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Kommentar zum Kohlekraftwerk StadeFossiles Denken

Wer es mit dem Klimaschutz ernst meint, darf heutzutage kein Kohlekraftwerk bauen – Stade will es aber trotzdem tun.

In der Dämmerung sieht sogar eine Kohlekraftwerk etwas romantisch aus Foto: Branden Camp/dpa

HAMBURG taz | Die Stader wollen die Letzten sein, die in Deutschland ein Kohlekraftwerk bauen. Ein zweifelhafter Ruhm, gewiss, würdig eines Donald Trump. Das prima Klima an der Unterelbe sowie deren Flora und Fauna werden fossilem Denken geopfert. Zu einem Zeitpunkt, an dem die Schadstoffbelastung der Atemluft in den Städten endlich – und lange überfällig – auf der Tagesordnung steht, genehmigen Lüneburger Oberverwaltungsrichter den Bau eines neuen Kohlemeilers. So aus der Zeit gefallen muss man erst mal sein.

Auch wenn die Richter an den formaljuristischen Grundlagen für den Kraftwerksbau nichts zu mäkeln haben, verwundert es doch, wie sehr die gesellschaftliche und klimapolitische Debatte außer Acht gelassen wird. In Stuttgart hat ein Verwaltungsgericht Fahrverbote für Dieselautos verhängt, ohne sich in formalistischen Kleinigkeiten zu verlieren. Höher gewichtet als der Mobilitätsanspruch einiger Autobesitzer wurde dort das allgemeine Menschenrecht auf körperliche Unversehrtheit.

Da erscheint es fragwürdig, im Fall des ­Stader Kohlemeilers die Bebauungspläne einer Kommune und die wirtschaftlichen Interessen eines Industrieunternehmens über das Recht der BürgerInnen auf Gesundheit zu stellen. Weil die Klimaziele des Bundes zwar in internationalen Vereinbarungen zugesagt worden waren, aber eben keine bundesdeutschen Gesetze seien, kann nach Ansicht des Gerichts auch nicht dagegen verstoßen werden.

Im Klartext: Die Klimaschutzvereinbarungen sind nicht einklagbar und somit das Papier nicht wert, auf dem sie geschrieben wurden. Auf diese Argumentation muss man erst mal kommen.

Deshalb ist es notwendig, dass die Kläger gegen dieses Urteil Beschwerde einlegen. Im April erst untersagte der Europäische Gerichtshof (EuGH) dem Hamburger Kohlekraftwerk Moorburg die Kühlung mit Elbwasser, weil dieses gegen europäisches Umweltrecht verstoße. Doch auch Stade soll mit Wasser aus dem Fluss gekühlt werden, das sollte juristisch erneut überprüft werden.

Wer Klimaschutz ernst meint, darf kein Kohlekraftwerk bauen: Ausnahmsweise ist die Welt mal so einfach.

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3 Kommentare

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  • Hier werden die Zuständigkeiten verwischt:

    Es liegt an der Bundespolitik, dafür zu sorgen, dass die Firma einen angemessenen Preis für die Entsorgung des Endprodukts ihres Kraftwerks bezahlt, solange es dieses überhaupt in die Luft ausstoßen darf.

     

    Wenn das Kraftwerk tatsächlich gebaut wird, haben sowohl die Investoren wie auch die Bundespolitiker etwas falsch gemacht. Bis 2030 wird es sich übrigens nicht amortisieren.

  • Wo, wenn nicht an der Küste, soll man Kohlekraftwerke bauen?

    • 8G
      81331 (Profil gelöscht)
      @Ansgar Reb:

      ...auf'm Mond, wo denn sonst?!