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Entzogenes Vertrauen in VerteidigerBeate Zschäpe begründet Zerwürfnis

Die Hauptangeklagte im NSU-Prozess hat ihren Wunsch nach einem Wechsel ihrer Anwälte begründet. Sie kritisiert deren Verhandlungsführung – äußerst knapp allerdings.

Zschäpe war unzufrieden mit ihren Verteidigern: Anja Sturm, Wolfgang Stahl und Wolfgang Heer. Bild: reuters

MÜNCHEN dpa | Die Hauptangeklagte im NSU-Prozess, Beate Zschäpe, hat die vom Oberlandesgericht München geforderte Begründung für ihren Wunsch nach einem Wechsel ihrer Pflichtverteidiger abgegeben. Nach Informationen mehrerer Medien ging am Freitag ein entsprechendes Schreiben beim OLG und bei der Bundesanwaltschaft in Karlsruhe ein. Gerichtssprecherin Andrea Titz wollte dies am Samstag offiziell zunächst nicht bestätigen. Sie sagte aber, der Prozess werde „nach derzeitiger Planung“ am kommenden Dienstag fortgesetzt.

Einer der Zschäpe-Anwälte, Wolfgang Stahl, lehnte eine Stellungnahme ab, weil der Vorgang „den Kern des Mandatsverhältnisses“ betreffe.

Das Nachrichtenmagazin Focus berichtete, Zschäpe kritisiere in dem Schreiben die Verhandlungsführung ihrer drei Pflichtverteidiger. Von einem grundsätzlichen Streit Zschäpes mit ihren Anwälten Wolfgang Heer, Wolfgang Stahl und Anja Sturm über ihr Aussageverhalten sei in dem Papier jedoch nicht die Rede. Bislang hat Zschäpe in dem Verfahren vor dem OLG geschwiegen.

Nach einem Bericht von Spiegel Online ist die Stellungnahme offenbar nur äußerst knapp und wenig substantiiert. Detaillierte Vorwürfe, die auf ein nachhaltig zerrüttetes Vertrauensverhältnis zu ihrem Anwaltsteam schließen ließen, enthalte Zschäpes Schreiben nicht.

OLG-Sprecherin Titz sagte, am nächsten Verhandlungstag werde eines der Themen das Feuer sein, mit dem Zschäpe nach dem Auffliegen des NSU-Trios die Fluchtwohnung in Zwickau zerstört haben soll. Sie habe dabei den Tod ihrer damals 89 Jahre alten Nachbarin „billigend in Kauf genommen“, heißt es in der Anklage.

Zschäpe hatte am vergangenen Mittwoch überraschend ihren drei Pflichtverteidigern das Vertrauen entzogen. Daraufhin war spekuliert worden, sie wolle sich entgegen der bisherigen Verteidigungsstrategie doch vor Gericht zu einzelnen Anklagepunkten äußern. Der „Nationalsozialistische Untergrund“ (NSU) wird für zehn Morde verantwortlich gemacht.

Der Anwalt Mehmet Daimagüler, ein Vertreter der Nebenklage im NSU-Prozess, forderte Zschäpe auf, ihr Schweigen zu brechen. Eine Aussage sei in ihrem eigenen Interesse, sagte er der Mitteldeutschen Zeitung. „Ich hoffe und rechne auch damit, dass sie aussagt. Denn so kann es ja nicht weiter gehen.“

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8 Kommentare

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  • Woher haben Sie denn Ihre Gewißheiten? Bis jetzt handelt es sich am OLG München um einen reinen Indizienprozeß, bei dem bis jetzt nicht ein handfester - und vor allem galubwürdiger - Beweis für die Schuld von Uwe Böhnhardt und Uwe Mundlos für die ihnen zur Last gelegten Taten erbracht worden ist. Geschweige denn für eine Mittäterschaft von Beate Zschäpe. - Es sei denn, man hält die in einer "Beweisorgie" nach dem Tod der beiden mutmaßlichen Täter hervorgesprudelten "Beweisstücke", einschließlich einer seit fünf Jahren nicht gewaschenen Jogginghose mit Blutspuren, für glaubwürdig. Dann muß man aber ausblenden, daß an keinem der vielen Tatorte DNA oder Fingerabdrücke von Böhnhardt und Mundlos gefunden wurden: http://friedensblick.de/9121/nsu-tatorte-es-gibt-keine-dna-von-zschaepe-mundlos-boehnhardt/

    Der Verdacht, daß der "NSU" ein Geheimdienstkonstrukt ist, steht mittlerweile riesengroß im Raum. Und damit auch die Hypothese, daß Zschäpe deshalb schweigt, weil sie leben bleiben will.

  • Es gibt eine deutliche Beweislast gegen Zschäpe. Sie kann mit dieser Strategie eigentlich nur 30 plus Sicherheitsverwahrung bekommen. Da im Gerichtssaal auch zahlreiche Angehörige der Opfer sitzen, ist ihr momentanes Verhalten auch ein Ausdruck einer politischen Überzeugung. Das bestätigt die Anklageschrift und läst sich ja nicht vom Tisch wischen, denn jede® andere würde eben aussagen, kooperieren. Ich glaube aber, dass Beate Zschäpe dieses Verfahren sowieso nicht gewinnen kann, weil es gar nichts zu gewinnen gibt. Niemand zündet mal einfach eine Wohnung an, in der Terroristen leben, die deren Basis gewesen ist. Am Tatort bei der Sparkasse war sie auch - was sie in der Zeit vom Untertauchen bis zu ihrer freiwilligen Stellung bei der Polizei getan hat, dazu hat sie kein Wort gesagt. Das ist dann auch kein Wort der Entlastung - eigentlich hat sich Zschäpe mit ihrem Verhalten sehr stark selbst belastet. Andererseits hat diese Frau wohl auch nichts mehr als ihre 'Szene' und aus der fliegt sie raus, wenn sie redet.

    • @Andreas_2020:

      Ich bin nicht auf dem Laufenden:

      WO gab es diese Beweise, sie war bei keinem Mord am Tatort, es gibt weder DNA noch Zeugen.

  • Den Vorwurf gegen die Angeklagte, sie habe diese Anwälte am Anfang akzeptiert ist zutiefst unanständig. Wer kann schon als Laie den Charakter und Fähigkeit von Anwälten einschätzen? Am Anfang deuten sie wie ein Wertpapierverkäufer an, dass man mit Ihnen gut beraten sein. Und danach kommt ein paar Wochen Show, dann ist Ende der Leistung.

     

    Ich selbst empfand die Leistung der Anwält extrem schlecht.

    Das Verfahren hätte (in einem Rechtsstaat) sofort eingestellt werden müssen. Wenn auf Seiten des Staates als Kläger alle Unterlagen, die seine Mittäterschaft bewiesen hätten, vernichtet wurden und auch noch entscheidend wichtige Zeugen nicht aussagen müssen, weil es der Beklagten genützt hätte, dann ist keine Verurteilung möglich.

    Wenn Staatsorgane nicht ALLES auf den Richtertisch legen müssen ist das Gericht nur noch zur willigen Willkür-Vollstreckung berufen; wie es erscheint sind die Richter mit freiwilligem Gehorsam und guten Berufsaussichten gesegnet. Von Unabhängigkeit keine Spur.

     

    Die sichtbare Realität dieses Schauprozesses ist auch eine Verhöhnung der Opfer, die wohl auch als unvermeidliche Kolateralschläden für die gewollte Duldung Rechtsradikaler angesehen werden.

     

    Und die Anwälte sind wohl auch nur der politischen Führung gefällig gewesen; Nur nichts aufdecken!

    • @Rainer Pakosch:

      Die Aktenvernichtungsorgie würde ich als versuchte Strafvereitelung im Amt bezeichnen. Das ist kein Grund, deswegen das Verfahren einzustellen. Im Gegenteil, es hätte Ermittlungen im Hinblick auf die sehr wahrscheinliche Mittäterschaft durch diverse Behörden und auch eine entsprechende Ausweitung der Anklage geben müssen. Pannen passieren immer und überall mal, aber was man hier antrifft ist gleich ein ganzes Pannensystem.

    • @Rainer Pakosch:

      Satire?

  • Eine Aussage sei in ihrem eigenen Interesse, sagte er der Mitteldeutschen Zeitung. „Ich hoffe und rechne auch damit, dass sie aussagt. Denn so kann es ja nicht weiter gehen.“

     

    Diese Ansicht kann ich überhaupt nicht teilen. "So kann es ja nicht weiter gehen" klingt auch eher nach: "so kommen wir ja nie zu einem Ergebnis."

     

    Zumindest als Laie wirkt es eher so, als wäre das ein klassischer Fall von "jedes Wort ist ein Wort zuviel". Wäre ich an Zschäpes Stelle würde ich auch versuchen das Ganze "auszusitzen". Wenn die Staatsanwaltschaft tatsächlich etwas nachweisen kann, könnte ich ja immer noch aussagen.

    • @Malte Kuller:

      Es wurden Menschen aus nicht nachvollziehbaren Gründen regelrecht hingerichtet und Frau Zschäpe hätte dies in jedem Fall verhindern können und müssen. Da wird man wohl keinen Freispruch erwarten dürfen, ob sie sich dazu nun äußert, oder nicht.