Kommentar zu Berlins Suche nach einem neuen Slogan: Sei Laber. Sei Rhabarber. Sei Berlin
Ein neuer Slogan für Berlin? Den braucht kein Mensch. Statt dessen eine Politik, die nicht Anwohner*innen verdrängt.
Spaziergänge durch den Kiez mit Alteingesessenen, qualitative Interviews mit Zuzüglern und Bürgern, die sich noch nicht vom Berlin-Hype haben anziehen lassen, eine repräsentative Umfrage unter 2.500 Teilnehmern aus Berlin und dem Bundesgebiet. Viel Aufwand haben die Stadtmarketingexperten im vergangenen Jahr betrieben bei ihrer Untersuchung der „Marke Berlin“. Sie nennen das: eine „Reise ins Herz der Hauptstadt auf der Suche nach ihrer DNA“.
Das Ergebnis dieses Aufwands ist vor allem für die Werber selbst befriedigend: Die Arbeit hat sich gelohnt, denn Berlin brauche einen neuen Slogan. „Be Berlin“ hat ausgedient, der 2008 entwickelte Slogan repräsentiere mehr als zehn Jahre danach nicht mehr das Lebensgefühl der Stadt. Oder besser: der Hauptstadt. Oder gar: Weltstadt.
Jedes andere Ergebnis hätte überrascht, denn dann hätten die Marktetingfuzzis die Überflüssigkeit ihrer eigenen Arbeit konstatieren müssen. Sei Laber. Sei Rhabarber. Sei Berlin.
Der Titel des 37-seitigen erarbeiteten Leitbildes heißt: „Berlin bleibt anders.“ Wer dabei nicht an Herbert Grönemeyer denkt, muss über den Widerspruch zwischen der Aussage und ihrer dahinterstehenden Zielsetzung stolpern. Wie anders kann eine Stadt sein, die im Wettbewerb der Städte um Investoren und Touristen auf die Hilfe von Werbeagenturen setzt? Eine Stadt, die im Ungeiste der Standortkonkurrenz um weltweit agierende Konzerne wie Google wirbt und sich immer weiter dem Massentourismus ausliefert? Eine Stadt, die einen Slogan nötig hat, so wie Bielefeld oder Suhl?
Kieze mit Souvenirshops statt Wäschereien, Airbnb-Appartments statt bezahlbarer Wohnungen und Instagram-Kulissen statt guter Nachbarschaft. Berlin reiht sich ein in eine Liste von Städten von Barcelona über Amsterdam bis Venedig, in denen die Einwohner längst nur noch Statisten sind. Wenn Berlin anders sein will, wäre es dringend nötig, die Richtung zu ändern: keine neuen Hotels, keine zusätzlichen Flüge, Schutz für bestehendes Gewerbe. Ein richtiges Berlin, auch für Touristen, die das richtige Berlin suchen.
Die DNA der Stadt, das sind ihre Menschen. Jene Menschen, die zunehmend aus der Innenstadt verdrängt werden; die keinen Yuppie-Bullshit-Job abkriegen und nicht angepasst aus Werbebroschüren grinsen. Nur sie sind der Garant dafür, dass die Stadt anders ist, etwa wenn sie einen Google-Campus verhindern oder den Verbleib ihres Bäckers erstreiten. Das ist Berlin.
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