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Kommentar Wahl in SpanienLinke Buchstabensuppe

Reiner Wandler
Kommentar von Reiner Wandler

Podemos hat mit den Altlinken paktiert – ein Fehler! Doch in der Opposition kann das Wahlbündnis nun eine echte politische Alternative aufzeigen.

Gemeinsam und doch zu unterschiedlich: Podemos-Star Iglesias (vorne) und IU-Chef Garzon Foto: dpa

D as Ergebnis der Parlamentswahl in Spanien von Unidos Podemos ist ernüchternd: Die Wahlkoalition aus Podemos und Vereinigter Linken (IU) erzielte gemeinsam die gleiche Zahl an Parlamentssitzen wie vorher getrennt – und verliert dabei eine Million Stimmen. Was angelegt war, um nicht nur Stimmen aufzuaddieren, sondern auch weitere Wähler anzusprechen, war am Ende nicht attraktiv genug.

Nicht nach links, nicht nach rechts, sondern gegen oben ging es bisher. Transversale Politik nannten sie dies bei Podemos. Nach dem Zusammenschluss mit IU, die hauptsächlich aus Mitgliedern der Kommunistischen Partei Spaniens besteht, verlor die Antiausteritätsbewegung an Frische.

Auf den Wahlkampfveranstaltungen wehten dann plötzlich rote Fahnen mit Hammer und Sichel, es wurden Sprechchöre laut, wie sie nur bei kleinen radikalen Minderheiten ankommen. Musik und Reden wurden an die altlinke Identität der neuen Bündnispartner angepasst.

Der Zusammenschluss mit IU war – anders als der Prozess des Zusammengehens mit regionalen Kräften vor der Wahl im Dezember – ein Bündnis zweier Parteien. Eben nichts neues, sondern die Buchstabensuppe, von der Podemos bis dahin nichts wissen wollte. Hätten die Menschen kommunistisch wählen wollen, hätten sie dies in den vergangenen Jahrzehnten tun können: Podemos wäre erst gar nicht entstanden.

Verunsicherung durch das Brexit-Votum

Die politischen Gegner und die Presse nutzen das Bündnis aus Neu und Alt, um Angst zu schüren. Podemos antwortete darauf nur zögerlich. Spitzenkandidat Pablo Iglesias wirkte wie an die Leine gelegt. Er gab sich moderat, um die Wählerschaft nicht zu erschrecken, bot den Sozialisten eine Koalition an, anstatt sich gegen deren Angriffe zu verteidigen. Hinzu kam die Verunsicherung der Wähler durch die Brexit-Abstimmung in Großbritannien nur zwei Tage vor dem spanischen Urnengang.

Nach wie vor ist es eine erstaunliche Leistung für eine nur zwei Jahre alte Partei, mit 71 Abgeordneten im spanischen Parlament zu sitzen. Unidos Podemos ist stark genug, um eine gute Oppositionsarbeit zu machen, Vertrauen zu gewinnen und vor allem jenseits von Parolen eine echte politische Alternative aufzuzeigen.

Wenn sie bei Podemos jetzt aus den Fehlern lernen, ist der Kampf um den Einzug in den Regierungspalast Moncloa nur aufgeschoben, aber nicht aufgehoben.

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Reiner Wandler
Auslandskorrespondent Spanien
Reiner Wandler wurde 1963 in Haueneberstein, einem Dorf, das heute zum heilen Weltstädtchen Baden-Baden gehört, geboren. Dort machte er während der Gymnasialzeit seine ersten Gehversuche im Journalismus als Redakteur einer alternativen Stadtzeitung, sowie als freier Autor verschiedener alternativen Publikationen. Nach dem Abitur zog es ihn in eine rauere aber auch ehrlichere Stadt, nach Mannheim. Hier machte er eine Lehre als Maschinenschlosser, bevor er ein Studium in Spanisch und Politikwissenschaften aufnahm. 1992 kam er mit einem Stipendium nach Madrid. Ein halbes Jahr später schickte er seinen ersten Korrespondentenbericht nach Berlin. 1996 weitete sich das Berichtsgebiet auf die Länder Nordafrikas sowie Richtung Portugal aus.
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4 Kommentare

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  • 6G
    628 (Profil gelöscht)

    Ein treffender Kommentar.

    Das Problem der klassisch-linken Parteien ist, dass sie i.d.R. nicht über die Pflege der eigenen Traditionen hinauskommen. Das Denken an neue Situationen anzupassen, das Werben um Wähler jenseits des eigenen, eng begrenzten Spektrums fällt diesen Parteien schwer. Iglesias hat das, wenn ich das richtig im Kopf habe, vor einiger Zeit ja auch durchaus treffend analysiert. Insofern war es vielleicht wirklich ein Fehler, mit dem Zusammengehen mit der vereinigten Linken den eigenen Politikansatz ein Stück weit aufzugeben.

    Da die europäische Sozialdemokratie beschlossen hat, Suizid zu begehen, werden jetzt dringend neue, linke Parteien benötigt, die das Zeug zu Volksparteien haben.

  • In Spanien gibt es meiner Kenntnis nach keine Buchmacher wie in England. Aber man kann sich zwischen einigen Koalitionsmöglichkeiten in einer online-Umfrage entscheiden: http://www.elmundo.es/debate/espana/2016/06/26/577049e1e2704e76168b4577.html

    oder für einen Präsidenten: Vota | ¿Quién crees que será el presidente del Gobierno tras el 26-J? Zum Abstimmen: http://politica.elpais.com/politica/2016/06/26/actualidad/1466954941_374187.html

    (Diese paar Stimmen aus dem Ausland werden das Gesamtergebnis wohl kaum beeinflussen ;-))

    • @Thomas Kniep:

      Danke für die Links. Besonders schockierend fand ich die Platzierung von Rajoy bei El País. Eigentlich hätte man vom Klientel dieser Zeitung eine andere Einstellung erwarten sollen, aber dieses Periodikum noch als liberal zu bezeichnen geht wohl auch stark an der Realität vorbei.

      • @S.R.:

        Nun ja, wenn die politische Konkurrenz v Rajoy entweder politische Anfänger sind, die völlig Ideen - u farblos sind oder begeisterte Anhänger des Chavismus, die lieber noch mal wählen lassen, in der Hoffnung doch noch vor den Sozialisten rauszukommen, als eine Koalition zu bilden u Kompromisse zu schließen, und sich dann darüber wundern eine Million Stimmen ggü der Wahl im letzten Jahr verloren zu haben... dann liegt es vllcht doch nicht an den Wählern, die plötzlich nicht mehr links u liberal genug sind. Rajoy und seine Partei sind korrupt wie kaum eine zweite Regierungspartei in Europa und wie eh und je ultrakonservativ (obwohl man sagen muss, dass sie das am Beginn der Legislatur geplante restriktivere Abtreibungsgesetz doch wieder in der Schublade verschwinden lassen haben, man staune, auch die PP ist lernfähig), und dann ist da noch das blinde Nachlaufen hinter der neoliberalen Doktrin - mit den bekannten Folgen. Auch eine wirklich rechtspopulistische Partei ist in Spanien nicht vorhanden. Eine Opposition, die es unter solch idealen Voraussetzungen nicht gebacken kriegt, die Regierungspartei achtkantig aus der Regierung zu werfen, die hat vermutlich selbst ein großes Glaubwürdigkeitsproblem und verdient es nicht anders als in der Opposition zu bleiben.