Kommentar verschärfte Iran-Sanktionen: Europäische Selbstüberschätzung
Die Absicht der EU-Kommission, das Iran-Abkommen zu retten, ist eigentlich richtig. Realistischer ist jedoch die Haltung der Bundeskanzlerin.
A ußenpolitisch erinnert der französische Präsident Emmanuel Macron manchmal an einen Hahn im Morgengrauen. Er plustert sich auf, lässt seinen Kamm schwellen und macht dann sehr viel Lärm. Die US-Regierung hat angekündigt, die härtesten Sanktionen aller Zeiten gegen den Iran zu verhängen und alle zu bestrafen, die sich ihr in den Weg stellen. Macron hat wortgewaltig angekündigt, dass Europa sich das nicht bieten lässt. Er sieht nichts weniger als die Souveränität der europäischen Staaten bedroht. Und die EU-Kommission hüpft begeistert neben ihm her, überzeugt, das Atomabkommen mit dem Iran auch ohne die USA retten zu können.
Die Absicht ist durchaus richtig. Das Abkommen wäre es wert, gerettet zu werden, vor allem wenn man die Alternativen bedenkt. Die Europäer mit Macron an der Spitze überschätzen jedoch ihre politischen und wirtschaftlichen Möglichkeiten. Für den Iran rechnet sich der nukleare Deal nur, wenn er sich im Gegenzug wirtschaftlich nachhaltig erholen, wenn er seine veraltete Öl- und Gasindustrie modernisieren und seine absturzgefährdete Flugzeugflotte erneuern kann. Das aber ist mit harten US-Sanktionen unmöglich.
Konzerne wie Siemens werden sich aus Sorge um ihr US-Geschäft vom Iran fernhalten. Die kleinen und mittleren Unternehmen können nicht liefern, was das Land am dringendsten benötigt. Und selbst sie werden Probleme haben, Geschäfte finanziell abzuwickeln. Das liegt vor allem an den Banken, die aus Angst vor US-Strafen erfahrungsgemäß übervorsichtig agieren. In der Vergangenheit hatten Geschäftsleute zuweilen sogar schon dann Schwierigkeiten mit ihren Konten, wenn sie nur in Teheran geboren waren.
Bestenfalls können die Europäer also darauf hoffen, die Folgen der neuen US-Sanktionen abzumildern. Ob dem Iran das allein reicht, um das Abkommen weiter einzuhalten, ist sehr fraglich.
Bundeskanzlerin Angela Merkels Haltung, man könne gegen Trumps Iran-Politik nicht viel ausrichten, mag im Vergleich zu Macron unambitioniert und mutlos wirken. Sie ist aber auch realistisch.
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