Kommentar zu Blockade von Nazidemo: Mutige Worte, mutige Demonstranten
Berlins Innensenator Geisel (SPD) bezeichnet Neonazis als „Arschlöcher“: ein erfolgreicher Aufruf zu zivilem Ungehorsam.
Es ist 25 Jahre her, dass das A-Wort als Synonym für Neonazis in den größeren politischen Diskurs eingeführt wurde. Damals sang die Band Die Ärzte über deren „Schrei nach Liebe“. Seit Samstag hat das Wort Ministerrang: „Wir haben festgestellt, dass die freiheitlich-demokratische Grundordnung leider auch für Arschlöcher gilt“, antwortete Innensenator Geisel (SPD) auf die Frage, warum der Gedenkmarsch für Hitler-Stellvertreter Rudolf Heß am Samstag nicht verboten wurde.
Geisels Botschaft kam an. Von einigen knüppelharten Ausnahmen abgesehen gaben sich die in Spandau eingesetzten Berliner Polizisten – deren oberster Dienstherr der Innensenator ist –, erkennbar wenig Mühe, den langen Demoweg von linken Blockaden freizuräumen. Sie erlaubten den 900 meist in weißes T-Shirt und schwarze Hose gekleideten Neonazis lediglich loszulaufen, nach 300 Metern eine Stunde in der Sonne zu brutzeln, schließlich ein bisschen im Kreis zu marschieren und wieder abzureisen.
Arschlöcher, die in Pseudo-Uniform einem NSDAP-Verbrecher huldigen wollen, haben in Berlin höchstens den Hauch einer Chance: Die Taktik der Innenverwaltung, lieber die eigenen Kräfte und die Zivilgesellschaft zu ermutigen, die Nazi-Demo in engen Grenzen zu halten, war erfolgreich. Ein Kampf für ein Verbot vor Gericht hätte im Fall einer Niederlage den Rechten Auftrieb gegeben und die Mobilisierung des Gegenprotests erschwert.
Denn klar ist: Trotz Geisels deutlicher Worte müssen vor allem genug Menschen den Mut aufbringen, sich den Neonazis in den Weg zu stellen. Am Samstag hat das dank einer umfassenden Mobilisierung funktioniert – sogar im fernen Spandau. Bei den nächsten rechten Aufmärschen muss es wieder von Neuem bewiesen werden.
Vielleicht gelingt es ja, dass Neonazis de facto höchstens noch Kundgebungen abhalten, aber keine Demos mehr durchziehen können. Das wäre so unattraktiv, dass dazu wohl kaum noch jemand käme. Und der freiheitlich-demokratischen Grundordnung wäre auch Genüge getan.
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