Kommentar UNO-Syrienresolution: Die mühsam errungene Illusion
Der UNO-Sicherheitsrat hat eine Syrienresolution verabschiedet. Die ist aber vor allem ein Versuch, das Gesicht zu wahren – und der misslingt.
D ie am Montag verabschiedete Syrienresolution des UNO-Sicherheitsrates, Beobachter ins weitgehend zerstörte und menschenleere Ost-Aleppo zu entsenden, ist vor allem eines: der Versuch seiner fünf ständigen, vetoberechtigten Mitglieder, in letzter Sekunde das Gesicht zu wahren.
Russland gemeinsam mit China auf einer Seite, die USA, unterstützt von Frankreich und Großbritannien, auf der anderen Seite: Sie haben mit ihren egoistischen konträren Interessen dafür gesorgt, dass das höchste Gremium der Weltorganisation seine „primäre Verantwortung für die Bewahrung und Wiederherstellung des Friedens und der internationalen Sicherheit“ – so steht es in der UNO-Charta – im Syrienkonflikt fünf elend lange Jahre nicht wahrnehmen konnte.
Der Versuch, das Gesicht zu wahren, ist allerdings misslungen. Das gilt vor allem für die Regierung Putin nach den brutalen Luftangriffen der letzten 14 Monate auf militärische wie zivile Ziele in Aleppo. Aber auch die Obama-Administration hat durch ihre langjährige Unterstützung islamistischer, zum Teil mit der Terrororganisation al-Qaida verbundener Oppositionsmilizen in Syrien zur Fortsetzung und Eskalation dieses fürchterlichen, opferreichen Bürgerkriegs beigetragen. China, Frankreich und Großbritannien haben keinerlei Versuch zur Beendigung dieses Krieges unternommen.
Völlig unsicher ist, ob diese Resolution tatsächlich zur baldigen Entsendung von Beobachtern nach Aleppo führt. Ebenso, ob sie irgendeine praktische positive Auswirkung haben wird, wie die sichere Evakuierung und die humanitäre Versorgung von Zivilisten in Aleppo – oder ihren Schutz vor gewaltsamen Übergriffen. Die von Russland und Frankreich vereinbarten Kompromissformulierungen bieten den daran interessierten Konfliktparteien zahlreiche Möglichkeiten, ihre Umsetzung zu erschweren, zu verzögern oder gar ganz zu verhindern.
Die Hoffnung des französischen UNO-Botschafters, die Verabschiedung dieser Resolution erhöhe die Chancen für einen umfassenden Waffenstillstand in Syrien, dürfte sich als Illusion erweisen. Viel wahrscheinlicher ist, dass – vielleicht nach einer kurzen Anstandspause über Weihnachten – der Krieg in der Provinz Idlib, in die jetzt viele aus Ost-Aleppo evakuierte Menschen verfrachtet wurden, in voller Brutalität fortgesetzt wird.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
MLPD droht Nichtzulassung zur Wahl
Scheitert der „echte Sozialismus“ am Parteiengesetz?
Fake News liegen im Trend
Lügen mutiert zur Machtstrategie Nummer eins
Prozess zu Polizeigewalt in Dortmund
Freisprüche für die Polizei im Fall Mouhamed Dramé
Proteste in Georgien
Wir brauchen keine Ratschläge aus dem Westen
Mord an UnitedHealthcare-CEO in New York
Mörder-Model Mangione
Förderung von E-Mobilität
Habeck plant Hilfspaket mit 1.000 Euro Ladestromguthaben