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Kommentar Wahl in SpanienKatalonien lässt sich nicht aussitzen

Reiner Wandler
Kommentar von Reiner Wandler

Wie und mit wem macht Spaniens Ministerpräsident Pedro Sánchez weiter? Wer glaubt, er könne den Konflikt um Katalonien ignorieren, irrt.

Wie Sánchez weitermacht – und vor allem mit wem und wofür – ist die große Frage Foto: ap

E s kam weniger schlimm als befürchtet. Die rechtsextreme Partei Vox ist bei den Wahlen am Sonntag zwar ins spanische Parlament eingezogen, aber bei weitem nicht mit der Stärke, die viele Umfragen befürchten ließen. Und besser noch: Die drei Rechtsparteien, neben Vox die konservative Partido Popular (PP) und die rechtsliberalen Ciudadanos (Cs), summieren nicht zu einer Regierungsmehrheit. Spaniens Sozialistenchef Pedro Sánchez bleibt Ministerpräsident.

Doch damit sind alle Sicherheiten auch schon aufgezählt. Denn wie Sánchez weitermacht – und vor allem mit wem und wofür – ist die große Frage. Er hat zwei Möglichkeiten. Zum einen könnte er auf Cs zugehen. Zwar kündigte deren Anführer Albert Rivera am Wahlabend einmal mehr an, in die Opposition zu gehen, doch wer Rivera und seine bisherige Politik beobachtet hat, weiss, dass dieser seine Meinung gerne ändert, wenn es nur die Richtigen von ihm verlangen.

Und das ist bereits geschehen. Die Wirtschaftspresse, die die Interessen der spanischen Großunternehmen vertritt, forderte Rivera schon in den Ausgaben vom Montag auf, sich mit Sánchez zusammenzuschließen. Cs als Juniorpartner würde weitere Steuererleichterungen und Arbeitsmarktreformen im Interesse der Wirtschaft bedeuten.

Doch das wäre von Seiten Sánchez' ein Betrug am Wähler. Denn er hatte im Wahlkampf eine sozialere Regierung und die Rücknahme eines erheblichen Teils der Sparpolitik versprochen. Genau das brachte ihm den ersten Sieg der Sozialisten seit 11 Jahren ein. Auch dafür gibt es eine Mehrheit: Sánchez könnte seine Versprechen zusammen mit den Linksalternativen von Unidas Podemos umsetzten.

Der Konflikt wird nicht verschwinden

Sicher, er braucht dafür auch die Stimmen von Regionalparteien, darunter der der Katalanen. Leicht wird eine solche Regierungsbildung nicht, denn die Katalanen wollen eine Lösung für ihr Anliegen. Auch deshalb könnte Sánchez und Rivera versucht sein, letztendlich doch zu paktieren.

Doch wer glaubt, er könne den Katalonienkonflikt ignorieren, weil die Katalanen in einer Koalition der Sozialisten mit den betont antikatalanischen Cs keinen Einfluss auf die Regierung haben, täuscht. Das Thema Katalonien lässt sich nicht aussitzen. Der Konflikt kann nicht jahrelang verschleppt werden. Und er wird auch nicht einfach wieder verschwinden, als wäre nie etwas gewesen.

Der schwierigere Weg ist in diesem Fall der bessere. Ein ständiger Dialog, wie er für das Zustandekommen einer Linksregierung notwendig wäre, ist eine Herausforderung – aber auch eine große Chance für ein neues Spanien, in dem alle Platz haben.

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Reiner Wandler
Auslandskorrespondent Spanien
Reiner Wandler wurde 1963 in Haueneberstein, einem Dorf, das heute zum heilen Weltstädtchen Baden-Baden gehört, geboren. Dort machte er während der Gymnasialzeit seine ersten Gehversuche im Journalismus als Redakteur einer alternativen Stadtzeitung, sowie als freier Autor verschiedener alternativen Publikationen. Nach dem Abitur zog es ihn in eine rauere aber auch ehrlichere Stadt, nach Mannheim. Hier machte er eine Lehre als Maschinenschlosser, bevor er ein Studium in Spanisch und Politikwissenschaften aufnahm. 1992 kam er mit einem Stipendium nach Madrid. Ein halbes Jahr später schickte er seinen ersten Korrespondentenbericht nach Berlin. 1996 weitete sich das Berichtsgebiet auf die Länder Nordafrikas sowie Richtung Portugal aus.
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14 Kommentare

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  • Sind die Katalanen die sich als Spanier fühlen keine Katalanen ??? sind über 50% !!! mal besser informieren, die Separatisten sind nur ein Teil Kataloniens

    www.lavanguardia.c...s-y-catalanes.html

    • @gonzalez:

      Aber 80% der Bevölkerung Kataloniens wünscht sich ein demokratisches Referendum zur Lösung der Frage.



      Das sollten Sie nicht vergessen.

      Es gibt genug Katalanen, welche sich auch als Spanier fühlen und trotzdem unabhängig sein wollen, weil sie eben auch Katalanen sind und von der spanischen Erbmonarchie zu recht die Schnauze voll haben.

  • viele Firmen sind abgewandert, das Wirtschaftszentrum Spaniens ist inzwischen Madrid, wenn es weiter geht mit der Abspaltung wandern weitere Firmen aus Katalonien ab. Der grösste Arbeitgeber Kataloniens ist das spanische Unternehmen SEAT, Francos Geschenk an die katalanische Bourgeoisie. Nach dem Bürgerkrieg haben Einwanderer aus Andalusien und Extremadura Katalonien wieder mitaufgebaut !!! und die Separatisten haben in 2012 2015 und 2017 nur 47% erreicht, die Katalanen die sich als Spanier fühlen sind keine Katalanen für Sie ??? sind nämlich über 50% !!!



    von den 7,5 Millonen sind fast 1,5 Millonen Ausländer (Europäer etc..) ich zb. !!!! ach der größte Abnehmer der Produkte Kataloniens sind die anderen spanischen Regionen , erst dann die EU !! der Separatismus ist der Kampf der Reichen gegen die ärmeren Regionen !!! scheiss Nationalismus !!!

    • @gonzalez:

      Wieviel Prozent erreichten den die Unionisten bei den angesprochenen Wahlen? Zwischen 40 und 43%!

      Das machte schon damals einen Unterschied von über 5% aus, Tendenz steigend!

      Spanien verharrt in Angststarre und braucht offensichtlich die Hilfe der EU, um das Problem demokratisch lösen zu können.

  • Ja bitte.

    VOX hat in Andalusien durch seine Stimmendhaltung eine Regierung aus PP & C‘s möglich gemacht. Und deshalb ist die jetzt ganz rechts außen? Wo sind die ultrarechten Gesetze die jetzt gerade in Andalusien verabschiedet werden?

    C's fordert die Anwendung des Paragraphen 155. Das macht nur Sinn in dem Zusammenhang das die katalanische Regierung bestehende Gesetze ignoriert. Ich hab gehört das ist vorgekommen. Das nach der massiven Firmenabwanderung aus Katalonien in den letzten Jahren, angetrieben von der Rechtsunsicherheit die durch die „parallele Legalität“ der Unabhängigkeitsbewegung geschaffen wurde, der Wunsch nach Einhaltung bestehender Gesetze dem Wunsch dem katalanischen Volk zu schaden gleichzusetzen ist, ist für mich fraglich. Man könnte sogar argumentieren das die Unabhängigkeitsbewegung den Katalanen schadet.

    In Andalusien und nun auch bei den spanischen Generalwahlen bestand sein Wahlprogramm fast ausschließlich darin, den Katalanen zu schaden.

    Mal sehn. Wahlprogram Ciudadanos 2019:



    I.Das Spanien für freie und gleiche Einwohner



    II.Null Toleranz für Korruption



    III.Eine moderne und wettkampffähige Ökonomie ...



    IV.Anstellung im XXI Jahrhundert: eine neues Model des Anstellungsverhältnisses ...



    V.Bildung, im Zentrum



    VI.Tourismus, Kultur und Sport: der Wert unserer Spitzenposition



    VII.Spanien soll das beste Land für Familien werden



    VIII.Ein öffentliches, hochwertiges Gesundheitswesen das die Gleichbehandlung garantiert



    IX.Spanien ins XXI Jahrhundert führen: mehr Freiheit, mehr Gleichheit, mehr Moderne



    X.Unser Land behüten für unsere Kinder und Enkel



    XI.Ein Staatsvertrag gegen die Entvölkerung



    XII.Wohnen, Infrastruktur und Mobilität: effektive und vernünftige Politik



    XIII.Eine Sicherheits- und Verteidigungspolitik die ans XXI Jahrhundert angepasst ist



    XIV.Spanien als Führungskraft in einem vereinteren Europa

    Vielleicht können Sie ja damit Anfangen für die Doofen wie mich „Antikatalan“ und „fast ausschließlich“ zu definieren.

    • @redbird71:

      antwort für @NISCHU siehe unten...

  • "...mit den betont antikatalanischen Cs...", weil dagegen zu sein das Katalonien sich von Spanien abspaltet ist gleichzusetzen damit Antikatalan zu sein? Was bedeutet das genau Antikatalan zu sein?



    C's ist eine Partei die zuerst in Katlonien gegründet wurde und von Katalanen geführt wird.

    • @redbird71:

      Es ist richtig, dass Ciudadanos - Cs - von dem als Katalane geborenem Albert Rivera gegründet wurde. als er in die Politik ging, setzte er sich das Ziel, Katalonien "spanischer zu machen". Da gab es noch keine Bestrebungen, eine freie, katalanische Republik ins Leben zu rufen. Es gibt in Katalonien zahlreiche "Einwanderer" aus den armen Regionen Spaniens und die obere Schicht der Bürgerlichen, die seine Meinung teilen. "Die echten" Katalanen haben etwas dagegen. Rivera gilt noch bei vielen als liberal. Etwa in Deutschland. Er ist sehr, sehr rechts und ein bisschen liberal. Bei den andalusischen Landtgaswahlen hat er geholfen die ultrarechten Partei VOX mit ins Boot genommen, um die Sozialdemokraten, die die meisten Stimmen erhalten hatten, in die Oposition zu verdonnern. In Andalusien und nun auch bei den spanischen Generalwahlen bestand sein Wahlprogramm fast ausschliesslich darin, den Katalanen zu schaden. So bestand er darauf, den Paragraphen 155 anzuwenden, der es der katalanische Landestregierung unmöglich macht, normal zu regieren. Eine brutale Massnahme gegen eine Autonomie, die von der Vefassung geschützt wird. Brauchen Sie noch mehr Argumente?

      • @nischu:

        Wie kann mann Katalonien spanischer machen ? Spanien ist doch letztlich die Summe aus dem Königreich Kastilien und dem Königreich Aragon zu dem die Grafschaft Barcelona gehörte. Richtig ist Katalonien ist bilingual spanisch (castellano) und katalanisch, die Nationalisten wollen aber Katalonien einsprachig machen um sagen zu können : una llengua una nacio, was daran tolerant europäisch sein soll an diesem linguistischen Nationalismus ist mir nicht klar !!

        Ist doch nicht normal, daß Firmen die in spanisch schreiben abgemahnt werden !!! ich nenne dass eher rassistisch. Ist doch nicht die Schuld daß sich castellano als Hauptsprache durchsetzte und nicht katalanisch als Hauptsprache Spaniens. In Deutschland hätte sich ja auch Bajuwarisch anstatt Hochdeutsch durchsetzen können, ist aber nicht so, ist Geschichte !!!

        • @gonzalez:

          "Ist doch nicht die Schuld daß sich castellano als Hauptsprache durchsetzte und nicht katalanisch als Hauptsprache Spaniens."

          300 Jahre kastilische Unterdrückung in den Dekreten der "Nueva Planta", 40 Jahre Franco-Diktatur und Sie nennen die Gesetze zum Schutz des Katalanischen Rassismus. Sie sollten einmal tief in sich blicken!

  • Es geht um nationale Identität und Souveränität des katalanischen Volkes.

  • 9G
    90857 (Profil gelöscht)

    Natürlich, die PSOE (Sanchez) könnte versuchen, über eine Drohung via der möglichen, gar ausreichenden Mehrheit mit den Cs die Katalanen gefügig zu machen.

    www.lavanguardia.c...nes-generales-2019

    Anders herum, und ohne ein sofortiges Ende der Prozesse gegen die inhaftierten katalanischen Politiker, ohne ein sofortiges Ende der strafbewehrten Verfolgung katalanischer Exilpolitiker werden auch PSOE und Podemos via der notwendigen katalanischen Simmen wohl keine Mehrheit finden.

    Mehr noch, ohne eine größtmögliche Unabhängigkeit von Katalonien -ähnlich der von Südtirol gegenüber der italienischen Zentralregierung- wird es wohl keine Lösung dieses Konfliktes geben; eher zunehmende Gewalt und Repressionen.

  • Katalonien lässt sich ignorieren. Es kommt nicht auf die Stimmen der Katalanen an.

    • @Monika Frommel :

      Ignoriert man die grösste Wirtschaftskanone Spaniens, den Exportmeister, den grössten Steuerzahler, ein Volk von 7,5 Millonen Einwohnern?



      Sánchez hat es nicht eilig mit einer Regierungsbildung. Aber wenn er die bei seinen Wählern verhasste Koalition mit Cs eingeht wird er es zu spüren bekommen. Alle anderen Möglichkeiten einer Regierungsbildung würden spätestens bei seiner Investitur zum Präsidenten sehr wohl die Stimmen von Katalanen und Basken erforderlich machen.