Kommentar Zuverlässigkeit von Polizisten: Wir haben ein Problem
Wie schaffen wir es, dass die Polizei überall mehrheitlich demokratisch gesinnt ist? Diese Aufgabe darf nicht allein Politikern überlassen bleiben.
E s ist eine Razzia, die kommt wie bestellt. Gerade erst, an diesem Mittwochabend, kommen in Kiel die Innenminister Deutschlands zu ihrer Frühjahrskonferenz zusammen. Am Donnerstag sitzen sie dort den ganzen Tag beieinander. Sie wollen über die Sicherheit in Deutschland reden, über die Situation in der Polizei und darüber, welche gemeinsame Aufgaben die Behörden vor sich haben. Und was passiert dann, kurz vor Beginn des Ministertreffens, am Mittwochmorgen in Mecklenburg-Vorpommern? Eine Razzia in 14 Objekten, vier Festnahmen von aktiven und ehemaligen SEK-Polizisten.
Die Vorwürfe: Verstoß gegen das Kriegswaffenkontrollgesetz, gegen das Waffengesetz, Betrug. Die Männer sollen ab 2012 staatliche Munition entwendet und bei einem von ihnen gehortet haben: Marko G., der auch Kopf einer norddeutschen Preppergruppe war, sich auf einen „Tag X“ vorbereitet hatte, der Prepper-Chatgruppen administrierte, inzwischen von Behördenvertretern und Sicherheitspolitikern als rechtsextrem eingestuft wird und Kontakte zum Bundeswehrsoldaten André S. alias Hannibal in Süddeutschland unterhielt.
Eine Razzia fast so, als wäre sie pünktlich serviert worden – als Debattenvorlage für Tagesordnungspunkt 34, der als einer unter rund 70 Tagesordnungspunkten heute auch schnell mal wieder zu kurz kommen könnte: die „Zuverlässigkeitsüberprüfung“ bei der Polizei. Gut, dass heute darüber geredet wird. Mal schauen, wie viele Minuten das dauert.
Zuverlässig? Tja. Deutsche Polizeibehörden haben ein Problem, nicht erst seit Ende 2018 bekannt wurde, dass eine Frankfurter Anwältin mit türkischem Migrationshintergrund einen mit „NSU 2.0“ unterzeichneten Drohbrief erhalten hatte, der persönliche Daten enthielt, die mutmaßlich aus Polizeicomputern in Frankfurt am Main stammten. Lorenz Caffier, Innenminister von Mecklenburg-Vorpommern (CDU), hat das Problem mit der Zuverlässigkeit schon viel länger – und zwar inzwischen im Endstadium.
Bundesanwaltschaft vertraute Landespolizei nicht
Caffier, der den am Mittwoch festgenommenen Marko G. einst für seine besondere Schießfertigkeit auszeichnete, muss einräumen: Da lief das mit der Zuverlässigkeitsüberprüfung damals wohl eher mittelmäßig.
Wie nahe das Problem Caffier und damit seinem gesamten Bundesland gerückt ist, zeigte bereits 2017 der Umstand, dass die Bundesanwaltschaft seiner Landespolizei nicht vertraute, als sie mit umfangreichen Ermittlungen auch gegen einen weiteren Polizisten aus dem Prepper-Milieu in Mecklenburg-Vorpommern ermittelte. Der Vorwurf damals wie heute: Vorbereitung einer schweren staatsgefährdenden Gewalttat – mögliche rechtsterroristische Pläne.
Caffiers Problem zeigt sich auch dadurch, dass eine Sonderermittlungsgruppe des Landeskriminalamts in Mecklenburg-Vorpommern nur abgeschottet ermitteln konnte, weil es fürchten musste, die Ermittlungen ansonsten zu gefährden. Und es zeigt sich durch den Umstand, dass schließlich am Mittwoch auch ein Schießstandbetreiber und Waffenhändler durchsucht wurde, bei dem sich das Sondereinsatzkommando (SEK) in Mecklenburg-Vorpommern in der Vergangenheit immer wieder ausbilden ließ – mit Fotogelegenheit für den Minister.
Das sind viele Probleme auf einmal, und wenn wir nun ehrlich sind, müssen wir sagen: Es sind nicht die Probleme der – ausschließlich männlichen – Landesinnenminister und nicht die von Lorenz Caffier, der in seinen 13 Amtsjahren als Innenminister noch jedes Problem aussitzen konnte.
Es sind unsere Probleme.
Welche Polizei wollen wir haben? Und wie stellen wir sicher, dass in fünf, in zehn und in fünfzehn Jahren auch in Mecklenburg-Vorpommern weiterhin die Mehrheit der Polizisten zuverlässige Demokraten sind – dass sie für eine offene, vielfältige und gute Polizei stehen, der jeder Mensch vertrauen kann? Wie wird die deutsche Polizei, was sie noch nicht ist?
Das zu diskutieren, dazu haben die deutschen Innenminister heute eine gute Gelegenheit, aber sicherer ist es gewiss, wenn diese Debatte nicht allein Männern wie Lorenz Caffier überlassen wird.
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