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Fünf Prozent für die NATOEin Blankoscheck für die Rüstungsindustrie

Cem-Odos Gueler
Kommentar von Cem-Odos Gueler

Die Zahlenspielchen der Union sind ein weiterer Tiefpunkt der neuen Bundesregierung. Für die SPD sollten fünf Prozent NATO-Ausgaben untragbar sein.

Außenminiszter Johann Wadephulbeim NATO-Außenminister-Treffen in Antalya, Türkei, 15. Mai Foto: Khalil Hamra/ap

E s war einmal ein Mann namens Friedrich Merz, der die Debatte um Zielmarken bei den Verteidigungsausgaben begraben wollte. Ob nun 2,5 oder 5 Prozent der Wirtschaftsleistung in die Bundeswehr investiert würden, sei zweitrangig, sagte der CDU-Chef vor vier Monaten bei einer Wahlkampfveranstaltung in Hamburg. Wichtiger sei es, Aufgaben für die Bundeswehr zu definieren und zu ermitteln, welche Bedarfe sich daraus ergeben. Es waren zur Abwechslung mal besonnene Worte, die Merz da gefunden hatte. Doch kaum ist seine Regierung im Amt, ist das wieder Geschichte.

Die Spekulationen darüber, was seinen Außenminister und Parteikollegen Johann Wadephul geritten haben könnte, Verteidigungsausgaben in Höhe von 5 Prozent des Bruttoinlandsprodukts anzukündigen, laufen heiß. Geht es darum, US-Präsident Donald Trump kommenden Monat mit einem milliardenschweren Appetithäppchen zum Nato-Gipfel zu locken? Oder will man Verteidigungsminister Boris Pistorius vor der internationalen Bühne des Nato-Außenministertreffens unter Druck setzen, militärpolitisch noch eine Schippe draufzulegen? Auch der SPD-Politiker hatte es zuletzt vermieden, für eine weitere Erhöhung des Wehretats irgendwelche Summen anzukündigen.

Oder sind die 215 Milliarden Euro jährlich – um so viel Geld geht es denjenigen, die von von 5 Prozent des BIP sprechen – ein Preisschild für das, was Merz in seiner Regierungserklärung ankündigte? Der Kanzler forderte darin „alle finanziellen Mittel“, um die Bundeswehr zur „konventionell stärksten Armee Europas“ zu machen.

Hoppla! Haben wir die Lehren für die Nachfolgeorganisation einer Armee, die im vergangenen Jahrhundert zwei Mal die halbe Welt in Schutt und Asche gelegt hatte, inzwischen ad acta gelegt? Was ist aus europäischer Einigkeit und einer gemeinsamen außenpolitischen Strategie geworden? Und war da nicht mal was mit einem Nato-Bündnis, das sich zum Ziel gesetzt hatte, Fähigkeiten gemeinsam vorzuhalten? Nein, niemand kann eine Übermacht Deutschlands in militärischen Fragen wollen.

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„Hier sind schon mal die Milliarden“

Zumal sich bei der Aufrüstung Deutschlands auch ganz praktische Fragen stellen. Seit der Verfassungsänderung für die unbegrenzten Bundeswehr-Milliarden ist das Geld bekanntermaßen nicht mehr das Problem. Es sind die fehlenden Industriekapazitäten, das fehlende Personal, die undurchsichtigen und ineffizienten Strukturen. Wer jetzt erneut Fantasiesummen in Aussicht stellt, erteilt den Rüstungskonzernen einen Blankoscheck, nach dem Motto: „Hier sind schon mal unsere Milliarden, die Panzer nehmen wir dann irgendwann.“ Das kann auch keiner wollen, dem die Aufrüstung auch nur irgendwie am Herzen liegt.

Für die schwarz-rote Koalition sind diese Zahlenspielchen ein neuer Tiefpunkt, so kurz nach dem Beginn der gemeinsamen Regierungsarbeit. Für die SPD wäre ein wie auch immer definiertes 5-Prozent-Ziel nicht tragbar. Nun ist die Frage, ob Merz noch mal zu seiner Besonnenheit findet – und sein Kabinett darauf einschwören kann.

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Cem-Odos Gueler
Parlamentsbüro
Berichtet seit 2023 als Korrespondent im Parlamentsbüro der taz unter anderem über die FDP, die Union und Verteidigungsthemen. Studium der Sozialwissenschaften und Volkswirtschaftslehre in Köln, Moskau und London.
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2 Kommentare

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  • Ich wüsste nicht, dass der Außenminister berechtigt ist, 5% des BIP an Ausgaben für irgendetwas anzukündigen. Wie war das noch einmal mit der Budgethoheit des Bundestages?

    Jeder, der höhere Verteidigungsausgaben befürwortet, sollte sich bewusst machen, dass es sich bei Verteidigungsausgaben von ihrem Prinzip her um reine Konsumausgaben handelt, denn mit Waffen werden Werte vernichtet, nicht geschaffen. Man kann die Wirtschaft mit Verteidigungsausgaben auch nur sehr begrenzt unterstützen, da das Geld dafür in anderen Bereichen erwirtschaftet werden muss und anderswo fehlt. Es ist, als müsste man für eine ohnehin teure Versicherung plötzlich die dreifache Prämie zahlen.

  • Wadephul will sich bei Trump einschleimen.



    Und benutzt dazu trump'sche Methoden.



    Ohgott, was kommt da noch auf uns zu an "neuem Politikstil".