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Kommentar deutsche MilitärpolitikUnerträgliche Leichtigkeit

Der Einsatz in Afghanistan war womöglich der letzte seiner Art für die Bundeswehr. Doch trotz technischer Präzision: Einen sauberen Krieg wird es nicht geben.

S chnittig, präzise, technisch ausgereift – maximale Wirkung bei minimalem Personaleinsatz, unterfüttert mit reichlich Geld fürs fremdländische Ringsherum: So stellen sich die meisten Nato-Strategen künftige Militäroperationen vor.

Den deutschen Verteidigungspolitikern ist das sehr recht. Damit, so viele Soldaten auf fremde Kontinente zu schicken, mochten sich hierzulande bislang nur wenige anfreunden, und die saßen auch nie in der Bundeswehr selbst. Wenn Minister Thomas de Maizière nun bewaffnete Drohnen anschaffen will, ist das quasi die Vollendung des deutschen Traums vom technisch sauberen Einsatz – wenn nur die deutsche Rüstungsindustrie bitte auch profitiert.

Der personalstarke Einsatz in Afghanistan, der diesen Donnerstag noch ein Mal vom Bundestag verlängert wird, war für die Bundeswehr womöglich der letzte seiner Art. Viel umstandsloser und leichter ist es, „Patriot“-Raketen samt einiger Dutzend Bedienungssoldaten weit hinter die türkisch-syrische Grenze zu stellen. Ein paar Transall-Transportflugzeuge für Mali plus 20 Millionen Euro, damit die malische Armee sich Gewehre kaufen kann: Auch das ist überschaubar und hoffentlich bald vorbei.

privat
ULRIKE WINKELMANN

leitet das Inlands-Ressort der taz.

Was an dieser Art Verteidigungspolitik verstört, ist nicht die deutsche Zurückhaltung, sondern deren Motivation und Begründung. Wahrscheinlich tut Frankreich recht damit, in Mali die Gründung eines islamistischen „Sahelistan“ zu verhindern. Dann ist es auch richtig, dass Deutschland einen Anteil leistet. Allein dass sich eine Exkolonialmacht besser vor Ort auskennt, entpflichtet nicht den Rest Europas. Dann aber darf die Unterstützung dafür nicht mal eben auf Zuruf bereitgestellt werden, sondern nur nach öffentlicher Information und Diskussion.

Das Argument dabei kann nicht lauten, die Bekämpfung von Dschihadisten irgendwo in der Welt diene nur der eigenen Sicherheit – und übrigens, wir stehen wieder bloß in der dritten Reihe und gar nicht vorne an der Front. Die Erfahrung in Afghanistan zeigt, dass jeder getötete Zivilist zehn weitere junge Arbeitslose zu Kämpfern werden lässt – offenbar gerade auch dann, wenn Drohnen eingesetzt wurden. Beim Kalkül dessen, was ein sinnvoller Militäreinsatz sein könnte, kann daher nur die Rettung und Schonung von Zivilisten die Zielvariable sein. Wenn eine Bundesregierung meint, hierzu seien vor allem „Patriot“-Raketen oder Transall-Flugzeuge geeignet, muss sie das auch vortragen.

Die Schonung eigenen Personals, das Ausprobieren technischer Gerätschaften oder Bündnistreue sind zweitrangig. Den sauberen Krieg wird niemand bekommen. Aber vielleicht einmal einen anständig begründeten.

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Ulrike Winkelmann
Chefredakteurin
Chefredakteurin der taz seit Sommer 2020 - zusammen mit Barbara Junge in einer Doppelspitze. Von 2014 bis 2020 beim Deutschlandfunk in Köln als Politikredakteurin in der Abteilung "Hintergrund". Davor von 1999 bis 2014 in der taz als Chefin vom Dienst, Sozialredakteurin, Parlamentskorrespondentin, Inlandsressortleiterin. Zwischendurch (2010/2011) auch ein Jahr Politikchefin bei der Wochenzeitung „der Freitag“.
Ulrike Winkelmann
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Chefredakteurin der taz seit Sommer 2020 - zusammen mit Barbara Junge in einer Doppelspitze. Von 2014 bis 2020 beim Deutschlandfunk in Köln als Politikredakteurin in der Abteilung "Hintergrund". Davor von 1999 bis 2014 in der taz als Chefin vom Dienst, Sozialredakteurin, Parlamentskorrespondentin, Inlandsressortleiterin. Zwischendurch (2010/2011) auch ein Jahr Politikchefin bei der Wochenzeitung „der Freitag“.
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5 Kommentare

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  • G
    Gabriel

    Die Welt ist noch zu unzivilisiert, als dass sie auf das Faustrecht verzichten könnte.

    Es gibt auch keine saubere Abtreibung.

    Das sind aktuell existierende Gewissenskonflikte.

    Hätte man Hitler gewähren lassen sollen?

  • A
    anke

    Den "anständig begründeten" Krieg hatten wir schon, Frau Winkelmann. Ab 1998. Es war der erste Krieg, an dem deutsche Soldaten teilgenommen haben nach 1945. Die Begründung war dermaßen "anständig" seinerzeit, dass nicht nur "die Schonung eigenen Personals, das Ausprobieren technischer Gerätschaften oder [die] Bündnistreue […] zweitrangig" waren, sondern sogar das Grundgesetz. Moral über Recht quasi.

     

    Schade, dass die Moral (anders als das Gesetz) nicht für jeden gleichermaßen gilt. Was für die einen gut ist, kann für andere durchaus auch mal schlecht sein. Und weil das spätestens seit Afghanistan noch dem letzten "Entscheidungsträger" einigermaßen klar geworden sein dürfte, möchte heute am liebsten gar niemand mehr irgend etwas begründen. Was die Frage aufwirft, wieso wir Deutschen eigentlich eine Bundestagsdebatte führen müssen, wo den Franzosen doch ein Marschbefehl des Präsidenten genügt.

     

    Wieso François Gérard Georges Nicolas Hollande die Verantwortung für die (positiven wie negativen) Folgen des Mali-Einsatzes unbedingt allein tragen will, ist mir zwar vollkommen unklar. (Vielleicht lässt seine präsidiale Moral ja einfach nicht zu, dass er Andere in Konflikte stürzt.) Dass aber die Leichtigkeit, mit der hier mal wieder entschieden wurde, einigermaßen unerträglich ist, finde ich auch. Und weiter? Ich meine: Was tun?

     

    Ein erster Schritt wäre es womöglich, wenn Sie, Frau Winkelmann, sich auf Ihr eigenes "Kerngeschäft" konzentrieren würden, statt darüber zu spekulieren, ob "wir" Deutschen in Afrika nicht besser in der ersten Reihe stehen müssten statt in der "dritten" und wie "wir" das gegebenenfalls begründen sollten. Im Inland, da bin ich sicher, haben "wir" durchaus genug zu tun. Und anders als in Afrika, kennen "wir" uns zu Hause sogar einigermaßen aus. Schade nur, dass "uns" genau deswegen um so klarer ist, was hier gerade alles NICHT geht. Sehen Sie das nicht auch so, Frau Winkelmann?

  • P
    Philipp

    Was denn nun? Mehr Soldaten nach Mali aber keine Drohnen weil die zu technisch sind? Weniger indirekte Kriegsführung, mehr direkte? Ich verstehe den Artikel nicht.

  • IB
    Ingo Bernable

    Wo kommt die Pflicht zur Kriegsbeteiligung die im Text unterstellt wird denn bitteschön her?

    Man sollte sich schon einmal vor Augen halten, dass Auslandseinsätze der Bundeswehr bis zum BVerfG-Urteil von ´94 generell als verfassungswidrig galten. Und auch, dass auch dieses Urteil solche Einsätze nur bei UN-Mandat oder NATO-Bündnissfall vorsieht. In Mali gibt es keines von beiden, lediglich eine schwammige Billigung des Sicherheitsrates.

    Und richtig erkannt, es gibt keinen sauberen Krieg. Die 1. Konsequenz daraus müsste sein einzugestehen, dass der Verweis auf humanitäre Faktoren verschleiert, dass auch immer ein nationales Interesse besteht (vgl. Köhlers Kommentar zu Afghanistan). Im Falle Malis wird etwa auf die von den Islamisten eingeführten Körperstrafen verwiesen, die aber sind u.A. auch in Saudi-Arabien, Sudan oder dem Iran üblich und auch dort wird nicht interveniert.

    Die 2. Konsequenz muss das Eingeständnis sein, dass der Krieg nicht nur auf dem Schlachtfeld sondern auch an der 'Heimatfront' schmutzig geführt wird und dass bellzistische Kommentare wie dieser Teil davon sind.

  • V
    vic

    "Den sauberen Krieg wird niemand bekommen. Aber vielleicht einmal einen anständig begründeten."

    Oder vielleicht geht`s auch mal ohne.