Kommentar Unklare SPD-Politik: Entscheide dich mal, Schulz

Kurz vor dem Treffen mit der Union wirkt die SPD unmotiviert. Dabei ist es kein Gesetz, dass Sozis bei großen Kolaitionen verlieren müssen.

Schulz macht ein Victory-Zeichen

Da ist er, der Zickzack-Schulz Foto: dpa

Was will die SPD in der Großen Koalition? Eine Bürgerversicherung? Sinkende Mieten? Eine Abkehr vom deutschen Europa? – Die Sozialdemokraten ventilieren besonders seit dem Amtsantritt von Parteichef Martin Schulz viele Ideen, ziehen mal die eine, mal die andere hervor. Das letzte Beispiel dafür lieferte Schulz, als er auf dem SPD-Parteitag die Vereinigten Staaten von Europa forderte. Bis 2025 – wer nicht mitmacht, soll rausfliegen.

Das ist zunächst einmal das Gegenteil von Realpolitik, weil die EU dann ohne den Großteil Osteuropas auskommen müsste. Sozialdemokraten pflegen sich aber nicht für unrealistische Ideen zu verkämpfen, oft tun sie es ja nicht einmal für die realistischen. Dass die Vereinigten Staaten von Europa den Weg in den Koalitionsvertrag finden, ist schon deshalb auszuschließen, weil sie nicht in den Kernforderungen der SPD für die Verhandlungen mit der Union enthalten sind. Warum aber nahm die Idee dann in Schulz’ Parteitagsrede, in der es um die nächste Groko ging, einen so großen Raum ein?

In die Kernforderungen haben es dafür die Bürgerversicherung und eine bessere Mietpreisbremse geschafft. Beide waren aber kein zentraler Inhalt des Wahlkampfs. Die Mietpreisbremse fand sich nicht einmal in Schulz’ sogenanntem Zukunftsplan (zehn Punkte), und natürlich war sie auch nicht Bestandteil der Kernprojekte (vier), die Kandidat Schulz zwei Wochen vor der Wahl vorstellte. Warum sollte sie jetzt mehr als Verhandlungsmasse sein?

Schulz’ Vorgänger Sigmar Gabriel war für seinen Zickzack-Kurs berüchtigt, wenn er mal mit „Refugees welcome“-Button auftauchte, mal Merkels Flüchtlingspolitik rügte. Die SPD führte er 2013 aber mit klaren Forderungen wie dem Mindestlohn in die Koalitionsverhandlungen. Dass Sozialdemokraten nach Großen Koalitionen verlieren, ist kein Gesetz. Aber es ist wahrscheinlich, wenn WählerInnen nicht mehr wissen, welche Ideen die Schulz-SPD wirklich ernst meint und welche sie nur vor sich hin plappert.

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Von 2018 bis 2020 taz-Parlamentskorrespondent. Zuvor von 2013 bis 2018 Leiter der taz-Inlandsredaktion, von 2012 bis 2013 Redakteur im Meinungsressort. Studierte Politikwissenschaft in Berlin, danach Arbeit als freier Journalist für Zeitungen, Fachzeitschriften und Runkfunkanstalten, Pressesprecher eines Unternehmensverbands der Solarindustrie und Redakteur der Blätter für deutsche und internationale Politik.

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