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Kommentar Ukraine-FriedensinitiativeWas sonst noch auf dem Spiel steht

Rudolf Balmer
Kommentar von Rudolf Balmer

Das Duo Merkel-Hollande will Frieden in der Ukraine stiften. Bei ihren diplomatischen Bemühungen geht es aber auch um die außenpolitische Macht der EU.

Haben noch anderes im Hinterkopf als nur den Frieden: Merkel und Hollande. Bild: ap

P ARIS taz Es geht um Krieg oder Frieden – oder sogar darum, den „totalen Krieg zu verhindern“, steht auf der Titelseite von Le Monde. Es fehlt nicht an Dramatik bei dieser diplomatischen Offensive des europäischen Duos Merkel-Hollande, um die Eskalation der Gewalt in der Ukraine zu stoppen. Der französische Staatspräsident selber hatte in seinem Bemühen, Frankreichs außenpolitische Rolle und Bedeutung an der Seite der deutschen Partner aufzuwerten, am Donnerstag bei seiner Halbjahrespressekonferenz diese deutsch-französische Initiative angekündigt und erklärt: „In wenigen Monaten hat sich ein Streit in einen Konflikt und dann in einen Krieg verwandelt. Jetzt stehen wir vor einem Krieg, der vielleicht ein totaler Krieg werden könnte.“

Wer aber einen Vermittlungsversuch angesichts einer höchst beunruhigenden Zuspitzung bereits als letzte Chance vor dem Chaos oder einem dritten Weltkrieg darstellt, schließt die Perspektive eines Scheiterns aus und bringt sich selbst in einen totalen Erfolgszwang. Ob damit die Konfliktparteien und namentlich der russische Staatschef Wladimir Putin zur Konzession bewegt werden können, bleibt nach den Diskussionen von Merkel und Hollande in Kiew und Moskau fraglich.

Ihre Dramatisierung entspricht vor allem der Sicht der europäischen Nachbarn. Sie haben außer ihrer Angst vor einem sich ausweitenden Krieg an der Grenze der EU und einer Neuauflage der (bereits zu Makular gewordenen) Vereinbarungen von Minsk als Ausweg nichts mitgebracht, um dem Blutvergießen Einhalt zu gebieten. Wenn Hollande im Anschluss die Gespräche nur gerade „konstruktiv“ nennt und auf die telefonische Fortsetzung der Diskussionen verweist, stimmt dies nicht sehr optimistisch.

Auf dem Spiel steht bei dieser Friedensoffensive auch die außenpolitische Macht der EU, auf die gerade Hollande bei diesem Konflikt in der Ukraine pocht. Es wäre eine Diskreditierung der europäischen Diplomatie oder gar ein Eingeständnis des „totalen“ Scheiterns, wenn die EU die Vermittlungen den USA überlassen müssten.

Merkel und Hollande kamen mit ihrer überraschenden Visite als Friedenstifter dem amerikanischen Außenminister John Kerry und den erwarteten Vorschlägen der US-Regierung an der Münchner Sicherheitskonferenz zuvor. Es geht dabei nicht bloß um eine Rivalität, sondern um wesentliche geostrategische Unterschiede. Hollande hat deutlich gesagt, dass für ihn (heute) die Ukraine nicht in die Nato gehört. In Paris und Berlin befürchtet man, dass die amerikanische Position Putin in seiner Unterstützung der Separatisten und die ukrainische Regierung in einer unnachgiebigen Haltung bestärken könnte.

Jetzt wird man sehen, was dieses Mal die Unterschrift unter ein Waffenstillstandsabkommen oder eine friedliche Einigung wert ist. Davon hängt die Glaubwürdigkeit der EU und die Autorität ihrer beiden Emissäre ab. Für sein entschiedenes Auftreten an der Seite von Merkel hat man Hollande in seinem Land bereits lobend das Format eines Staatsmanns zuerkannt. Er hat – wie schon in Mali und Zentralafrika – gehandelt, als die anderen noch zögerlich am „Werweißen“ waren. Diese Wertschätzung ist verdient, aber nur von innenpolitischer Bedeutung. Denn mit Vorschusslorbeeren ist kein Krieg zu gewinnen oder zu beenden.

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Rudolf Balmer
Auslandskorrespondent Frankreich
Frankreich-Korrespondent der taz seit 2009, schreibt aus Paris über Politik, Wirtschaft, Umweltfragen und Gesellschaft. Gelegentlich auch für „Die Presse“ (Wien) und die „Neue Zürcher Zeitung“.
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7 Kommentare

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  • Hoho... einerseits die neohistorische Kultur von USA Revolver (wildwest) und Militärmachtdiplomatie, und deren expansive Rechtsauffassung...

    Andererseits das diplomatisch friedliche Lager der EU, FR und BRD..

    Zum Dritten das von USA/NATO ( Frau Nuland & Co.) entzündete Macht/Hass/Angst Szenario der in Bruderkrieg versinkenden Ukraine..

    Zum Vierten die eigentlich auf Selbsterhaltung fixierte Haltung Russlands...

    Frieden ist Wunsch und Vision von allen hier genannten!

    Es gilt eigentlich `nur´ das die genannten ihre dogmatisch/arroganten Rechtsauffassungen im Namen von Frieden und Kooperation ihrer Interessen überwinden! Eine Wiedervereinigung von West und Ostukraine ist zzt offensichtlich unmöglich. Die Krim ist wieder russisch. Es gilt, friedlich und konstruktiv weiterzukommen! Die Grenzen der einstigen Ukraine haben sich verschoben, na und? In den anstehenden Möglichkeiten friedlicher Kooperation zwischen EU und der Eurasischen Union sind nationale Grenzen relativ unbedeutend!

    Frieden und Zusammenarbeit, zwischen EU und Eurasischer Union bedarf Einmischung der USA und der NATO Falken nicht!

    • @vergessene Liebe:

      Der Besuch Herrn Putins in Moskau, von frz. Herrn Hollande und Frau Merkel hat eine unübersehbare positive, ästhetische Dimension!

      Herr Hollande und Frau Merkel, als um den europäischen Frieden besorgte Staatsoberhäupter, zeigten Respekt und Anerkenntnis, und (zumindest) emphatischen Willen, die Logik der russischen zivilen, globalen, friedlichen Rechtsauffassung und Mentalität zu erfahren/zu verstehen !

      --------------

      Frau/Mann, hier in der EU, kann so, zumindest, von einer Annäherung im Ästhetischen Rahmen, zwischen dem Ideenhimmel Russlands und dem der EU reden ! Die Hoffnung liegt darin, das das Ästhetische Gefühl des "SchönenGutenWahren" sich als der Sieger über die Differenzen der `kalten rationalen Vernunft´ von Kriegslogik erhebt! (siehe Novalis, Kant, Hegel...)

  • Meine Freundin in Kiew berichtet mir von der Situation. Die Ukrainer wuenschen sich eine Westanbindung. Wundert mich auch nicht bei der russischen Justiz und Politik. 99% der Tschetschenen haben angeblich Putin gewaehlt und Schwule werden ausgegrenzt. Dann gibt es den Fall Pussy Riot und kuerzlich de festgenommene russische Hausfrau, die sich wunderte, dass die Kaserne gegenueber im leerer wurde.

  • Wo kommen wir denn hin, wenn wir nicht die Demokratie verteidigen, ob im Irak, in Afghanistan, in der Ukraine? Wir sind doch die Guten, Pudel der USA, die schon vor denen wissen, was Sache ist. Wenn eine Regierung die eigene Bevölkerung bombardiert, dann gehört sie bestraft mit Wirtschaftssanktionen und selber bombardiert, wie Syrien. Und wenn eine Clique von Oligarchen Öl klaut und nicht bezahlt, dann kann das in einer marktkonformen Demokratie nicht hingenommen werden, also muss man die Ukraine isolieren, bis sie Europa nicht mehr in den großen Krieg hineinzerren will und sich an demokratische Regeln hält, vor allem aber muss verhindert werde, dass diese Clique sich am Krieg bereichert, wobei das Volk noch ärmer wird. - Oder sind so viele Jahre Frieden in Europa langsam unerträglich? Das Volk sollte man da besser nicht fragen, das reagiert unvernünftig, wie in Griechenland.

  • Die USA baden den Konflikt nicht aus, sie profitieren davon. Ihre Leute (u.a. der Sohnemann vom Vize) sitzen schon in den Vorständen von ukrainischen Öl- und Gasfirmen http://www.tagesschau.de/ausland/biden-ukraine100.html. Und wenn das nichts wird, dann eben wie Irak, failed state, machs noch einmal, Sam.

     

    USA handelt weiter ganz normal mit russischen Firmen, von Sanktionen ist USA nicht betroffen, Europa schon.

     

    Nur die EU lässt sich mal wieder vor den Karren spannen. Haben wir nix besseres zu tun, als mit der Ukraine für die Amis Kuba-Krise zu spielen?

  • "...wenn die EU die Vermittlungen den USA überlassen müssten."

     

    Die USA wollen aber nicht vermitteln. Man setzt auf Krieg. Erst heute hat er US General, dem die NATO in Europa untersteht, erklärt, dass alle Optionen außer Bodentruppen auf dem Tisch liegen. Es scheint, als erwägen diese Wahnsinnigen wirklich Luftschläge.

  • Man muss sehen, dass keineswegs nur zu geringe Zugeständnisse von Putin einen Kompromiss verhindern können, im Gegenteil: Sowohl seitens der "Falken" in den USA als auch ihrer Vasallen in der Ukraine besteht ein großes Interesse am Scheitern eines Waffenstillstands. Ebenso wie übrigens die pro-russischen Paramilitärs des Donbass, haben auch die rechtsextremen und ultranationalistischen Paramilitärs der Ukraine sowie Teile der ukrainischen Regierung ein ausgeprägtes Interesse an einer Fortführung des Krieges, auf dem ihre Macht und ihre Ressourcen beruhen. Für die USA ermöglicht die Fortführung des Krieges eine erneute Hegemonie über Europa.