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Kommentar Wachleute im AsylheimMit Entschiedenheit und Feingefühl

Nina Apin
Kommentar von Nina Apin

Über die mutmaßlichen Übergriffe von Wachleuten in Köln ist wenig bekannt. Doch die Frauen brauchen das Signal, dass die Polizei auf ihrer Seite ist.

Leben prekär: Frauen und Kinder in Flüchtlingsunterkünften. Foto: dpa

E s sind unappetitliche Vorwürfe, die gegen Security-Mitarbeiter einer Flüchtlingsunterkunft im Raum stehen: Sie sollen Frauen beim Duschen gefilmt, bedroht, sogar vergewaltigt haben. Erhoben wurden die Vorwürfe von Helfern, im Namen von Flüchtlingsfrauen. Die Polizei ermittelt.

Mehr müsste man dazu nicht sagen, solange keine Details bekannt sind. Der Themenkomplex „Köln/Flüchtlinge/sexuelle Übergriffe“ ist aber derart hysteriebesetzt, dass voreilige Schlüsse verlockend sind. Sind Taten von Aufpassern Auswuchs einer lieblos bis fahrlässig organisierten Flüchtlingsunterbringung? Oder liefern sie vielmehr den Beweis dafür, dass es nicht gelingen kann, eine so große Anzahl Menschen vernünftig aufzunehmen? Handelt es sich gar um eine Retourkutsche aus dem linken Helfermilieu, das Gewalt an Flüchtlingsfrauen in Stellung bringt gegen die Stigmatisierung männlicher Geflüchteter?

Stopp. Solche Überlegungen helfen nicht weiter, sie führen nur in eine Sackgasse aus Verdächtigungen und Schuldzuweisungen.

Sicher ist eins: Geflüchtete Frauen (und Kinder) sind in einer prekären Situation. Sie brauchen das Signal, dass die Polizei auf ihrer Seite ist und mit Entschiedenheit und Feingefühl ermittelt. Betroffenen muss klargemacht werden, dass eine Anzeige ihr Asylverfahren nicht gefährdet und dass sie umgehend eine andere Unterkunft bekommen. Nur so verlieren Drohungen von Tätern ihre Wirkung.

Noch hilfreicher sind Mindeststandards für Unterkünfte, wie sie der Unabhängige Beauftragte für Fragen des sexuellen Kindesmissbrauchs fordert. In einer Turnhalle mit 200 Menschen aber sind diese schwer umzusetzen. Sexuelle Ausbeutung ist eine Begleiterscheinung der Massenunterbringung. Deshalb müssen die Flüchtlinge raus aus den Sammelunterkünften. Die Frage, ob wir uns das leisten können und wollen, wird nicht in Köln entschieden, sondern im Kanzleramt.

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Nina Apin
Redakteurin Meinung
Jahrgang 1974, geboren in Wasserburg am Inn, schreibt seit 2005 für die taz über Kultur- und Gesellschaftsthemen. Von 2016 bis 2021 leitete sie das Meinungsressort der taz. 2020 erschien ihr Buch "Der ganz normale Missbrauch. Wie sich sexuelle Gewalt gegen Kinder bekämpfen lässt" im CH.Links Verlag.
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6 Kommentare

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  • Krass! Wenn sich das als wahr heraus stellt, dann ist das ganz schlimm für die betroffenen Frauen, und eine Schande für unseren Staat! Man muss sowas künftig unbedingt verhinddrn, etwa durch extra Frauen/Familienheime.

     

    Und hier? Hier streitet sich ein guter Teil der Kommentatoren. Die einen beten dafür, dass die Täter ja Ausländer oder wenigstens Deutsche mit Migrationshintergrund die Täter waren. Und die Anderen, die hoffen darauf, dass es ein Thorsten, ein Kevin und ein Wolfgang waren...

  • Cooler Text. So schön unaufgeregt und präzise. Zum Thema Unterbringung und Sicherheit für Schwache: Wollten wir wirklich, könnten wir.

  • Nicht nur Frauen und Kinder, auch Christen, Homosexuelle und andere" Ungläubige" sind in einer prekären Situation.

    Natürlich ist es wünschenswert, diese gefährdeten Gruppen von den anderen, meist moslemischen Asylbewerbern männlichen Geschlechts zu trennen und weibliches Security- Personal einzusetzen. Aber irgendwo stoßen wir mit unserer Infrastruktur und Personal an Grenzen. Bei der großen Anzahl an Asylbewerbern werden auf absehbare Zeit Massenunterkünfte als Unterbringung dienen müssen.

    Zu Köln: Im Moment laufen noch die Ermittliungen, deren Ergebnisse abzuwarten sind.

    • @Hans-Georg Breuer:

      und deshalb möchten Sie die "moslemischen Asylbewerbern männlichen Geschlechts" extra kasernieren lassen - oder wie ist Ihre einlassung zu verstehen?

  • Sicher ist: Geflüchtete Frauen (und Kinder) sind in einer prekären Situation. Sicher ist aber auch: Menschen in prekären Situationen haben einen Hang dazu, leichte Lösungen zu suchen und Wege zu beschreiten, die sie anderenfalls nicht gehen würden

     

    Ja, Menschen brauchen Signale. Auch das, dass die Polizei auf ihrer Seite ist und mit Entschiedenheit und Feingefühl ermittelt, wenn Unrecht geschieht. Betroffenen muss aber nicht nur klargemacht werden, dass eine Anzeige ihr Asylverfahren nicht gefährdet. Man muss ihnen auch erklären, dass nicht jede Anzeige gegen einen Mitflüchtling direkt in eine eigene Wohnung führt. Zumindest so lange nicht, wie es diese Wohnung noch nicht gibt. Wenn die Polizei einen Vergewaltiger aus der ehelichen Wohnung holt, bleibt das Opfer schließlich auch da wohnen. Das Recht des Staates auf Einmischung wäre sonst gar nicht zu rechtfertigen.

     

    Die "Mindeststandards" aber sind nicht nur eine Lösung sind, sondern auch ein Problem. Nicht die Flüchtlinge überfordern uns, sondern ihre standardgerechte Registrierung, Unterbringung, Versorgung und Beschäftigung. Deutschland war einfach nicht vorbereitet auf die Probleme, die aus der aktuellen "Politik" resultieren. Die Frage, ob es sich einen menschlichen Umgang mit den Flüchtlingen leisten will, ist bislang nicht entschieden worden. Schon gar nicht im Kanzleramt. Nun, wo die Probleme da sind, denkt man ganz offensichtlich nicht mal mehr darüber nach. Jetzt scheint die Stunde der Hysteriker geschlagen zu haben.

     

    Merke: Hoffnungen zu wecken, die womöglich nicht erfüllt werden, ist oft extrem kontraproduktiv. Noch kontraproduktiver ist es nur, Flüchtlinge gegen Flüchtlinge, Männer gegen Frauen und Bürger gegen Bürger auszuspielen. Viele Flüchtlinge sind ohnehin verunsichert. Sie haben zum Teil Schreckliches erlebt und große Illusionen gehabt. Sie nun zur Manövriermasse im innerdeutschen Ringen um die richtige Politik zu machen, ist schlicht unmenschlich.

    • @mowgli:

      aha.

      ein kommentar zum system lager ist also kontraproduktiv.

      ich empfehle mal nachfrage bei den flüchtlingsräten, seit wann+wie diese das system lager kritisieren.

      und dann könnte man noch in die archive steigen und nachlesen, welche kritik es in den 50-gern an den notaufnahmelagern gab....