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Kommentar kirchliches ArbeitsrechtFalsche Loyalitäten

Tanja Tricarico
Kommentar von Tanja Tricarico

Das kirchliche Arbeitsrecht hat kaum etwas mit der Lebensrealität zu tun. Entscheidend sollte die Hingabe der Mitarbeiter sein.

Religionszugehörigkeit ist Eintrittskarte zu Jobs, Schulen, Kitas, Pflegeeinrichtungen Foto: dpa

D iskriminierung in Deutschland wird bezahlt. Und zwar von rund 24 Millionen Katholiken. Bei der Konkurrenz, der evangelischen Kirche, sind etwa 21 Millionen registriert. Sie alle drücken Kirchensteuern ab, nicht zu knapp, und ohne viel Gemotze. Die Religionszugehörigkeit ist allerdings nicht nur privat. Sie ist die Eintrittskarte zu Jobs, Schulen, Kitas, Pflegeeinrichtungen.

Die beiden christlichen Kirchen zählen in Deutschland zu den größten Arbeitgebern. In der Pflege, in der Betreuung von Kindern und Kranken beschäftigen sie Tausende Menschen. Sie kümmern sich um Ausgegrenzte, Arme, in Deutschland wie in Entwicklungsländern. Die MitarbeiterInnen der Kirchen füllen, das sei ­ausdrücklich gesagt, mit ihrer vom Glauben ­motivierten Arbeit oft gesellschaftliche Leerstellen.

Wahr ist aber auch: Damit sie diese Aufgaben erfüllen können, werden die Kirchen zusätzlich subventioniert vom Staat. Sie verfügen über eine mächtige Infrastruktur, in der eigene Regeln gelten: das kirchliche Arbeitsrecht, das eine einzigartige juristische Sonderstellung genießt. Und die ist ein Problem. Sowohl die katholische als auch die evangelische Kirche argumentieren mit ihrem besonderen Auftrag, die Glaubwürdigkeit des Evangeliums aufrechtzuerhalten. Und sie fordern unbedingte Loyalität von denen, die in ihren Diensten stehen. Doch gerade diese Loyalität wird oft mit Füßen getreten.

Im aktuellen Fall des Europäischen Gerichtshofs geht es um einen katholischen Chefarzt, der seinen Job verliert, weil er wieder geheiratet hat. Andernorts darf eine Pflegerin nicht an der Mitarbeitervertretung teilnehmen, weil sie der vermeintlich falschen Konfession zugehörig ist. Immer wieder müssen staatliche Gerichte durchsetzen, dass Angestellte christlicher Institutionen sich als Belegschaft überhaupt organisieren dürfen. Und wer bewusst Nein zur Kirche sagt, hat in manchen Gegenden kaum Chancen auf einen Job im Sozialbereich. Etwa in der Region Köln, wo „weltliche“ Träger rar sind.

Das kirchliche Arbeitsrecht mag diese Entscheidungen und Regeln rechtfertigen. Mit der Lebensrealität der MitarbeiterInnen haben sie nur wenig zu tun. Ob sie geschieden oder schwul sind, ob sie uneheliche Kinder haben – all dies sind menschliche Merkmale – und keine für gute Arbeit.

Was zählen sollte: Hingabe, Selbstaufgabe, die Entscheidung, in Berufen zu arbeiten, die an die körperlichen wie psychischen Grenzen gehen. Die kirchlichen Arbeitgeber brauchen genau diese MitarbeiterInnen. Wenn sie den Dienst am Menschen ernst nehmen, müssen sie sich bewegen.

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Tanja Tricarico
Ressort ausland
Schreibt seit 2016 für die taz. Themen: Außen- und Sicherheitspolitik, Entwicklungszusammenarbeit, früher auch Digitalisierung. Seit März 2024 im Ressort ausland der taz, zuständig für EU, Nato und UN. Davor Ressortleiterin Inland, sowie mehrere Jahre auch Themenchefin im Regie-Ressort. Privat im Einsatz für www.geschichte-hat-zukunft.org
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16 Kommentare

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  • Niemand sollte bis zur Selbstaufgabe arbeiten! Sinnvoller ist für solche Arbeitsbedingungen einzutreten, die human sind und eben nicht zur Selbstaufgabe führen (müssen). Das Argument der kirchlichen Arbeitgeber, dass ihnen dazu die Gelder fehlen ist falsch: kaum eine im sozialen Bereich arbeitende Institution ist so reich wie die evangelische und vor allem katholische Kirche. Bei einem konfessionellen Kindergarten werden bis zu 80% der Kosten vom Staat getragen, d.h. für die ca. 20%, die die Kirche trägt können ja ausschließlich gläubige Menschen eingestellt werden, 80% der Arbeitsplätze sollten für alle für diese Arbeit qualifizierten Menschen offen sein.

    • @Charlotte Sturm:

      Und ich finde, wenn die nörgelnden Atheisten die Kirchen so scheiße finden, dann sollten sie nicht da arbeiten. Was soll dieses ewige Gemecker über die Kirchen. Das sind große Wirtschaftsunternehmen, die z.B. für das Handwerk nicht unbedeutend sind. Die werden, wie alle Kapitalisten, einen Teufel und sich nach anderen richten. Andererseits finde ich das positiv, dass es Institutionen gibt die ihre eigenen Regeln haben.



      Die Bauern bekommen ebenfalls enorme Subventionen. Dafür stellen sie aber auch nur billige Arbeiter aus Osteuropa ein. Die deutschen Arbeitslosen sind für die Bauern zu teuer. Die ganze Industrie in Deutschland wird durch Subventionen, entweder direkt oder über die Steuern, gefördert. Aber nicht um die Angestellten angemessen zu bezahlen oder um saubere Autos zu bauen. Da kräht aber kein Hahn danach.

      • @serbmem:

        Es sind nicht nur nörgelnde Atheisten, die da nicht arbeiten dürfen, sondern auch die muslimische Krankenschwester oder jemand der die falsch christliche Konfession hat. In vielen Regionen haben die Kirchen ein Quasimonopol in den sozialen und medizinischen Diensten.



        In der Anfangszeit des Kapitalismus hatten die Kapitalisten auch ihre "eigenen Regeln". Die haben sich dann nur durch den Kampf der Arbeiter allmählich geändert.



        Eine Möglichkeit wäre, in diesen Institutionen Gewerkschaften zu gründen, obwohl das illegal ist. Früher waren Gewerkschaften ja auch generell illegal. Ich glaube auber nicht dass es so weit kommt.

  • Und das richtige Arbeitsrecht natürlich von Atheisten formuliert. Darin wird den religiösen Leuten verboten vor dem Essen zu beten weil die armen Atheisten sich gestört fühlen und lieber das Gedröhne aus dem Radio hören wollen.



    Ich finde das ganz herrlich dass diese religiösen Leute ihr eigenes Arbeitsrecht haben und sich das trauen entgegen aller spießigen Regeln zu leben. Bei Atheisten muss ja immer alles gleich sein, so gleich dass balfd alle das gleiche Anziehen. Übrigens sind die Aäffdeler auch Atheisten.

    • @serbmem:

      Das "richtige" Arbeitsrecht wurde nicht von Atheisten formuliert sondern in zahlreichen Arbeitkämpfen erstritten.



      Es ist naiv zu glauben, dass die kirchlichen Arbeitgeber besser mit ihren Angestellten umgehen.



      Die Arbeitnehmer sollten für das bezahlt werden was sie leisten un im übrigen nicht diskriminiert werden.



      Ausnahmen würde ich nur für Mitarbeiter gelten lassen, die in religiöser Verantwortung stehen: Pfarrer, Priester, Diakone und vielleicht noch einige andere.

    • @serbmem:

      Werden die betenden Leute deswegen auch entlassen?



      Das wäre doch konsequent, nicht wahr?

    • @serbmem:

      Und ich dachte, das Mittelalter wäre vorbei.

      • @warum_denkt_keiner_nach?:

        Ja wie*¿*- Dat wüßt ich ever.



        Normal.

        kurz - Lachsackqualität;)



        Rein tonn katolsch warrn.

    • @serbmem:

      Oha, was für eine Argumentation! Ich hörte Hitler, war Christ. Gott mit uns, newahr? ;)

      • @Uranus:

        Und ich hörte, Hitler war Atheist. So wie eigentlichen alle Nationalsozialisten. Angeblich soll die katholische Kirche Hitler ein Dorn im Auge gewesen sein. Hat ich jedefalls im Radio gehört und auch bei Spiegel online.



        Was das Mittelalter angeht denke ich, dass die Atheisten noch in der Zeit des alten Testamentes leben. Auch damals gab es keine Freiheit aber viele Sklaven.

  • Das Problem ist, dass es überhaupt ein kirchliche Arbeitsrecht gibt. Da alle Menschen (theoretisch) vor dem Gesetz gleich sind, sollte es auch nur ein Arbeitsrecht geben.

  • Ich muss immer in mich hineingrinsen, wenn ein arbeitsrechtlicher Tendenzbetrieb über einen anderen herzieht :-)

  • Die Kirchen leisten in diesem Land nichts, für das sie nicht direkt entlohnt, oder was Ehrenamtliche für sie gratis zu tun bereit sind. Sie genießen üppigste steuerliche Pfründe und Nachlässe vom Lebensmittel-, bis zum Automobilhersteller. Alles, bis auf das rein spirituelle, könnte mit diesen Vorteilen auch der dämlichste Schmalspurunternehmer genau so gut. Als moralische Instanz haben insbesondere die Katholiken ausgedient. Scheiden lassen und wieder heiraten ist böse und du wirst entlassen und verklagt bis vor den EuGH, Kinder schänden kann halt mal passieren, da wirst du halt versetzt.

  • Das schönste haben Sie vergessen, Frau Tricarico. Nämlich die saftige Ohrfeige für das Bundesverfassungsgericht, das in diesem Fall 2014 zugunsten der katholischen Kirche entschied.

    • @jhwh:

      Hab' gerade noch mal nachgesehen. Präsident des im Namen des Volkes urteilenden 2. Senats war Voßkuhle.



      www.bundesverfassu...22_2bvr066112.html

      • @jhwh:

        btw “Vor dem Arbeitsgericht, Landesarbeitsgericht und Bundesarbeitsgericht (BAG) war der Mediziner mit seiner Kündigungsschutzklage erfolgreich. Das Bundesverfassungsgericht hob das BAG-Urteil jedoch auf. Die Karlsruher Richter sahen vor allem die grundgesetzlich garantierte Selbstbestimmung der Kirchen zu wenig gewürdigt. Das BAG wandte sich daraufhin an den EuGH.“

        “Der EuGH wies darauf hin, dass auch ähnliche Stellen in dem Krankenhaus nicht-katholischen Angestellten anvertraut worden seien. Im Fall des Düsseldorfer Chefarztes muss jetzt erneut das Bundesarbeitsgericht entscheiden.…“

        www1.wdr.de/nachri...zt-kirche-100.html