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Kommentar zum Verbot der Roten HilfeRechtsstaat auch für Linke

Katharina Schipkowski
Kommentar von Katharina Schipkowski

Das Innenministerium erwägt ein Verbot der Roten Hilfe. Das wäre ein Schlag gegen Linke, der rechten Interessen in die Hände spielt.

Oft reicht es, zur falschen Zeit am falschen Ort zu sein, um ins Visier der Polizei zu geraten Foto: ap

E in Verbot der Roten Hilfe wäre nach dem Verbot des linken Nachrichtenportals Indymedia der zweite große Schlag des Bundesinnenministeriums (BMI) gegen linke Strukturen in anderthalb Jahren. Ein Schlag, der rechten Interessen in die Hände spielt.

Die Rote Hilfe sei eine linksextremistische Organisation mit verfassungsfeindlicher Grundausrichtung, die Straftäter unterstütze, wirft das BMI ihr vor. Das ist Populismus gegen Linke. Die Rote Hilfe ist keine klandestine Terrorzelle, sondern ein Verein mit 9.000 Mitgliedern, darunter Bundestagsabgeordnete und Anwält*innen. Sie leistet einen Beitrag zum funktionierenden Rechtsstaat, indem sie Angeklagten durch Prozesskostenhilfe ermöglicht, sich angemessen zu verteidigen.

Die Chancen vor Gericht müssen für alle Bürger*innen gleich sein, ganz gleich, wie aufgeheizt die gesellschaftliche Stimmung ist. Eben deshalb sollten sie nicht vom Einkommen abhängen. Dass schlecht verdienende Linke wenigstens finanzielle Unterstützung erhalten, gleicht ein Stück weit einen Missstand aus.

Linke*r Straftäter*in wird man heutzutage schnell. Wenn die Polizeigesetze – wie in Bayern etwa – verschärft werden, oder wenn bei Bedarf ganze Innenstädte zu Demoverbotszonen erklärt werden, reicht es manchmal, zur falschen Zeit am falschen Ort zu sein, um vor Gericht zu landen.

Strafe wegen Embryonalhaltung

Beim Strafmaß sind die Gerichte oft nicht zimperlich: Nach dem G20-Gipfel in Hamburg wurde ein Mann unter anderem wegen Widerstands gegen die Staatsgewalt zu einer Haftstrafe verurteilt, weil er bei seiner Festnahme die Embryonalhaltung eingenommen hatte.

Wenn es zur Kostenfrage wird, ob man sich an der Blockade einer Zwangsräumung beteiligt, wenn Aktivismus zu etwas verkommt, das man sich leisten können muss, ebnet man den Weg in eine unmündige Gesellschaft.

Eine Vorgängerorganisation der Roten Hilfe wurde übrigens schon einmal verboten: Das war 1933.

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Katharina Schipkowski
Redakteurin | taz Nord
Jahrgang 1986, hat Kulturwissenschaften in Lüneburg und Buenos Aires studiert und wohnt auf St. Pauli. Schreibt meistens über Innenpolitik, soziale Bewegungen und Klimaproteste, Geflüchtete und Asylpolitik, Gender und Gentrification.
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9 Kommentare

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  • Man kann nur anraten möglichst schnell Mitglied zu werden bei der roten Hilfe. Und sich möglichst bald und offensiv zu engagieren in Strukturen gegen Rechts.

  • Eine Organisation, die nur denjenigen Beschuldigten Unterstützung gewährt, die jegliche Zusammenarbeit mit Polizei und Justiz verweigern, zeigt m.E. deutlich ihre wahren Ziele.

    Und es ist auch kein Zufall, dass sich Teile der 3. RAF Generation aus dieser Organisation rekrutiert haben (Hogefeld, Grams). Bis in jüngste Zeit scheint die Rote Hilfe noch Sympathie für gesuchte (Ex-)Terroristen zu haben, so im Falle der inzwischen auf Bankraub umgeschulten Garweg, Staub und Klette, siehe:



    "Daniela, Burkhard und Volker:



    Wir wünschen Euch viel Kraft



    und Lebensfreude. Lasst es



    Euch gutgehen … und lasst



    Euch nicht erwischen!"



    (aus Die Rote Hilfe, 3/2016, S. 3).

    • @arunto:

      Was ist denn das für ein Blödsinnsbeitrag: Jeder Rechtsanwalt weist auf das Zeugnisverweigerungsrecht auch als Selbstschutz hin. Denn jede Aussage kann auch falsch verstanden werden und dann negativ ausgelegt werden. Jede Haftpflichtversicherung verlangt als Bedingung für Rechtsschutz kein Schuldeingeständnis.



      Insofern findet da nichts kriminelles statt, zumal der Ankläger Schuld beweisen muss. Also absoluter Unsinn und v.a. hetzerischer Dreck, dieser Kommentar.

      • @Unvernunft:

        Richtig!

  • Wie jetzt Deutschland hilft bei repressionen gegen Links und spielt Rechten in die Hände.... NIEMALS !



    Hört die Sch**ße denn irgendwann mal auf in diesem Land?

  • Erfüllt das BMI eigentlich mit solchen Ideen nicht bereits den Tatbestand der verfassungsfeindlichen Organisation?

    • @Togijak:

      Diese Position hat nicht nur das BMI, auch z.B. der baden-württembergische Verfassungsschutz stuft die Rote Hilfe ähnlich ein:



      "Die Bedeutung der „Roten Hilfe e. V.“ als Hilfs- und Unterstützungsorganisation für die linksextremistische Szene ist unverändert groß. Gegen den allgemeinen Trend hat sie in der Vergangenheit als eine von wenigen linksextremistischen Organisationen ihre Mitgliederzahl deutlich steigern können..."



      www.verfassungssch.../_Rote+Hilfe+e_+V_

  • Na, wie komisch... ein von Seehofer geführtes Ministerium forciert Repressionen gegen linke Strukturen.



    Danke für den Verweis auf 1933, Geschichte wiederholt sich halt "nieeeeemals"...

  • Offensichtlich hat die AfD die Macht - vorerst("nur") im Geiste v.Polizei und Justiz - längst in den Händen und feiert ausgelassen und ungestört ihre Romanze mit 1933.