Kommentar Verhältnis Türkei-USA: Das gegenseitige Misstrauen sitzt tief
Ein Bruch mit den USA wäre verheerend für die Türken. Aber weder Trump noch Erdoğan sind dafür bekannt, sich selbstkritisch zu hinterfragen.
E s scheint, dass mit der türkischen Reaktion auf die US-Sanktionen eine Abwärtsspirale in Gang gesetzt wurde, die bis zum Bruch der seit dem Zweiten Weltkrieg eng alliierten Länder gehen kann. Auch wenn das im Moment niemand will, könnte am Ende sogar ein Ausstieg der Türkei aus der Nato stehen, denn solche Krisen neigen dazu, eine Eigendynamik zu entwickeln, die ab einem bestimmten Punkt nur noch schwer zu stoppen ist.
Die Türkei, also vor allem die normale türkische Bevölkerung, müsste für eine harte Konfrontation mit den USA einen hohen Preis zahlen, denn der Bruch mit der Vormacht des Westens wäre ökonomisch verheerend. Die Türkei ist im Ausland hoch verschuldet, auch viele türkische Großunternehmen haben Dollarschulden bis in den Milliardenbereich angehäuft. Verliert die Lira immer weiter an Wert, sind die kaum noch zu bedienen, vor allem, wenn die USA weitere wirtschaftliche Sanktionen verhängen.
Ob die EU das auffangen kann, ob sie überhaupt bereit wäre, die Türkei in einer zukünftigen schweren Wirtschaftskrise zu unterstützen, ist fraglich, da ja auch das Verhältnis der EU zu Erdoğan nicht ganz unproblematisch ist, um es vorsichtig zu formulieren.
Aber es kann ja auch ganz anders kommen. Vielleicht lädt Trump Erdoğan demnächst zu einem Gipfel unter Männern ein, um die Probleme unter vier Augen aus der Welt zu schaffen. Bei Trump ist ja alles möglich. Und anders als beim nordkoreanischen Diktator Kim, dem russischen Präsidenten Putin oder gar dem iranischen Präsidenten Rohani wäre ein solches Gespräch auch nicht ganz aussichtslos.
Erdoğan möchte die Wirtschaftsbeziehungen ausdrücklich aus dem Konflikt heraushalten und Trump die Türkei als militärischen Partner nicht endgültig verlieren. Doch das gegenseitige Misstrauen sitzt tief. Und weder Trump noch Erdoğan sind dafür bekannt, ihre Politik selbstkritisch zu hinterfragen. Letztlich kann man bestenfalls darauf hoffen, dass die Abwärtsspirale sich etwas langsamer dreht.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Anschlag in Magdeburg
„Eine Schockstarre, die bis jetzt anhält“
Bundestagswahl 2025
Parteien sichern sich fairen Wahlkampf zu
Nach dem Anschlag in Magdeburg
Rechtsextreme instrumentalisieren Gedenken
Streit um Russland in der AfD
Chrupalla hat Ärger wegen Anti-Nato-Aussagen
Exklusiv: RAF-Verdächtiger Garweg
Meldung aus dem Untergrund
Bankkarten für Geflüchtete
Bezahlkarte – rassistisch oder smart?