht und einfach wegen rechter Gesinnung

      den Schutz von CDU/CSU (und auch der SPD) bisher genossen haben und weiterhin genießen.

      Z.B.; Ohne den Jäger könnte die Menschheit nicht überleben. Und vielleicht ist der Reichsbürger ja auch ein Jäger.

    • @unSinn:

      "haben die Verbände der Sportschützen in den Dörfern und der Jäger in unseren Wäldern nichts anderes zu tun als von einem "Generalverdacht" gegen alle Jäger- und Sportschützen zu faseln"

       

      Ja, ja, wir wieder, die Bösen. Jedesmal wenn auch nur irgendwas ist, werden wir unter Generalverdacht gestellt. Dabei sind gerade wir die Bürger, die eh wieder und wieder gecheckt und durchleuchtet werden. Wenn das bei allen so der Fall wäre, wie bei Waffenbesitzern, hätten wir eine Art gläsernen Staat. Als Sportschütze muss man immer auf der Hut sein, sich ja nichts zu Schulden kommen zu lassen. Eine Autofahrt mit minimalem Alkoholpegel kann Anlass sein, als unzuverlässig zu gelten. Crystal Meth, wie bei einem Hr. Beck, ginge schon mal gar nicht. Amt und Würden zu halten sowieso nicht. Sogar nicht bezahlte Schulden usw. können dazu führen. Da es im Prinzip Ermessenssache ist was als unzuverlässig gilt. Eine Depression nach einer Trennung, psychologische Betreuung...Waffenbesitzkarte weg, usw.

       

      Was passiert den eigentlich regelmäßig mit registrierten Waffen? Was glauben Sie, wie schnell Kriminologen ihre Waffe ausmachen? Läppisch ist das. Jeder Sportschütze wird sich hüten. Die illegalen Waffen sind das Problem. Aber das verstehen Leute wie Sie nicht und gehen auf uns los. Wie auf jeden Autofahrer nach Raserei, oder wie? "Hmh, Forderung nach Verschärfung der Führerscheingesetze...". In Deutschland gibt es nichts, was so streng geregelt ist wie privater Waffenbesitz. Mit am schärfsten auf der Welt.

      • @Jens Egle:

        Sie scheinen dann auf jeden Fall ungeeignet für den Waffenbesitz zu sein, wenn Ihnen der Waffenschein näher ist, als das Bewustsein über die Gefährlichkeit von Waffen und ihre Sorgfaltpflicht.

        • @Selbstdenker:

          Dann doch noch: Selbstdenker, lernen Sie bitte erst mal den Unterschied zwischen Waffenbesitzkarte und Waffenschein. Ich besitze nämlich wie die allermeisten Menschen in D keinen Waffenschein..weil Sie davon sprechen..

          Ein Mitführen einer Waffe (zugriffsfähig) bedeutete den Verlust meiner WBK, Strafe und Jahre Knast...und nie wieder bekäme ich eine WBK, ein Leben lang. Da reicht's schon einfach nur in der Öffentlichkeit den Waffenkoffer zu öffnen und gesehen zu werden..

        • @Selbstdenker:

          Und eines noch Selbstdenker... wegen mir kann jeder ins Land kommen, gleich woher. Aber überprüft werden sollte er halt schon. Das fängt mal damit an überhaupt einen Pass besitzen zu müssen. Wie soll sonst geprüft werden mit wem man es zu tun hat? Würde hier nur halbwegs so intensiv vorgegangen wie mit uns Waffenbesitzer, die wir uns fast gar nichts erlauben können... Oder glauben Sie, wir dürften Kiffer sein, oder Crystal Meth rauchen? Ja das wär ja mal was... und wer ist dagegen? Ist doch dann Rassismus, oder?

        • @Selbstdenker:

          Ich hab meine Sorgfaltspflicht noch nie verletzt. Weder Lagerung noch Transport. Geschossen wird nur auf dem Stand. Also was wollen Sie? Jede kleinste Verletzung zöge im Übrigen den Verlust der WBK nach sich. Und die hat man kein Leben lang wie einen Fischereischein. Alle paar Jahre wird man neu überprüft. Funktioniert doch auch...sonst würden Reichsbürger ja keine Waffen entzogen...

           

          Aber nach 20 Jahren ist ein Gewehr für mich halt kein Gegenstand wie wohl für Sie. Angst und Sagenumwoben, schon schwitzend so ein Teil nur zu sehen. Das hat man halt daheim wie andere einen Tennisschläger den man im Tresor verstaut, der nicht in falsche Hände geraten darf. Selbstverständlich ist mir bewusst, was man damit anstellen könnte. Nun, aber wozu? Macht für mich keinen Sinn. Ich glaube, das ist es auch was Leute wie Sie nicht verstehen: das man etwas tun könnte, die Möglichkeit hat und es trotzdem nicht tut, weil man verantwortungsbewusst ist, keinen Sinn darin erkennt. Menschen diese Eigenverantwortung zu lassen, mag manche, die gern einen Übervater Staat hätten, der für alles sorgt und aber auch alles reglementiert, erschreckend wirken.

    • @unSinn:

      Und wie nennt man die 95% Gamma-Menschen (upps Antwort verraten), die ihr ganzes Leben lang leider niemals selber anfangen zu denken, es nicht mal merken und ständig fremde Meinungen als ihre eigene publizieren? Menschen, die heute voll hinterher laufen mit der Meinung "Was denkt sich diese dämliche Natur bloß dabei uns unterschiedlich zu machen mit Dicken und Dünnen und Männern und Frauen und Schwarzen und Weißen.... Und uns dann auch noch Sensoren dafür zu geben diese Unterschiede zu bemerken? Nein nein wir sind alle gleich", während sie vor 80 Jahren als Erste die Hand zum Gruß erhoben hätten oder vor 300 Jahren am lautesten geschrieen hätte "verbrennt die Hexe"... Aber das schlimmste an der Sache ist, dass ich mir auch noch die Zeit nehme "solchen" zu antworten....

      • @BLÖD SINN:

        Also falls Sie mich meinen, ich hätte vor 80 Jahren eine Hand zum Gruß erhoben... Ein Schützenverein ist wie alles andere ein kleiner Querschnitt durch die Gesellschaft. Bei uns schießen auch Gewerkschafter und SPD-Mitglieder (kein Politiker dabei). Ein Mitglied, Frau mit 3 Kindern, kümmert sich ehrenamtlich um Flüchtlinge. Bezogen auf das Thema wird das bei uns kontrovers diskutiert, wie eben "draußen" auch. Mir ist kein Rechtsradikale bekannt und Einige kenne ich seit Jahren. Kein Reichsbürger usw. Ausschließen kann man das nie, wie draußen auf der Straße nicht, wie unter Arbeitskollegen nicht. Leute die blöd rumballern wollen kommen zu uns auf Dauer eh nicht, da denen die Realität: Schießen auf eine Papierscheibe zu langweilig ist, neben dem Vereinsleben. Da sollten Sie eher auf Computerspiele achten, was die für ein Aggressionspotential aufbauen . Gerade unter Kids, die dann eventuell mit falschen Vorstellungen an die Sache gehen. Auf Scheibe schießen dient eher der Entspannung, hat was Meditatives. Für mich. Andere sehen es sportlicher, wollen perfekt treffen. Jeder wie er mag.

         

        Was Sie mir sonst mitteilen wollten, erschließt sich mir nicht. Ich denke Sie haben Vorurteile, Bilder im Kopf, sehen den bösen Mann mit der Waffe, zuviel Krimiserien geschaut...was weiß ich...