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Kommentar Zschäpes AnwälteLetzter Ausweg Reden

Konrad Litschko
Kommentar von Konrad Litschko

Es herrscht Aufregung nach der Lossagung Beate Zschäpes von ihren Anwälten: Wird sie nun ihr Schweigen brechen? Es wäre der einzig richtige Schritt.

Wie lange schweigt sie noch? Beate Zschäpe. Bild: dpa

N och bis 14 Uhr am Donnerstag hat Beate Zschäpe Zeit, ihre Beweggründe zu erläutern, warum sie dem NSU-Prozess in München eine radikale Wendung bescherte. Warum sie, für alle unvorhergesehen, plötzlich ihren Verteidigern das Misstrauen ausgesprochen hat.

Bisher lässt sich über Zschäpes Motive nur spekulieren. Am häufigsten wird vermutet, dass die Angeklagte – gegen das Anraten ihrer Anwälte – ihr Schweigen brechen möchte. Immerhin hatte Zschäpe schon bei ihrer Festnahme im November 2011 gesagt, sie habe sich nicht gestellt, um zu schweigen. Eine Aussage von ihr würde den Prozess komplett verändern. 14 Monate wurde bisher über die zehnfache NSU-Mordserie verhandelt, mehr als 270 Zeugen wurden gehört – mit einer Konstante: dem Schweigen Zschäpes. Dieses jetzt aufzugeben, wäre der einzig richtige Schritt.

Denn inzwischen summieren sich die Aussagen, die die Angeklagte belasten. Frühere Weggefährten schilderten sie als „gleichberechtigten“ Teil des Terroristentrios, vom Rechtsextremismus überzeugt und auch bereit, bei „Aktionen“ mitzumischen. Längst hat sich ein Bild verfestigt: das der resoluten Managerin des Trios, die ihre Uwes im Griff hatte. Bleibt es dabei, dürfte einer sehr langen Haftstrafe wenig im Wege stehen.

Für Zschäpe würde es also durchaus Sinn machen, ihre Version der Geschichte zu erzählen. Leicht aber würde das nicht. Denn jetzt, knapp drei Jahre nach Ende des NSU, zu beteuern, nichts von den Morden ihrer beiden Weggefährten gewusst und dies bisher nur nicht gesagt zu haben – es dürfte kaum überzeugen.

Dennoch könnte das Gericht ihre Aussagen würdigen. Denn noch immer sind Fragen offen, die womöglich nur Zschäpe beantworten kann. Wann entschlossen sich die drei, mit dem Morden zu beginnen? Gab es weitere Helfer des Trios? Wie wählten sie ihre Opfer aus? Und wie passt der Mord an der Polizistin Michèle Kiesewetter in die Serie?

Und es wäre auch eine wohlwollende Geste gegenüber den Angehörigen der Opfer, die erst jahrelang unter falschen Verdächtigungen zu leiden hatten – und noch immer leiden, weil sie im Gerichtssaal eine Frau erleben, die reglos bleibt, egal wie detailliert die Exekutionen aufgearbeitet werden. Die nur versuchen können, dieses unbewegte Gesicht zu deuten: Ist da Bedauern, Gleichgültigkeit, oder vielleicht Genugtuung? Bräche diese steinerne Fassade endlich auf, würde allein das den Hinterbliebenen helfen.

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Konrad Litschko
Redaktion Inland
Seit 2010 bei der taz, erst im Berlin Ressort, ab 2014 Redakteur für Themen der "Inneren Sicherheit" im taz-Inlandsressort. Von 2022 bis 2024 stellvertretender Ressortleiter Inland. Studium der Publizistik und Soziologie. Mitautor der Bücher "Staatsgewalt" (2023), "Fehlender Mindestabstand" (2021), "Extreme Sicherheit" (2019) und „Bürgerland Brandenburg" (2009).
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10 Kommentare

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  • In der tat ein interessant entwicklung. es wird auch direkt eine wirkung erkannt. selbst der artikel verdeutlicht dies im letzten absatz.

     

    Kommentar bearbeitet. Bitte achten Sie auf Ihre Wortwahl.

  • 9G
    90191 (Profil gelöscht)

    So eine plumpe Strategie wie die von Sturm, Heer, Stahl kann auch nur in rechten Kreisen ersonnen werden. Rechts geht halt nur dumpf und stumpf.

  • nach den Schredderorgien und immer neuen Verfassungsschutzspitzeln im nächsten Umfeld von Zschäpe könnte das nun ebenso der Anfang vom Ende des ganzen Prozesses sein... die Möglichkeiten, dass der scheitert, stehen ziemlich gut, und egal, wie das Gericht die Sache mit den Verteidigern entscheidet - es liefert Revisionsgründe.

    • @ioannis:

      Dieses Gericht liefert nicht mehr Revisionsgründe als andere Gerichte in anderen Strafprozessen auch. Für die Zulassung einer Revision müssen schon Gesetze verletzt worden sein. Ein plötzliches Misstrauen der Angeklagten gegenüber ihren Anwälten ist ja kein Gesetzesverstoß. Eine neue Beweiserhebung findet bei der Revision grundsätzlich auch nicht statt. Revision kann bei Zulässigkeit selbstverständlich auch die Staatsanwaltschaft einlegen. In dem Fall könnte das Strafmaß gegenüber dem angefochtenen Urteil sogar durchaus auch höher ausfallen. Zunächst einmal muss aber Frau Zschäpe begründen, warum sie ihren Anwälten plötzlich nicht mehr vertraut. Dazu muss sie auch überzeugende Belege liefern.

  • Was soll die denn sonst tun außer schweigen? Das sind/waren Nazis und die haben sich genau so verhalten, wie sich Nazis verhalten haben, so richtig verstehen kann man das immer nicht. Und Verantwortung für ihre Taten haben die doch auch noch nie übernommen, eher noch sich selber umgebracht, so wie die beiden Uwes. Geschweige denn, Reue oder Entschuhldigung gezeigt. Die macht das doch, um den Prozess weiter aufzuhalten. Grad jetzt, wo es interessant wird, wo dieser ex-Chef irgend so einer Nazi-Gruppierung Thüringen, bei der die drei Mitglied waren aussagt, der, der auch als Spitzel besoldet war. Die will doch nur ein bisschen nerven, ein bisschen Aufschub, wieso sollte die denn reden wollen? Oder dem Spitzel was mitteilen?

  • Anwälte kochen immer zuerst ihr eigenes Süppchen. Für Anwälte ist es natürlich am einfachsten, wenn der oder die Angeklagte im Prozess die Klappe hält. Oft ist das auch durchaus sinnvoll, aber in diesem Fall dürfte es die falsche Strategie gewesen sein. Es sind Menschen kaltblütig, aus nicht nachvollziehbaren Gründen ermordet worden und Frau Zschäpe hätte das in vielleicht allen Fällen verhindern können und müssen. Ein Gericht hat natürlich immer auch strafmildernde Aspekte zu berücksichtigen. Das kann ein zeitnahes, umfassendes Geständnis und Kooperation sein, oder sonstwas, das mithilft das Verfahren zu beschleunigen; das kann eine glaubwürdige Entschuldigung sein, das kann eine persönliche Notlage zur Tatzeit etc. sein. Was aber soll das Gericht jetzt noch nach 14 Monaten Schweigen strafmildernd berücksichtigen? Ich sehe da nix und neue, aufklärende Fakten sind von einer Aussage Tschäpes beim jetzigen Verfahrensstand auch nicht mehr ernsthaft zu erwarten.

  • "Dazu gab's zu viele Beweise,..."

     

    Ach? Bisher scheint die Indizienlage des kompletten Falles doch ziemlich löchrig, mehr Löcher als Substanz, schon gar um auf lebenslänglich mit anschließender Sicherungsverwahrung zu erkennen.

  • 9G
    90191 (Profil gelöscht)

    Zumindest einer der Anwälte hat doch selber Beziehungen zur rechten Schmuddelecke, wenn ich mich nicht irre. Ich könnte mir vorstellen, daß Zschäpe längst unter dem Druck der rechtsradikalen Terrorszene steht und gezwungen war, zum eigenen Wohl den Mund zu halten. Ihre Aussage könnte wohl einige Leute ziemlich belasten.

  • Sie hätte von vornherein reden sollen. Die Strategie der Antwälte musste scheitern. Dazu gab's zu viele Beweise, zu viele Zeugen und zu klare Zusammenhänge. Warum sie überhaupt mit so einer idiotischen Strategie versucht hat, ein Gericht auszubremsen, ist vielleicht, dass es in den Blood-&-Honour-Papieren so steht: Schweigen, nicht kooperieren. Wer allerdings mit 20 bis 30 Jahren plus Sicherheitsverwahrung rechnen muss, der kommt wohl ins Grübeln. Mit Tino Brandts Aussage dürfte Zschäpe nicht mehr aus dem Trio rauskommen - sie war nach bisherigem Stand Teil der Gruppe. Das bedarf einer Erklärung und die sollte Zschäpe denn auch liefern.

    • @Andreas_2020:

      "SicherUNGSverwahrung"!! Außerdem glaube ich nicht, dass sie damit rechnen muss, da sie nicht als nicht zurechnungs-/schuldfähig gilt.