Kommentar zu Unruhen in Ägypten: Mubarak ist angezählt
Es reicht! Die Zeit der Lähmung in Ägypten ist vorbei. Doch über das Schicksal von Präsident Mubarak wird nicht auf den Straßen entschieden, sondern auch im Weißen Haus.
E ndlich! Nach der erfolgreichen Revolte in Tunesien haben endlich auch zehntausende Ägypter ihre politische Depression überwunden und gegen Armut, Korruption und Präsident Husni Mubarak demonstriert. Seit den Brotunruhen 1977 sind in dem bevölkerungsreichsten arabischen Land nicht mehr so viele Menschen auf die Straßen gegangen.
Selbst vor den gefälschten Wahlen Ende Oktober vergangenen Jahres konnte die Opposition nur wenige hundert Anhänger mobilisieren. Insofern sind die Ereignisse des 25. Januar ein wichtiges politisches Signal an die herrschende Klasse: "Es reicht!", wie sich eine ägyptische Oppositionsgruppe bezeichnenderweise nennt.
Doch über das Schicksal des 82-jährigen Mubarak, der seit fast dreißig Jahren an der Macht ist, wird nicht nur auf den Straßen entschieden, sondern auch im Weißen Haus. Dies ist ein wichtiger Unterschied zu den Massendemonstrationen im Iran im Sommer 2009. Auf Mahmud Ahmadinedschad kann Washington kaum Einfluss nehmen, auf Mubarak schon.
ist Auslandsredakteurin der taz.
Ägypten ist neben Israel einer der wichtigsten Verbündeten der USA in der Region, Vertreter der Regierung in Washington sitzen in Kairo quasi mit am Kabinettstisch. Entscheidend ist, was hinter verschlossenen Türen besprochen wird, nicht irgendwelche offiziellen Verlautbarungen aus Washington.
Allerdings fragt man sich, auf welchem Stern US-Außenministerin Hillary Clinton eigentlich lebt: Sie erklärte, die Mubarak-Regierung tue ihr Bestes, den Forderungen der Demonstranten nachzukommen. Wie bitte? Mubarak schafft sich selbst ab? War da nicht was?
Richtig! Der ägyptische Präsident hätte vor drei Monaten jede Möglichkeit gehabt, eine politische Öffnung einzuleiten - mit freien Wahlen. Dann hätte es ein Parlament gegeben, in dem die wichtigsten Kräfte des Landes - von der laizistischen Opposition bis zu den Muslimbrüdern - vertreten gewesen wären. Für die bevorstehenden Präsidentschaftswahlen hätte es nicht nur einen Kandidaten namens Mubarak gegeben.
Das wäre allerdings der Anfang vom Ende des Regimes gewesen. Bekanntlich hat sich Mubarak für eine andere Option entschieden. Doch die Zeit der Lähmung in Ägypten, das seit einem halben Jahrhundert keine Kultur der politischen Veränderung mehr kennt, ist seit Dienstag vorbei. Es reicht!
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Rechtspopulistinnen in Europa
Rechts, weiblich, erfolgreich
Buchpremiere von Angela Merkel
Nur nicht rumjammern
Stellungnahme im Bundestag vorgelegt
Rechtsexperten stützen AfD-Verbotsantrag
#womeninmalefields Social-Media-Trend
„Ne sorry babe mit Pille spür ich nix“
Landesparteitag
Grünen-Spitze will „Vermieterführerschein“
Die Wahrheit
Herbst des Gerichtsvollziehers