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Kommentar zum FriedensnobelpreisKämpfer gegen das Unvorstellbare

Dominic Johnson
Kommentar von Dominic Johnson

Zwei KämpferInnen gegen sexualisierte Gewalt bekommen den Friedensnobelpreis. Die Entscheidung des Komitees verdient Respekt und Beifall.

Entkam der IS-Gefangenschaft: Nadia Murad Foto: dpa

E s ist eine kluge Entscheidung des Nobelpreiskomitees, im #MeToo-Jahr 2018 und mitten im Getöse um Brett Kavanaugh den Friedensnobelpreis an den kongolesischen Arzt Denis Mukwege und die irakische Jesidin Nadia Murad zu vergeben. Die beiden haben sich auf unterschiedliche Weise einem der brutalsten Menschheitsverbrechen entgegengestellt: die gezielte Zerstörung von Frauen als Mittel zur Zerstörung ganzer Bevölkerungen – das unvorstellbare Extrem auf der großen Skala dessen, was Männer Frauen antun können.

Es gibt keine adäquaten Worte für das, was viele Frauen in den Kriegsgebieten Ostkongos durch bewaffnete Milizionäre und Soldaten erlitten haben und was der Minderheit der JesidInnen im Nordirak durch den Terror des sogenannten Islamischen Staates angetan worden ist. Die IS-Krieger betrachteten die jesidischen „Ungläubigen“ als Untermenschen, die man in ihrer Identität vernichten könne, indem man ihre Frauen verschleppt, vergewaltigt und zum Gebären der Söhne und Töchter „wahrer“ Gläubiger zwingt. Die aus dem Völkermord in Ruanda hervorgegangenen Hutu-Kämpfer im Ostkongo und ihre vielen unterschiedlichen bewaffneten kongolesischen Freunde und Gegner sahen die Bevölkerungen, denen sie sich mit Gewalt aufzwangen, als Freiwild. Sie nutzten die gezielte Vergewaltigung und Folter von Mädchen und Frauen zur Bestrafung und Demütigung ganzer Zivilbevölkerungen.

Diese Art von Kriegsführung ist Terror pur, ein Ausdruck schrankenloser Macht, und auch eine Belohnung für die eigenen jungen männlichen Kämpfer, deren Kommandeure ihnen ansonsten höchstens Glück im Jenseits zu bieten haben. Sie ist nicht nur aus Irak und Kongo bekannt, auch aus den Kriegen Ex-Jugoslawiens, aus dem Zweiten Weltkrieg und letztlich aus so gut wie allen bewaffneten Konflikten, in denen Zivilbevölkerungen kollektiv zu legitimen Kriegszielen erklärt werden. Nicht von ungefähr nimmt sexualisierte Gewalt als Kriegswaffe einen zentralen Platz ein in der internationalen strafrechtlichen Verfolgung von Verbrechen gegen die Menschlichkeit.

Es ist das Verdienst Mukweges, diesen Terroropfern direkt und konkret zu helfen, und das Verdienst Murads, über das Grauen Zeugnis abzulegen

Dabei zeigt die Erfahrung, dass sie zu den am schwersten nachzuweisenden Straftaten gehört, da Erlebnisse Einzelner unter sexueller Folter kaum verifizierbar sind. Allzu oft werden die Überlebenden mit ihrem zerfetzten Unterleib und ihren gebrochenen Seelen allein gelassen und als Menschen ignoriert. Sie sind nicht mehr als interessantes Anschauungsmaterial für reißerische Horrorreportagen und gelehrte Völkerstrafrechtsseminare.

Es ist das Verdienst Mukweges, diesen Terroropfern direkt und konkret zu helfen, und das Verdienst Murads, über das Grauen Zeugnis abzulegen. Beides gibt anderen die Möglichkeit, Terroropfern nicht nur direkt zu helfen und ihre Erlebnisse bekannt zu machen, sondern ihnen dadurch, dass sie Zeugnis ablegen, ein Gesicht zu geben, ihren Schutz zu fördern, an ihre Menschenwürde zu erinnern. Es ist das Verdienst des Nobelpreiskomitees, zwei mutige Menschen auszuzeichnen, die Unfassbares erlitten und gesehen haben und im Umgang damit Außergewöhnliches für die Menschheit geleistet haben.

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Dominic Johnson
Ressortleiter Ausland
Seit 2011 Co-Leiter des taz-Auslandsressorts und seit 1990 Afrikaredakteur der taz.
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4 Kommentare

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  • Es ist richtig und gut, dass die beiden den Friedensnobelpreis erhalten haben. Bei der Berichterstattung sollte man aber nicht vergessen, dass sexualisierte Gewalt als Waffe sich nicht auf Frauen beschränkt. Wir sollten bei den Opfern sexualisierter Gewalt im Kontext bewaffneter Konflikte niemanden unnötig ausgrenzen - egal ob Frauen, Kinder, Männer, Trans etc. Das wäre ein schlimmer und unnötiger Sexismus.

  • Eine gute Entscheidung. Hoffentlich werden die beiden mutigen Menschen dadurch gestärkt.

  • 9G
    98589 (Profil gelöscht)

    Endlich bekommen diejenigen Menschen den Friedensnobelpreis, die ihn wirklich verdient haben!

  • Ich habe höchsten Respekt vor diesen beiden mutigen und starken Menschen! Nur zurecht verdienen sie den Nobelpreis!