Kommentar USA fordern Waffenruhe: Illusion und Verdrängung
Für die Wiederherstellung der Waffenruhe in Syrien müssen sich die USA und Russland in einer zentralen Frage einigen. Aber das passiert nicht.
U S-Außenminister John Kerry wäre statt nach Genf besser nach Moskau gereist. Denn für eine Wiederherstellung der Waffenruhe in Syrien, zumindest zwischen Regierungsstreitkräften und diversen Oppositionsmilizen, müssen sich Russland und die USA endlich in einer zentralen Frage einigen: Sind die beiden militärisch stärksten islamistischen Gruppen auf dem syrischen Schlachtfeld wegen ihrer engen ideologischen und operativen Verbindung zum syrischen Al-Qaida-Ableger Al-Nusra-Front „Terroristen“, die wie al-Nusra selbst weiterhin militärisch bekämpft werden dürfen?
Oder sind diese beiden Gruppen legitimer Teil der syrischen Opposition, die auch weiterhin die gemeinsame Oppositionsdelegation am Genfer UNO-Verhandlungstisch anführen dürfen? Diese Streitfrage wurde bei der Vereinbarung des „Friedensplans“ für Syrien ebenso durch einen Formelkompromiss ausgeklammert beziehungsweise vertagt. Auch die Frage nach der künftigen Rolle des syrischen Präsidenten Assad, ohne deren Klärung es keine Wiederaufnahme der Genfer Gespräche mit Aussicht auf Erfolg geben wird.
Doch selbst wenn Moskau und Washington in diesen beiden Fragen eine gemeinsame Position finden und diese dann auch gegenüber ihren jeweiligen regionalen und innersyrischen Verbündeten durchsetzen können, bleibt als großer Unsicherheitsfaktor eine dritte Illusion des „Friedensplans“: die Idee einer „landesweiten“ (Kerry) Waffenruhe bei gleichzeitiger Kriegsführung gegen den IS und die Al-Nusra-Front, die zusammen über 50 Prozent des syrischen Territoriums kontrollieren.
Beide Gruppen haben in den letzten Wochen durch ihre militärischen Angriffe auf von anderen Kriegsakteuren kontrollierte Gebiete zum Scheitern der Waffenruhe beigetragen. Ließe sich auch mit diesen beiden Gruppen eine Waffenruhe vereinbaren? Diese Frage – bislang noch ein Tabu – stellt sich immer dringender.
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