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Kommentar Ukrainische InnenpolitikVerhöhnung der Opfer

Kommentar von Barbara Oertel

Die Ausfälle im ukrainischen Parlament häufen sich. Dieser erschreckende Mangel an politischer Kultur ist ein Signal nach innen und außen.

Weiß innenpolitisch auch nicht mehr weiter: Petro Poroschenko. Foto: Reuters

E s ist schon eine veritable Schmierenkomödie, die die politisch Verantwortlichen derzeit in der Ukraine aufführen. Um seiner Rücktrittsforderung Nachdruck zu verleihen, packt ein aufgebrachter Abgeordneter Ministerpräsident Arseni Jazenjuk im wahrsten Sinne des Wortes an den Eiern und versucht ihn aus dem Plenarsaal zu tragen.

Innenminister Arsen Awakow wirft nach dem Gouverneur von Odessa, Michail Saakaschwili, der der Regierung massive Korruption vorwirft, ein Glas Wasser und fordert ihn auf, „unser Land“ zu verlassen. Angesichts des Umstands, dass der mittlerweile eingebürgerte Saakaschwili georgischer Herkunft ist, ist diese Äußerung nicht anders als rassistisch zu bezeichnen.

Derartige Ausfälle lassen leider tief blicken. In immer noch sowjetisch tickende Hirne korrupter Politiker, die nur vorgeblich für demokratische Werte eintreten und am liebsten so weitermachen wollen wie die Machthaber vor ihnen.

Das ist eine Verhöhnung all derer, die in den Jahren 2013/14 wochenlang in Kiew auf dem Maidan für wirkliche Veränderungen protestierten und während der „Revolution der Würde“, die ebenjene Politiker so gern im Munde führen, ihr Leben riskierten. Und es ist ein Schlag ins Gesicht der Opfer des Krieges im Donbass, die wahrlich mit ganz anderen, nicht selten existenziellen, Problemen zu kämpfen haben. Dieser erschreckende Mangel an politischer Kultur ist jedoch nicht nur nach innen, sondern auch international ein fatales Signal und nicht dazu angetan, für die Regierung in Kiew zu werben.

Dieser Tage verhandelt der ukrainische Präsident Petro Poroschenko in Brüssel wieder einmal über den Start des Freihandelsabkommens und Visaerleichterungen mit Europa. Vielleicht sollten die Vertreter der Europäischen Union mit dem Herrn aus Kiew einmal Tacheles reden. Und möglichst auf den Ausschank von Getränken verzichten.

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Ressortleiterin Ausland
Geboren 1964, ist seit 1995 Osteuropa-Redakteurin der taz und seit 2011 eine der beiden Chefs der Auslandsredaktion. Sie hat Slawistik und Politikwissenschaft in Hamburg, Paris und St. Petersburg sowie Medien und interkulturelle Kommunikation in Frankfurt/Oder und Sofia studiert. Sie schreibt hin und wieder für das Journal von amnesty international. Bislang meidet sie Facebook und Twitter und weiß auch warum.
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11 Kommentare

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  • Tacheles Reden, Dann könnten die Ukrainer aber auch mit Tacheles antworten, auch die EU hat da ein paar Glaubwürdigkeitsprobleme, wenn sie sich jetzt aus lauter Verzweiflung über die Flüchtlinge der Türkei derart an den Hals wirft, dann kann Kiew guten Gewissens mit einem Antrag auf EU- Mitgliedschaft antworten. Andererseits sollte die EU vllcht trotzdem mehr Engagement in der Entwicklung der Ukraine zeigen statt nur Brosamen hinzuwerfen und neoliberale Reformen einzufordern, die nur auf Austerität hinauslaufen, so wird man auch nichts gewinnen. Man sollte auch was anbieten können, wenn man etwas einfordern will, es ist richtig ein nur beschränkt demokratisches Regime zu Änderungen dahingehend aufzufordern, aber es ist auch müßig darüber zu lamentieren und nur mit dem Zeigefinger zu schütteln und diesen Leuten vorzuwerfen dass sie so sind wie sie ihrer Herkunft gemäß nun mal sind. Das war bei uns auch mal so, damals nach 45, man hat natürlich die Nazizeit angeprangert, aber auch nicht zu moralinsauer auf den Werten herumgeritten, und gleichzeitig auch wirtschaftlich uns die Möglichkeit gegeben uns zu entwickeln (während man heute mit Krediten knebelt) --> so wurde Deutschland (West) schließlich Stück für Stück auf den rechten Pfad geführt. z.B wäre es angezeigt der ukrain. Wirtschaft so weit aufzuhelfen, dass aus dem Assoziationsabkommen auch etwas zu beiderseitigem Nutzen entstehen kann.

    • @ingrid werner:

      Was hat die EU denn außer Neoliberalisierung je anzubieten gehabt???

       

      Innerhalb der EU werden Staaten ausgebeutet wie z.B. Griechenland, andere weigern sich die geringste Humanität gegenüber Flüchtlingen zu zeigen.

       

      Und von so etwas erwarten Sie was?

       

      Man kann nur hoffen, dass diese EU kaputt geht und sich irgendwann mal eine wirkliche euopäische Gemeinschaft bilden wird.

    • @ingrid werner:

      "... z.B wäre es angezeigt der ukrain. Wirtschaft so weit aufzuhelfen, dass aus dem Assoziationsabkommen auch etwas zu beiderseitigem Nutzen entstehen kann."

      Scheint so , dass Sie (kapitalistisch-)wirtschaftlich keinen blassen Schimmer davon haben , was Sache ist . "Aufhelfen" kann die EU nicht mal sich selbst , ... in Rumänien über Ungarn bis Portugal et al . In der seit 2008/9 anhaltenden kapitalistischen Weltkrise der Überproduktion (bezogen auf die k a u f k r ä f t i g e Nachfrage) hatte und hat die Ukraine keine Produkte anzubieten , die auf dem Weltmarkt konkurrenfähig wären , und wird absehbar auch keine haben . Ohne den Druck der USA und deren geopolitisches Interesse an der Ukraine (Nato , Ausgrenzung Russlands) müßte die EU das Land wie eine heiße Kartoffel fallen lassen , und das nicht nur , weil es ein Kandidat als Dauerkostgänger wäre .

  • Bis heute besteht hinsichtlich der politischen und charakterlichen Qualität der Darsteller auf dem politischen Parkett der Ukraine in Deutschland ein weitgehendes Denk-, Rede- und Schreibverbot, das von den Grünen über Steinmeyer & Co. bis hin zu Merkel reicht, die ja sogar die Timoshenka gerne wieder in Amt und Würden gesetzt hätte, was aber selbst hartgesottenen Ukrainer*innen dann zu weit ging.

     

    Inzwischen scheint mir das Ziel der westlichen Wertegemeinschaft, die Ukraine zu destabilisieren und Zwietracht zu säen, Russland zu schaden und NATO-Vorposten gen Osten zu verschieben, vollumfänglich erreicht; ab jetzt überlässt man das Land seinem eigenen Schicksal und das kann dauern, siehe Jugoslawien-Bürgerkrieg und Nahost-Konflikte…

  • Schön, dass auch Frau Oertel endlich bemerkt hat, dass die „Revolution der Würde“ nur eine Gruppe korrupter Gauner gegen eine andere ausgetauscht hat. Wer von Anfang an gesagt hat, dass es genauso passieren wird, wurde allerdings immer wieder als Putintroll o.ä. diffamiert.

     

    Eins gilt es übrigens noch zu korrigieren.

     

    Die Aufforderung Awakows an Saakaschwili, „sein“ Land zu verlassen, hat nichts mit „sowjetisch tickenden“ Hirnen zu tun. In der Sowjetunion wäre Saakaschwili schließlich Inländer gewesen. Und rassistisch ist die Bemerkung auch kaum. Herr Saakaschwili ist kein Zuwanderer, sondern ein politischer Import, der sich auf dicken Posten in der Ukraine breit macht, während er in seiner Heimat wegen Korruption und Amtsmissbrauch gesucht wird. Daran ändert auch ein schnell verliehener Pass nichts.

    • @warum_denkt_keiner_nach?:

      Avakov ist laut Wikipedia armenischer Abstammung, in Baku geboren und hat anschließend den größten Teil seines Lebens in der Ukraine verbracht. Es geht hier viel mehr um "Post-Sowjet"-Denken als um Rassismus oder etwas anderes. Saakaschvili hat seinen georgischen Pass abgegeben und wurde vom Präsidenten als Gouverneur der Oblast Odessa bestimmt. Er genießt dort und in anderen Landesteilen sehr hohe Zustimmungswerte unter der Bevölkerung. Die Regierung nicht. Vor kurzem hat er mit seinem "Team" ein Büro in Kyiv eröffnet. D. h. in der Regierungskoalition geht die Angst um, bei vorgezogenen Wahlen von ihm aus dem Parlament gefegt zu werden. Eine Partei mit neuen, gut ausgebildeten Kandidaten, denen kein Korruptionsmief anhaftet, hätte er zu einer möglichen vorgezogenen Neuwahl schnell parat. Avakov fürchtet in diesem Fall sein Ministerium zu verlieren. "Post-Sowjet"-Denken streubt sich aber Machtverlust gegen Machtverlust.

    • @warum_denkt_keiner_nach?:

      Wenn es eine Gewissheit gibt, die alle Entwicklungen überstanden hat, dann ist es die: Putintrolle bleiben Putintrolle!

      • @ingrid werner:

        Und die "Demokratische Ukraine, an allem Schlechten dort ist Putin schuld"-Trolle bleiben die "Demokratische Ukraine, an allem Schlechten dort ist Putin schuld"-Trolle!

  • Es ist nützlich, sich daran zu erinnern, dass der Ursprung der separatistischen Bewegung in der Ostukraine in der Ablehnung eben dieser schmierenkomödiantischen Clique und deren Politik u.a. gegenüber der russischstämmigen Bevölkerungsteile wurzelte. Letztendlich führte ja dann die voreilige Unterstützung solcher korrupten und machtversessenen Amateure durch den Westen zu Entwicklungen, welche heute drohen, die Ukraine zu zerreißen.

    Damit spreche ich nicht dem momentanen Bürgerkrieg und russischer Einmischung das Wort.

    Doch es ist m.E. an der Zeit, die aktuelle Position zur Ukraine kritisch zu prüfen und die Damen und Herren Machtinhaber zur Raison zu bringen. Mittel und Möglichkeiten haben wir dafür.

  • und für diese Oligarchen-"Demokratie" haben die westeuropäischen Staaten einen Handelskrieg ( Sanktionen ) mit Russland angefangen. Dies schadet unsere Wirtschaft in vielen Bereichen ( Maschinenbau, Landwirtschaft u.s.w.)...,

    • 3G
      30404 (Profil gelöscht)
      @tomas:

      haben wir nicht. Die Gründe für die Handelssanktionen liegen in der russischen Krim Annexion sowie der russischen Unterstützung der Separatisten und nicht in der ukrainischen Innenpolitik. Ist doch nicht schwer zu verstehen.