piwik no script img

Kommentar Urteil gegen Eisleben-TäterMehr als Aggressionen

Christian Rath
Kommentar von Christian Rath

Nach dem brutalen rassistischen Angriff auf eine syrische Familie in Eisleben sind die Täter verurteilt worden. Aber der Richterspruch ist in Teilen inkonsequent.

Der Mitangeklagte Marcel H. bei Prozessbeginn in Halle. Bild: dpa

D as Urteil geht in Ordnung, die Begründung ist aber unbefriedigend. Zwei Jahre Jugendstrafe auf Bewährung erhält Eric S., der Haupttäter eines rassistischen Angriffs auf eine deutsch-syrische Familie auf dem Volksfest von Eisleben in Sachsen-Anhalt. Die älteren Mittäter müssen dagegen mehrere Jahre ins Gefängnis.

Die Brutalität der Täter gegen die friedliche syrische Familie warf die Frage auf, ob hier ein Mordversuch aus niedrigen Beweggründen vorliegt. Doch das Gericht hat nur wegen gefährlicher Körperverletzung verurteilt, um keine Aufhebung durch den Bundesgerichtshof zu riskieren. Diese Vorsicht ist akzeptabel. Selbst die Anwälte der betroffenen Familie haben den Tötungsvorsatz offen gelassen.

Auch die Bewährungsstrafe für den zur Tatzeit 19-jährigen Haupttäter ist im Ergebnis nachvollziehbar. Er war noch unreif, bei der Tat betrunken und bis dahin nicht vorbestraft. Als Bewährungsauflage muss er Sozialstunden verrichten und ein Antigewalttraining absolvieren, damit er künftig nicht mehr grundlos zuschlägt. Das trifft das Problem aber nicht richtig. S. hat nicht nur zugeschlagen, weil es ihm an Empathie mangelt, sondern weil er ein Rassist ist. Auf seiner Facebook-Seite zeigt er sich als Rechter, bei der Tat brüllte er ausländerfeindliche Parolen.

Dass solche Prügelattacken mehr sind als sinnlose Gewalt, nämlich ausgelebte rechtsextremistische Gesinnung, das hat das Gericht bei Ronny G., einem weiteren Angeklagten, durchaus deutlich gemacht. Das Urteil ist also nicht völlig entpolitisiert, eher etwas inkonsequent.

Deutliche Worte hätte man sich von den Richtern auch zur nachlässigen und verharmlosenden Ermittlungsarbeit nach der Tat gewünscht. Schließlich wird der Überfall von Eisleben nicht zuletzt deshalb in Erinnerung bleiben.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Christian Rath
Rechtspolitischer Korrespondent
Geboren 1965, Studium in Berlin und Freiburg, promovierter Jurist, Mitglied der Justizpressekonferenz Karlsruhe seit 1996 (zZt Vorstandsmitglied), Veröffentlichung: „Der Schiedsrichterstaat. Die Macht des Bundesverfassungsgerichts“ (2013).
Mehr zum Thema

8 Kommentare

 / 
  • G
    Gastname

    Harte Strafen alleine lösen das Problem nicht. Zwar ist es in der Tat widerwärtig, dass, während Andere wegen wiederholtem Schwarzfahren im Knast landen, ein Neo-Nazi, der bewusst den Tod seiner Opfer in Kauf nimmt, nun eine Bewährungsstrafe erhält...

    Doch auch durch lange Haftstrafen ändert sich nichts am Rassismus in Deutschland, denn dieser entspringt eben nicht am rechten Rand, sondern in der selbst ernannten "demokratischen Mitte", in der er es unglaublich leicht fällt, auch öffentlich rassistische, menschenverachtende Positionen zu vertreten. Die Spaltung der Lohnsklaven in vermeintliche "Deutsche" und "Ausländer", sowie das Propagieren des Konstruktes des Volkes und der Nation, dienen den Herrschenden dazu, von der wirklichen Ursache sozialer und wirtschaftlicher Probleme abzulenken, die sich eben nicht in Kriegsflüchtlingen (denen man u. U. auch noch Hartz4 zukommen lässt...Gott bewahre!), sondern dem kapitalistischen Wahnsinn finden lässt.

  • F
    Fell

    Die lasche Rechtsprechung in Fällen bei denen Menschen bewusst derart malträtiert werden dass sie sterben wundert mich seit dem Tod Jonny K`s überhautpt nicht mehr.

    Die Devise lautet wohl Täterschutz vor Opferschutz.

    Hier ist die Politik gefragt für Veränderungen in den Gesetzen zu sorgen, z.B. über Mindesstrafmaße für Totschläg oder Alkoholeinfluss als mildernde Umstände abzuschaffen, Erwachsenenstrafrecht ab 16 Jahren einführen, keine Boni mehr bei guter Führung und die eigentliche Tat in den Straffokus stellen statt deren Begleitumstände.

    Das zu ändern ist aber eher Aufgabe der Politik, weniger der Gerichte.

  • I
    Interpretator

    Nein, das Urteil ist nicht in Ordnung. Wenn jemand Menschen so brutal angreift, aus welchen Gründen auch immer, in welchem Zustand auch immmer, dann gehört er, in welchem Alter auch immer, ins Gefängnis. Das Urteil zeigt, dass die Strafgesetze in Deutschland ein Witz sind. Das führt letztlich, wie man bei Intensivstraftätern feststellen kann, zu einer Verhöhnung der Strafgesetze und der Opfer. Außerdem zu einem Vertrauensverlust in den Rechtsstaat. Im Interesse zukünftiger Opfer und einer friedlichen Gesellschaft muss es endlich eine Verschärfung der Strafen geben.

    • @Interpretator:

      Ich stimme Ihnen voll zu. Die versuchte Verschleppung der Anklageerhebung sollte allerdings noch zusätzlich viel deutslicher und nachhaltiger thematisiert werden.Offenbar sind die Menschen und Zeugen vor Ort von rechtemm Terror bedroht. Wie kann es sein, dass unser Staat das achselzuckend hinnimmt? Warum nimmt man solche Zeugen nicht in ein Zeugenschutzprogramm? Das wäre zwar sehr teuer, es wäre aber sein Geld wert.

  • Was bitte ist eine "deutsch syrische" Familie.Wird man mit der Einbürgerung Deutscher oder eben nur Deutscher zweiter Klasse mit dem Zusatz xxx-Deutscher? Wenn es etwa um "Kraftfahrzeug Mechaniker und Kraftfahrzeug Mechanikerinnen" geht, ist der politischen Korrektheit willen keine sprachliche Konstruktion zu kompliziert. Warum nennen Sie dann die eingebürgerte Familie nicht als eine deutsche mit syrischen Wurzeln? Ich bin selbst eingebürgert und ärgere mich immer wieder über diese sprachliche Stigmatisierung.

    • Z
      zenit
      @Zsolt:

      ...und drei Tage, drei Minuten, drei Sekunden, bevor du eingebürgert wurdest, warst du noch Ungar (um mal von deinem Username halbsaftige Rückschlüsse zu ziehen), und dann plötzlich nicht mehr? Nur so aus Interesse... weil mir (übrigens ebenfalls Migrant, aber das hat damit nichts zu tun) dieser ganze Schwarz-Weiss-Nationalquatsch ohnehin bis hier steht...

  • G
    gast

    Da handelt jemand zielgerichtet aus einer verfassungsfeindlichen Weltanschauung heraus und die Richter geben ihm gleich drei mal einen Bonus:

    1. weil er unreif ist (obwohl er volljährig ist)

    2. weil er betrunken war (damit wird alle Verantwortung abgegeben)

    3. weil er nicht vorbestraft ist (bisher noch nicht erwischt oder verurteilt wurde)

    Das Urteil ist nicht inkonsequent, es steht vielmehr in voller Übereinstimmung mit einer Rechtspflege, die sich auch bei schweren Gewalttaten vorrangig um die Belange des Täters kümmert. Die Opfer müssen sich ja von der Justiz verhöhnt vorkommen.

    • P
      paul
      @gast:

      Die Opfer haben sich lt. Pressemeldung zufrieden mit den angemessenen Urteilen gezeigt.

       

      Mir sind 4 Jahre zuwenig. Andererseits:Wie kommen diese Typen aus dem Knast? Auch nur ansatzweise geläutert? Wohl kaum.