Kommentar Zukunft der SPD: Endlich Opposition!

Die SPD rettet sich selbst vor der Fortsetzung der Großen Koalition und reagiert erleichtert. Dieser Schritt ist verständlich, aber strategisch unklug.

Martin Schulz spricht an einem Podium

Ob Kanzler oder Opposition, scheint egal: Martin Schulz im Willy-Brandt-Haus Foto: Sebastian Wells

Als Martin Schulz am Sonntagabend verkündet, dass die SPD in die Opposition geht, jubelt das Willy-Brandt-Haus, als hätte man gerade die absolute Mehrheit errungen. Es gibt natürlich gute Gründe für das Nein der SPD zur Großen Koalition. Als Partei zu erscheinen, die, egal was kommt, an der Macht klebt, wäre Munition für die AfD im Parlament. Und die SPD bringt in der Tat eine Koalition mit Merkel nicht weiter, da deren Inhalte ohnehin sozialdemokratisch eingefärbt waren – eine Abgrenzung zur Merkel-CDU tat mehr als Not.

Doch die Art, wie die SPD diese Entscheidung inszeniert – die affektive Aufladung, der emotionale Aufbruch – ist seltsam. Es scheint, als wäre man vier Jahre dem Erstickungstod nahe gewesen und könne erst jetzt wieder, endlich ohne Merkel!, frei atmen. Aber so war es nicht. Die SPD hat in der Großen Koalition loyal, reibungslos und effektiv mitregiert.

Das Verwunderliche an diesem unmittelbaren Nein zur Fortsetzung der GroKo ist, dass die SPD keinen einzigen inhaltlichen Punkt benennt, der mit der Union nicht durchsetzbar wäre. Es ist genau andersherum: Die SPD sagt Nein zu Merkel, weil sie fürchtet, in möglichen Verhandlungen ihr Wahlprogramm bei Rente, Bildung oder Arbeitslosengeld weitgehend durchsetzen zu können. Was die Schulz-SPD zu dieser schnellen Entscheidung treibt, ist die Wut, gegen die Watte-Merkel kein Mittel gefunden zu haben. Es ist eine Entscheidung, die aus Wahlkampf-Frust geboren wurde, nicht aus Weitblick. Das ist verständlich, aber strategisch unklug.

Trommelwirbel – und dann kommt nichts

Dieses donnernde Nein wirkt dazu wenig konsequent. Vor zwei Wochen hat Martin Schulz noch mit Trommelwirbel vier Punkte als Bedingung für eine Regierungsbeteiligung der SPD präsentiert, die in der Debatte dann zu Recht untergingen. Die Bürgerversicherung tauchte dabei nicht auf.

So tritt keine Partei auf, die den baldigen Ausstieg aus der Großen Koalition auf dem Radar hat. Ab wie viel Prozent hätte die SPD denn, staatstragend wie immer, die nächste Regierung mit Merkel anvisiert? Ab 23,1? Ab 24 oder erst ab 25? Es ist nicht überzeugend, ein so rigoroses Nein von ein paar Prozentpunkten abhängig zu machen.

Falls Jamaika scheitert, beginnt eine Politik ohne Geländer. Die SPD ist dafür mit ihrem schnellen, grundsätzlichen Nein zur Großen Koalition miserabel präpariert. Dieses mit Gefühlsüberschwang formulierte Nein wird, wenn die Alternative heißt: Neuwahlen oder doch mal mit Merkel reden, wie ein Klotz am Bein wirken. Denn inhaltlich kann die SPD nicht angeben, warum ein Bündnis mit der Union nicht mehr geht. Was in der SPD heute viele als Befreiung empfinden, kann bald schon trotzig wirken.

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Stefan Reinecke arbeitet im Parlamentsbüro der taz mit den Schwerpunkten SPD und Linkspartei.

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