Kommentar Wahl in Ecuador: Vertagtes Schicksal
Die Präsidentschaftswahl zeigt die vertrackte Lage der Politik in Lateinamerika. Auch Julian Assanges Schicksal könnte Verhandlungsmasse werden.
E cuadors Präsident Rafael Correa ist der große Verlierer der Präsidentschaftswahl. 60 Prozent der Wahlberechtigten stimmten am Sonntag in der ersten Runde gegen die Fortsetzung seiner bürgerlichen Revolution. Auch wenn noch immer ausgezählt wird, ob sein Nachfolgekandidat Lenín Moreno in die Stichwahl muss oder doch die nötigen Stimmen für einen Sieg im ersten Wahlgang erhalten hat.
Mit seinem etwa 40 Prozentanteil an den Stimmen liegt Moreno weit hinter der 50-plus-X-Marke, mit denen Rafael Correa jeweils seine beiden Wiederwahlen schon im ersten Wahlgang perfekt machte. Dabei hatte Correa gut daran getan, auf eine erneute Kandidatur zu verzichten. Unübersehbar ist der Autoritarismus, in den die letzten Verbündeten aus der Dekade der linksprogressiven Regierungen in Südamerika steuerten und an ihren Amtssesseln kleben, sei es Evo Morales in Bolivien oder Nicolás Maduro in Venezuela.
Fraglich ist, ob sich Moreno über die 50 Prozent-Marke steigern kann oder sein Potential bereits ausgeschöpft hat. Gegen ihn spricht zudem die gegenwärtige Rechtstendenz auf dem südamerikanischen Subkontinent. Fraglich ist aber auch, ob sich die Stimmanteile der übrigen ausgeschiedenen KandidatInnen wie eine simple Addition hinter dem Zweitplatzierten Guillermo Lasso zusammenfügen. Kommt es zur Stichwahl, wird sich zeigen, wie fest und zusammen die Ablehnungsfront gegen Correa wirklich steht.
Der rechte Banker genießt keine großen Sympathien. Doch das galt auch für Mauricio Macri in Argentinien und Pedro Pablo Kuczynski in Peru. Auch wenn die politischen Umstände grundverschieden waren, gewannen die beiden rechtsliberalen Kandidaten, wenn auch knapp, ihre Stichwahlen. Aber nicht durch Zustimmung, sondern durch die Ablehnung des Kontrahenten und dessen, was er repräsentierte.
Vertagt ist auch das weitere Schicksal des in der ecuadorianischen Botschaft in London sitzenden Wikileaks-Gründer Julian Assange. Der muss auf einen Sieg Morenos hoffen, damit er sein nunmehr seit 2012 gewährtes Asyl nicht verliert. Lasso hatte angekündigt, Assange zum Verlassen der Botschaft aufzufordern, sollte er Präsident werden. Doch auch dazu werden die Karten im Fall einer Stichwahl neu gemischt. Lasso muss Angebote machen, um seine Stimmen zu mehren. Sollte er zu dem Schluss kommen, dass ihm ein Verbleib von Assange in der Botschaft mehr nutzt als schadet, wird er seine Meinung rasch ändern.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Exklusiv: RAF-Verdächtiger Garweg
Meldung aus dem Untergrund
Anschlag auf Magdeburger Weihnachtsmarkt
Vieles deutet auf radikal-islamfeindlichen Hintergrund hin
Keine Konsequenzen für Rechtsbruch
Vor dem Gesetz sind Vermieter gleicher
Wahlprogramm von CDU und CSU
Der Zeitgeist als Wählerklient
Anschlag in Magdeburg
Auto rast in eine Menschenmenge auf dem Weihnachtsmarkt
Russische Männer auf TikTok
Bloß nicht zum Vorbild nehmen