Kommentar italienischer Wahlkampf: Alle gegen die 5-Sterne-Bewegung
Glaubt man der Rechten um Silvio Berlusconi und der gemäßigten Linken, dann droht Italien vor allem eine Gefahr: ein Sieg des Movimento5Stelle.
I n knapp zwei Wochen wählt Italien sein neues Parlament. Aktuellen Umfragen zufolge in einem Klima absoluter Politikmüdigkeit: 95 Prozent der befragten Italiener misstrauen den Parteien. Doch glaubt man der Rechten um Silvio Berlusconi oder der gemäßigt linken Partito Democratico (PD) unter Matteo Renzi, dann droht dem Land vor allem eine Gefahr: ein Sieg des Movimento5Stelle (M5S). Die Fünf Sterne seien ebenso unberechenbar wie unfähig, heißt es im Chor.
Und jetzt scheint ein schöner Skandal gefunden, um die junge Bewegung gründlich zu diskreditieren. Wohl ein Dutzend ihrer Abgeordneten haben sich in den letzten Jahren nicht an die parteiinterne Vorgabe gehalten, ein Gutteil ihrer Diäten und Aufwandsentschädigungen zurückzuerstatten und an einen Kreditfonds für Kleinunternehmen abzuführen. Gesetz haben sie keins gebrochen, sie haben bloß das, was die Abgeordneten aller anderen Parteien ganz selbstverständlich kassiert haben, auch in die eigenen Taschen gesteckt.
Doch die anderen triumphieren. „Auch nicht anders als die anderen“ seien die Fünf Sterne, freut sich zum Beispiel Renzi. Ihm entgeht dabei, dass das M5S die Sünder in den eigenen Reihen sofort suspendiert hat. Auf diese Idee kämen weder die PD noch erst recht Berlusconis Forza Italia. Gleich 27 Kandidaten der PD und etwa 50 der Rechten haben Ermittlungsverfahren oder Prozesse laufen, viele von ihnen, weil sie Millionen Euro aus den Fraktionskassen der Regionalparlamente für private Vergnügen zweckentfremdet haben sollen.
Und dann wäre da noch Silvio Berlusconi selbst, der vorbestrafte Steuerbetrüger, der deshalb gar nicht erst zur Wahl antreten darf, aber ganz selbstverständlich seine Partei anführt. Über ihn verliert auch die PD kein Wort mehr.
Dieses Spiel funktioniert, weil die Medien es mitspielen. Zum Beispiel die Tageszeitung La Repubblica, früher mal ein Anti-Berlusconi-Blatt: Tag für Tag hebt sie den vorgeblichen 5-Sterne-Skandal auf die Titelseite, verliert aber über Berlusconi kein Wort mehr. Dem Signore Bunga-Bunga selbst mag das nützen, doch ob es der 5-Sterne-Bewegung schadet, ist mehr als fraglich. Deren Wähler jedenfalls zeigten sich in den letzten Meinungsumfragen unbeeindruckt.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Nahost-Konflikt
Alternative Narrative
Nach der Gewalt in Amsterdam
Eine Stadt in Aufruhr
IStGH erlässt Haftbefehl gegen Netanjahu
Wanted wegen mutmaßlicher Kriegsverbrechen
+++ Nachrichten im Nahost-Krieg +++
IStGH erlässt Haftbefehl gegen Netanjahu und Hamas-Anführer
Die Wahrheit
Der erste Schnee
Jeder fünfte Schüler psychisch belastet
Wo bleibt der Krisengipfel?