Kommentar zum Verbot der Roten Hilfe: Rechtsstaat auch für Linke
Das Innenministerium erwägt ein Verbot der Roten Hilfe. Das wäre ein Schlag gegen Linke, der rechten Interessen in die Hände spielt.
E in Verbot der Roten Hilfe wäre nach dem Verbot des linken Nachrichtenportals Indymedia der zweite große Schlag des Bundesinnenministeriums (BMI) gegen linke Strukturen in anderthalb Jahren. Ein Schlag, der rechten Interessen in die Hände spielt.
Die Rote Hilfe sei eine linksextremistische Organisation mit verfassungsfeindlicher Grundausrichtung, die Straftäter unterstütze, wirft das BMI ihr vor. Das ist Populismus gegen Linke. Die Rote Hilfe ist keine klandestine Terrorzelle, sondern ein Verein mit 9.000 Mitgliedern, darunter Bundestagsabgeordnete und Anwält*innen. Sie leistet einen Beitrag zum funktionierenden Rechtsstaat, indem sie Angeklagten durch Prozesskostenhilfe ermöglicht, sich angemessen zu verteidigen.
Die Chancen vor Gericht müssen für alle Bürger*innen gleich sein, ganz gleich, wie aufgeheizt die gesellschaftliche Stimmung ist. Eben deshalb sollten sie nicht vom Einkommen abhängen. Dass schlecht verdienende Linke wenigstens finanzielle Unterstützung erhalten, gleicht ein Stück weit einen Missstand aus.
Linke*r Straftäter*in wird man heutzutage schnell. Wenn die Polizeigesetze – wie in Bayern etwa – verschärft werden, oder wenn bei Bedarf ganze Innenstädte zu Demoverbotszonen erklärt werden, reicht es manchmal, zur falschen Zeit am falschen Ort zu sein, um vor Gericht zu landen.
Strafe wegen Embryonalhaltung
Beim Strafmaß sind die Gerichte oft nicht zimperlich: Nach dem G20-Gipfel in Hamburg wurde ein Mann unter anderem wegen Widerstands gegen die Staatsgewalt zu einer Haftstrafe verurteilt, weil er bei seiner Festnahme die Embryonalhaltung eingenommen hatte.
Wenn es zur Kostenfrage wird, ob man sich an der Blockade einer Zwangsräumung beteiligt, wenn Aktivismus zu etwas verkommt, das man sich leisten können muss, ebnet man den Weg in eine unmündige Gesellschaft.
Eine Vorgängerorganisation der Roten Hilfe wurde übrigens schon einmal verboten: Das war 1933.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Nahost-Konflikt
Alternative Narrative
Putins Atomdrohungen
Angst auf allen Seiten
Nach der Gewalt in Amsterdam
Eine Stadt in Aufruhr
+++ Nachrichten im Nahost-Krieg +++
IStGH erlässt Haftbefehl gegen Netanjahu und Hamas-Anführer
Krise der Linke
Drei Silberlocken für ein Halleluja
Die Wahrheit
Der erste Schnee