Spanischer Wahlabend: „Hasta la victoria siempre!“

Das Bündnis Unidos Podemos hat verloren. Die Anhänger sind frustriert, aber Podemos-Star Pablo Iglesias gibt sich entschlossen.

AnhängerInnen von Unidos Podemos vor dem Centro de Arte Reina Sofia in Madrid

Müssen bis zur nächsten Wahl warten: AnhängerInnen von Unidos Podemos vor dem Centro de Arte Reina Sofia in Madrid Foto: Pascal Beucker

MADRID taz | Zum Schluss wird es sogar noch einmal kämpferisch. Noch immer harren mehrere tausend Menschen auf dem Platz vor dem Museo Nacional Centro de Arte Reina Sofia in der Madrider Innenstadt aus. Trotz eines Wahlergebnisses, das – gemessen an den Erwartungen – zum Weglaufen ist. Um zwanzig Minuten nach Mitternacht kommen Pablo Iglesias und die Führungsriege von Podemos. Auch Alberto Garzón, der Kopf der Vereinigten Linken, ist mit dabei. Frenetischer Beifall brandet auf, als sie mit erhobenen Fäusten die Bühne betreten. Ohrenbetäubend laut erschallt der Podemos-Schlachtruf: „Sí se puede“ – Ja, man kann. Jetzt erst recht.

Dabei war es ein bitterer Wahlabend, den die AnhängerInnen von Unidos Podemos (Gemeinsam können wir es schaffen) am Sonntag verlebt haben. In den Umfragen der vergangenen Woche war das Wahlbündnis, in dem sich die Antiausteritätspartei Podemos mit der Vereinigten Linken und auch der grünen Partei Equo zusammengeschlossen hatte, noch zwischen 23,5 und 26,1 Prozent gehandelt worden.

Auch in den Exit-Polls, die unmittelbar nach Schließung der Wahllokale um 20 Uhr über die Leinwand flimmerten, lag Unidos Podemos bei bis zu 95 Parlamentssitzen – und damit zwar hinter dem rechtskonservativen Partido Popular (PP), aber deutlich vor dem sozialdemokratischen Partido Socialista Obrero Españo (PSOE). Doch als die ersten Auszählungsergebnisse eintrudeln, wird schnell klar: Die Realität sieht anders aus.

Während PP und PSOE besser als prognostiziert abschneiden, liegt Unidos Podemos deutlich unter den Umfragewerten. Entsprechend groß ist die Enttäuschung. „Ich habe gehofft, dass Podemos die zweitgrößte Partei im Parlament wird“, sagt der Student Inigo Bacca. „Podemos ist die einzige Partei, die die Korruption und desolate Lage im Finanzsektor kritisiert“, sagt der 20-Jährige. Nicht nur für ihn ist es nur ein schwacher Trost, dass auch die neoliberale Partei Ciudadanos (C’s) von den DemoskopInnen zu hoch eingeschätzt worden ist.

Erfrischung für Enttäuschte

Podemos-AktivistInnen laufen mit Wasserkanistern auf dem Rücken und langstieligen Zerstäubern durch die Reihen, um mit feinen Wassernebeln für Erfrischung zu sorgen. Andere verteilen Luftballons in der Podemos-Farbe Lila. Joe Dillen nimmt gerne einen. Der 20-jährige Engländer arbeitet in Großbritannien in einem Fish-&-Chips-Restaurant. Er ist tief enttäuscht, dass sich die Mehrheit seiner Landsleute für den Brexit entschieden haben. In der Hoffnung auf einen Wahlsieg der pro-europäischen Linken ist er vor zwei Tagen nach Madrid gekommen. „Ich hoffe, dass Podemos Europa einen neuen Schub gibt“, sagt er. Doch danach sieht es an diesem Abend nicht aus.

„La sonrisa de un país“ – das Lächeln eines Landes. Das war der Wahlkampfslogan von Unidos Podemos. Das Lächeln fällt an diesem Abend vielen schwer. Eine Gruppe junger Leute hat sich frustriert in einen Hauseingang gesetzt. „Wir sind sehr enttäuscht“, sagt Victor Chico. Der Brexit habe eine entscheidende Rolle für das schlechte Abschneiden von Unidos Podemos gespielt, ist der 27-jährige Softwareentwickler überzeugt. Seine Begleiterin Macarena Lucas sagt: „Die Rechten haben massiv Stimmung gegen Podemos gemacht.“ Wie ihr Freund ist auch die 25-jährige Philosophiestudentin kein formales Podemos-Mitglied. „Ach, aber an der Universität sind sie alle irgendwie bei Podemos“, sagt sie. Fliegende Händler verkaufen Bierdosen für einen Euro.

Das Centro de Arte Reina Sofia, vor dem sich die Podemos-SympathisantInnen versammelt haben, ist ein besonderer Ort. Denn hier hängt in der zweiten Etage ein 27 Quadratmeter großes Bild, das an jene düstere Zeit erinnert, als es noch nicht die EU gab und in Deutschland der Opa von Beatrix von Storch Finanzminister war. Damals, konkret am 26. April 1937, legten Kampfflugzeuge der deutschen Legion Condor und der italienischen Aviazione Legionaria die baskische Stadt Guernica in Schutt und Asche.

„No pasarán!“

Als Reaktion malte Pablo Picasso das Anti-Kriegsgemälde „Guernica“, seine tieftraurige Anklage gegen den europäischen Faschismus. Podemos sieht sich in der Tradition derer, die seinerzeit die Republik verteidigt haben. Auch an diesem Abend schallt immer wieder „No pasarán!“ („Sie werden nicht durchkommen!“) aus Tausenden von Kehlen über den Platz, die legendäre Parole aus dem spanischen Bürgerkrieg.

Gegen Mitternacht steht fest, dass Unidos Podemos nur 21,1 Prozent geholt hat. Das ist weniger als Podemos und die Vereinigte Linke bei ihren getrennten Kandidaturen im Dezember bekommen haben. Damals kamen sie zusammengezählt auf 24,4 Prozent. Absolut haben sie mehr als eine Million Stimmen verloren. Immerhin ist die Zahl ihrer Mandate im spanischen Parlament mit 71 gleich geblieben. Und wenigstens haben die PP und die C's nicht zusammen die absolute Mehrheit. Aber auch für Unidos Podemos und die PSOE reicht es alleine nicht.

„Wir haben etwas anderes erwartet“, räumt Pablo Iglesias ein. Den Politikprofessor mit dem Pferdeschwanz hatten manche schon als den nächsten spanischen Ministerpräsidenten gesehen. Nun macht der Podemos-Popstar seinen AnhängerInnen Mut. Der Wahlantritt mit der Vereinigten Linken sei „unabhängig vom Ergebnis“ richtig gewesen. Es gehe jetzt darum, weiter gemeinsam den Weg für ein demokratischeres und sozialeres Spanien zu gehen. Iglesias schließt seine kurze Ansprache mit einem Zitat von Che Guevara: „Hasta la victoria siempre!“ – Immer bis zum Sieg! Der Applaus ist riesig. Nur zu gerne wollen die Versammelten seinen Worten glauben. Gerade in dieser Nacht.

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