Kommentar Zinspolitik der EZB: Die Zauderer
Der starke Euro verursacht hiesigen Konzernen Kopfschmerzen. Die EZB tut nichts dagegen und schadet so Staaten wie Italien und Frankreich.
Z um Beispiel Beiersdorf. Zwar produziert der Hersteller von Nivea und Eucerin in Afrika, Asien und Australien, aber die Gewinne ziehen nicht richtig mit. Auch Metro jammert: starker Euro, schwacher Rubel und schwache türkische Lira verhageln die Bilanz des Handelskonzerns. Touristen können mit dem teuren Euro auswärts gut shoppen, hiesigen Konzernen lässt er im Ausland erzielte Einnahmen bei der Umrechnung in Europas Gemeinschaftswährung jedoch schrumpfen.
Fast 1,40 Dollar kostet der Euro derzeit. Richtig übel trifft das Produkte, die nicht ganz so begehrt sind wie derzeit Waren made in Germany. Kein Wunder, dass das langsam von Industriearbeitsplätzen entkernte Frankreich – genau wie Silvio Berlusconi – fordert, die EZB solle endlich gegen den starken Euro aktiv werden. Peugeots, Michelin-Reifen oder französischer Käse erscheinen nämlich derzeit nicht nur im globalen Wettbewerb relativ wenig attraktiv, sondern tendenziell wegen des starken Euro auch zu teuer.
Deutschland blockte bereits ab: Konjunkturpolitik ist nicht der Job der EZB, heißt es aus Berlin. Soll doch der Nachbar erst mal Hausaufgaben machen: Etat schrumpfen, Wirtschaft fit machen. Ungerecht: Die deutschen Dumpinglöhne sind mitverantwortlich für die unausgeglichenen Handelsbilanzen der Euro-Partner – und somit mitschuldig an der Krise in Europa und Frankreich.
EZB-Chef Mario Draghi tat am Donnerstag erst mal – gar nichts. Dabei missfällt auch Draghi der teure Euro. Er schadet nicht nur Europas Exporteuren, er drückt auch indirekt über fallende Importpreise das Preisniveau in der Eurozone. Dieses lag zuletzt bei 0,7 Prozent, entfernt von der Zielmarke von 2 Prozent. Alles erscheint Draghi aber noch nicht akut genug. Harte Maßnahmen wie Negativzinsen oder Anleihenkäufe hält die EZB noch für zu alarmistisch. Im Juni kommen EZB-eigene Berechnungen zur Inflation – die wohl letzte Gelegenheit zum Handeln.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Hype um Boris Pistorius
Fragwürdige Beliebtheit
James Bridle bekommt Preis aberkannt
Boykottieren und boykottiert werden
Russischer Angriff auf die Ukraine
Tausend Tage Krieg
Kanzlerkandidat-Debatte
In der SPD ist die Hölle los
Abschluss G20-Gipfel in Brasilien
Der Westen hat nicht mehr so viel zu melden
Verfassungsklage von ARD und ZDF
Karlsruhe muss die unbeliebte Entscheidung treffen