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Kommentar zur Eskalation in GazaDie Möglichkeit einer Insel

Kommentar von Susanne Knaul

Israel ist nicht allein schuld an der desolaten Lage in Gaza. Doch es steht in der Verantwortung, der Region eine Perspektive zu geben.

Ohne Hoffnung und Perspektive: Kinder in Gaza Foto: dpa

A n der akuten Not der Palästinenser im Gazastreifen trifft Israel die geringste Schuld. Palästinenserpräsident Mahmud Abbas hält zwei Drittel der öffentlichen Gelder für Gaza zurück, und Präsident Donald Trump reduzierte die Beiträge, die die USA an das UNRWA zahlten, das UN-Hilfswerk für palästinensische Flüchtlinge. Doch Abbas und Trump sind weit weg, deshalb richtet sich der Zorn des ausgemergelten Volkes gegen Israel – nicht zum ersten Mal.

Gaza ist zuallererst Israels Pro­blem. Auch auf internationaler Bühne hält man den Staat gern verantwortlich. Dabei ist die Blockade, die zur Hälfte auf Ägyptens Konto geht, zwar sicher nicht hilfreich für Gazas Wirtschaftswachstum. Genauso sicher ist sie aber weder das einzige noch das größte Hindernis.

Drei Kriege führte Israel in den letzten zehn Jahren gegen die Hamas. Ginge es nach Israels Verteidigungsminister, wäre der vierte längst im Gang – und würde wieder nichts verändern. Die stärkste Militärmacht im Nahen Osten ist ratlos angesichts brennender Drachen, die Jugendliche ohne Zukunft über die Grenze schicken. Solange Gazas Bewohner keine Hoffnung haben, werden sie ihren Kampf fortsetzen, auch wenn er sich gegen den Falschen richtet.

Eine künstliche Insel vor der Küste des Gazastreifens könnte für die Palästinenser ein Tor zur Welt sein

Seit acht Jahren liegt in der Schublade von Israel Katz, Minister für Verkehr und Geheimdienste, der Plan einer künstlichen Insel vor der Küste des Gazastreifens. Sie könnte für die Palästinenser ein Tor zur Welt sein. International finanziert und gemanagt, wäre Israel einzig für die Kontrolle zuständig. Die Insel wäre für beide Seiten ein Gewinn, denn Israel will die Verantwortung für den Gazastreifen schon lange nicht mehr, und Gaza strebt nach Unabhängigkeit.

Die Menschen dort wünschen sich ein Minimum an Lebenskomfort: frisches Wasser, regelmäßigen Strom, Bewegungsfreiheit, Entwicklungsmöglichkeiten. Auch Israel würde von Verbesserungen profitieren: Wer reale Perspektiven auf eine bessere Zukunft hat, lässt sich schwerer für den Kampf der Hamas oder den Märtyrertod re­krutieren.

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Redakteurin Meinung
1961 in Berlin geboren und seit 2021 Redakteurin der Meinungsredaktion. Von 1999 bis 2019 taz-Nahostkorrespondentin in Israel und Palästina.
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14 Kommentare

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  • „… Auch Israel würde von Verbesserungen profitieren: Wer reale Perspektiven auf eine bessere Zukunft hat, lässt sich schwerer für den Kampf der Hamas oder den Märtyrertod re¬krutieren…“

    Genau deswegen wird die Hamas jeden Versuch sabotieren, die Situation der Bevölkerung zu verbessern. Im Gegenteil, wenn lange genug Frieden war, werden schnell ein paar Raketen auf Israel gefeuert – in der Hoffnung, dass die Antwort der Israelis wieder genug Märtyrer produziert um die eigene Position zu festigen.

    • @JC Kay:

      Dieses Verhalten ist auf beiden Seiten zu beobachten. Die führenden Kräfte beider Konfliktparteien sind nicht an Frieden interessiert, weil mit diesem ihre Machtbasis wegbrechen würde. Sie würden schlichtweg nicht mehr benötigt und sähen sich gegebenenfalls sogar mit Gerichtsprozessen konfrontiert.

  • "Israel ist nicht allein schuld an der desolaten Lage in Gaza."

    Wie gnädig.

    • @modulaire:

      Leider benennt sie nicht den/die Mitschuldigen.

      • @Nicky Arnstein:

        Wer lesen kann ist klar im Vortiel.

        • @mallm:

          Ich lese "Gaza ist zuallererst Israels Pro­blem. Auch auf internationaler Bühne hält man den Staat gern verantwortlich" sowie "Drei Kriege führte Israel in den letzten zehn Jahren gegen die Hamas." Insgesamt also eine recht verkürzte und einseitige Darstellung, die weder die Ursache für die Blockade noch die Kriege nennt. Sicher, Frau Knaul erwähnt in einem halbherzigen Nebensatz, dass Ägypten die Blockade mitmacht, gleichwohl ist Israel der Hauptschuldige - nichts Neues also. Kein Wort von Hamas, kein Wort darüber, dass Abbas die Blockade unterstützt und immer wieder zu Verschärfungen geführt hat. Dass also die Lage in Gaza auch etwas mit dem seit Jahren anhaltenden Machtkampf zwischen Fatah und Hamas zu tun hat, das erwähnt Frau Knaul nicht, steht aber hier:

          www.spiegel.de/pol...not-a-1202441.html

          • @Nicky Arnstein:

            „An der akuten Not der Palästinenser im Gazastreifen trifft Israel die geringste Schuld. Palästinenserpräsident Mahmud Abbas hält zwei Drittel der öffentlichen Gelder für Gaza zurück, und Präsident Donald Trump reduzierte die Beiträge, die die USA an das UNRWA zahlten, das UN-Hilfswerk für palästinensische Flüchtlinge.“

            Das ist der erste Satz.



            Aber das „Ich lese“ beschreibt das Problem schon nachdrücklich.

            • @mallm:

              Sie haben Recht. Mea culpa. Habe ich wirklich im Eifer des Gefechts überlesen. Dennoch übertreibt sie leicht, wenn hier pathetisch vom "ausgemergelten Volk" spricht.

  • "Israel ist nicht allein schuld an der desolaten Lage in Gaza. Doch es steht in der Verantwortung, der Region eine Perspektive zu geben."

    Als ich diese Bildunterschrift oben las, dachte ich nur: Und ewig grüßt das Murmeltier. Ich habe diesen Kommentar von Frau Knaul schon mehrfach gelesen, in abgeänderter Form. Neu sind lediglich die Andeutungen bezüglich des Plans einer "künstlichen Insel vor der Küste Gazas". Was will uns die Kommentatorin damit sagen bzw. warum tut sie so geheimnisvoll? Ich musste googeln, um festzustellen, dass das schon 2016 durch die Medien ging.

    www.focus.de/polit...te_id_5655708.html

    Aber was soll das den Bewohnern von Gaza bringen? Und was hätte Israel davon? Frau Knaul tut so, als seien die Raketenangriffe allein der desolaten Situation der Bewohner Gazas geschuldet. Tatsache ist doch, dass die Raketenangriffe und der Terror lange vor der Blockade begannen und die Blockade die Antwort auf Raketen und Terror war. Und so lange sich die Hamas weigert, sich mit Israel an den Verhandlungstisch zu setzen, und stattdessen mit Raketen, Granaten und brennenden Drachen Israel und seine Menschen angreift, wird sich nichts ändern - weder für die Menschen in Gaza noch für die Israelis.

    • @Nicky Arnstein:

      Frau Knaul sagt doch im letzten Satz ihres Beitrages genau das Richtige.



      Hätte die Hamas ein wirkliches Interesse, dass es den Menschen in Gaza gut geht, wäre Gaza schon heute eine prosperierende Region.

    • @Nicky Arnstein:

      Bringen soll das vor allem einen wirtschaftlichen Aufschwung für die Palaraber.

      Verschiedene Institutionen in Israel sehen keine vernünftigen wirtschaftlichen Entwicklungsmöglichkeiten für Gaza, ohne Handel größeren Ausmaßes mit weitern Handelspartnern.

      Das Hauptproblem hierfür ist unter anderem der Transport.

      Gaza hat einen Flughafen, den Israel im Zuge der zweiten Intifada teilweise zerstört hat und der bis heute geschlossen ist. Den möchte Israel aber erstmal ungern wieder eröffnen, da es nicht kontrollieren kann, was so ins Land kommt und israelische Kontrollen am Flughafen in Dahaniye ist zurzeit unmöglich. Außerdem sind Transporte via Flugzeug viel teurer, als etwa per Schiff.

      Dann gibt es natürlich die Grenzübergänge mit Israel und Ägypten, also Transport über Land, wird in Israel auch kritisch gesehen. Da die Leute eben so durch Israel müssen und LKW schon öfters für Angriffe genutzt wurden.

      Die alte Sinai Bahn ist nicht mehr in Betrieb, an vielen Stellen gibt es auch keine Gleise mehr, so könnte man die Waren über Rafah fahren, müssten aber die Ägypter mitspielen.

      Die beste Möglichkeit, vor allem für eine Gegend wo man praktisch von überall schnell am Meer ist, wäre darum, Transport per Schiff.

      Der Hafen von Gaza ist aber nicht tief genug und auch zu klein für größere Transportschiffe.

      Darum gab es verschiedene Ideen, wie man das ändern kann. Israelische Häfen, will man aus Sicherheitsgründen nicht dafür öffnen, der Hafen von Ashdod wäre nur 51km von Gaza entfernt. Hafen auf Zypern und dann Transport mit kleineren Schiffen nach Gaza, würde den Transport unnötig verteuern. Neuer Hafen in Gaza, hätte man keine Kontrolle und so kam man auf die Idee, eine Insel aufzuschütten und da einen Hafen und Flughafen draufzubauen und die Insel mit einer Brücke nach Gaza zu verbinden.

      So könnte man die Kontrolle darüber behalten und die Palästinenser könnten Handeln und so würde der Hamas weniger Zulauf von jungen Leuten ohne Perspektive zugutekommen.

      • @Sven Günther:

        Das war sehr informativ. Danke.

      • @Sven Günther:

        Danke für die Erläuterungen. Kann man darüber detaillierter etwas lesen?

        • @Hampelstielz:

          Sie meinen über das Hafen Projekt?

          Da gab es mal einen etwas größeren Artikel mit Video des Ministeriums in der Times of Israel auf Englisch.

          www.timesofisrael....an-with-new-video/

          Deutsche Quellen fallen mir leider auf die schnelle nicht ein, wo mehr drinstand, als das es dieses Projekt gibt.