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Kommentar Wirtschafts-NobelpreisInteressant, aber Thema verfehlt

Ulrike Herrmann
Kommentar von Ulrike Herrmann

Dass Richard Thaler den Nobelpreis für Wirtschaft erhält, geht in Ordnung – er zeigt die Fehler von Märkten auf. Leider zieht er die falschen Schlüsse.

Nobelpreisträger Richard Thaler schätzt den freien Markt mehr als Staaten Foto: dpa

E s war spannend, wer in diesem Jahr den Nobelpreis für Wirtschaft erhalten würde. Denn das Preiskomitee hat sich schon erstaunliche Flops geleistet. Ein Beispiel: 2013 wurde Eugene Fama geehrt – für die Theorie, dass die Finanzmärkte „effizient“ seien. In Stockholm schien man die Finanzkrise verschlafen zu haben.

So fatal war es dieses Jahr nicht. Die Ehrung von Richard Thaler geht in Ordnung, zeigt aber, wie verengt die herrschende Ökonomie denkt.

Thaler gehört zu den führenden Verhaltensökonomen. Er hat gezeigt, dass der Mensch kein rationaler Homo oeconomicus ist, der immer nur an seine Nutzenmaximierung denkt. Statt dessen haben die allermeisten Menschen Angst, ihren Status Quo zu verändern: Behalten ist wichtiger als Gewinnen. Zudem zählt Fairness mehr als Profit, und Finanzanlagen werden sowieso falsch beurteilt.

Trotzdem ist Thaler kein Kritiker der liberalen Ökonomie. Er zeigt zwar, dass der „Markt“ nicht perfekt funktioniert, weil der Mensch fehlbar ist. Aber dies führt bei Thaler nur zu der Frage, wie man die Märkte optimieren könnte.

Dieser Tunnelblick zeigt sich beim Thema Privatvorsorge. Wie Thaler feststellt, funktionieren „Opt-in“-Modelle nicht. Viele Menschen verzichten auf einen Rentenvertrag, wenn er freiwillig ist. Effektiver ist „Opt-out“: Jeder erhält eine private Rentenversicherung – kann sich aber abmelden. Fast alle bleiben drin, zeigt die Erfahrung. Der Deckungsgrad steigt.

Thalers Ergebnisse sind interessant, verfehlen aber das Thema. Die Frage wäre: Sind gesetzliche Renten nicht besser als eine private Lösung? So wissenschaftlich Thalers Verhaltensforschung wirkt: Sie geht von der ideologischen Annahme aus, dass Markt immer besser ist als Staat.

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Ulrike Herrmann
Wirtschaftsredakteurin
Der Kapitalismus fasziniert Ulrike schon seit der Schulzeit, als sie kurz vor dem Abitur in Gemeinschaftskunde mit dem Streit zwischen Angebots- und Nachfragetheorie konfrontiert wurde. Der weitere Weg wirkt nur von außen zufällig: Zunächst machte Ulrike eine Banklehre, absolvierte dann die Henri-Nannen-Schule für Journalismus, um anschließend an der FU Berlin Geschichte und Philosophie zu studieren. Sie war wissenschaftliche Mitarbeiterin der Körber-Stiftung in Hamburg und Pressesprecherin der Hamburger Gleichstellungssenatorin Krista Sager (Grüne). Seit 2000 ist sie bei der taz und schreibt nebenher Bücher. Ihr neuester Bestseller heißt: "Das Ende des Kapitalismus. Warum Wachstum und Klimaschutz nicht vereinbar sind - und wie wir in Zukunft leben werden". Von ihr stammen auch die Bestseller „Hurra, wir dürfen zahlen. Der Selbstbetrug der Mittelschicht“ (Piper 2012), „Der Sieg des Kapitals. Wie der Reichtum in die Welt kam: Die Geschichte von Wachstum, Geld und Krisen“ (Piper 2015), "Kein Kapitalismus ist auch keine Lösung. Die Krise der heutigen Ökonomie - oder was wir von Smith, Marx und Keynes lernen können" (Piper 2018) sowie "Deutschland, ein Wirtschaftsmärchen. Warum es kein Wunder ist, dass wir reich geworden sind" (Piper 2022).
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5 Kommentare

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  • @ - Na Mahlzeit - & Oh je!

     

    Zum ÖPP-Salat an A 1! etc

    &

    Die feinen Darlegungen der

    Rechnungshöfe.

    &

    Helzrichen Gwücklunsch -

    Zur McSchreckschen-Variante von

    Homo homini lupus!

    klar - Jeder läuft sich seinen -

    Wolf selbst & so denn - aber doch was --

    kurz - Schreck laß nach!;) - die xte!;(

    No. Hobbes mir glei denkt!;)

    Newahr.

     

    (Zu solch Eseleien - have a look at ~> https://de.m.wikipedia.org/wiki/Homo_homini_lupus -

    & https://www.google.de/amp/http://www.zeit.de/amp/wirtschaft/film/2017-08/autobahnen-privatisierung-einsparungen-staat - )

  • Wenn Frau Herrmann Recht hat und die Folgerungen falsch, sollte sie schleunigst eine Studie erstellen, die das beweist. Dann kriegt sie vielleicht den nächsten Nobelpreis für Wirtschaft und ich nehme alles zurück, was ich bisher über sie geschrieben habe.

     

    Allerdings hat sich bisher noch immer gezeigt, dass private Wirtschaft weit effizienter arbeitet als staatliche, weil dort der egoistische Antrieb, den viele Menschen haben, verkannt wird. Im staatlichen Sektor steigt dadurch das Risiko von Korruption, im privaten ist der Anreiz, selbst etwas zu verdienen, ein Antrieb für Effizienz und gegen Verschwendung.

  • Zitat: „So wissenschaftlich Thalers Verhaltensforschung wirkt: Sie geht von der ideologischen Annahme aus, dass Markt immer besser ist als Staat.“

     

    Annahme? Welche Annahme? Es sind immer Menschen, die entscheiden. Diejenigen, die das für „die Wirtschaft“ tun, und diejenigen, die für „den Staat“ entscheiden, gehören nicht zwei unterschiedlichen Arten an. Sie machen dieselben Fehler. Nein, es geht nicht um die Frage, ob „der Markt“ der bessere Vormund ist, oder „der Staat“. Es geht schlicht und ergreifend darum, den Egoisten möglichst viele Steine aus dem Weg zu räumen. Und zwar mit der albernen Begründung, am besten wäre für alle gesorgt, wenn sich jeder um sich selbst kümmert.

     

    Diese Annahme ist nicht einfach nur dumm. Sie ist bösartig. Denn niemand, der bei halbwegs klarem Verstand ist, kann bestreiten, dass die Talente ungerecht verteilt sind. So zu tun, als hätten alle Menschen bei ihrer Geburt dieselbe Chance, soll dabei helfen, die bestehenden Unterschiede zu zementieren bzw. auszubauen. Die Vertreter dieser These wollen ihren über Generationen hinweg zusammengestohlenen Wohlstand vor denen in Sicherheit bringen, die sich auch bisher schon nicht zu wehren wussten.

     

    Leider lassen Menschen sich gern korrumpieren. Die Chance, seine grauen Zellen in Geld und einem großen Haufen unverdienter Privilegien zu verwandeln, lassen nur wenige ungenutzt. Dieser Nobelpreisträger dürfte das wissen. Er greift ja selber kräftig zu. Es stört ihn offenbar gar nicht, dass er den größten Egoisten dieser Erde dabei hilft, die weniger begabten zu manipulieren. Die „sozial Schwachen“ haben aus Sicht des Herrn Professors offenbar nur eine Daseinsberechtigung: Die, sich ausnehmen zu lassen wie die berühmte Weihnachtsgans.

     

    Aber, hey, dämliche Ideologien haben ja nur die „Primärpatienten“ aus dem Osten.

    • @mowgli:

      naja, der Unterschied bei den meisten Privatvorsorgemodellen zu unserem deutschen Rentensystem ist, dass das Geld am Kapitalmarkt angelegt wird, dass sehe ich schon kritisch. Problematisch wird es nur, wenn die jetzt arbeitende Bevölkerung mit ihren Rentenkassenbeiträgen nicht mehr die Bevölkerung zu finanzieren die jetzt in Rente sind. Trotzdem ein besseres System, als dass der Privatvorsorge, indem Rentenfonds Immobilien und alle möglichen staatlichen Infrastrukturen aufkaufen als "langfristige" Geldanlage

    • @mowgli:

      Schöner kann man's kaum sagen.