Kommentar Trump beim Nato-Gipfel: Er will doch nur dealen
Sich über Trump aufzuregen, ist nicht neu und kaum zielführend. Tatsächlich könnten die Nato-Mitglieder aus seinem Besuch etwas lernen.
M al ehrlich: Eigentlich haben doch alle nur darauf gewartet, dass Donald Trump einen Eklat provoziert. Ein Besuch im „Höllenloch“ Brüssel, noch dazu bei der ungeliebten EU und der „obsoleten“ Nato, konnte doch nur mit neuen Provokationen und Misstönen enden.
Deshalb ist die Aufregung, mit der nun echte oder vermeintliche Trump-Zitate aus Brüssel enthüllt werden, reichlich übertrieben. Dass er Deutschland „böse, sehr böse“ nennt oder die Nato-Mitglieder wie kleine Schuljungen und -mädchen zusammenstaucht, ist keine Überraschung.
Eine Überraschung ist vielmehr, dass die Europäer diesem US-Präsidenten den roten Teppich ausrollen. War es wirklich nötig, dass die gesamte EU-Führungsriege für Trump Spalier steht? Nein, es war nicht nötig. Ein kurzer Handshake eines EU-Politikers hätte völlig gereicht.
Eine Überraschung ist auch, dass die Europäer immer noch nicht auf Trumps Provokationen vorbereitet sind. Hat man denn wirklich geglaubt, nach dem Besuch von Kanzlerin Angela Merkel in Washington sei die Welt wieder in Ordnung? Das wäre nicht nur naiv, sondern fahrlässig.
Merkel als Zielscheibe der Attacken
Denn schon Merkel hat sich getäuscht. Diesem Präsidenten ist nicht mit gutem Zureden, viel Geduld und pädagogischen Übungen beizukommen. Wer versucht, ihm die EU zu erklären, der hat schon verloren. Trump will keine Erklärungen, er will einen Deal. Und zwar bald.
Das ist die eigentliche Lehre aus dem missglückten Besuch in Brüssel. Die neue US-Administration geht beim Handel, bei der Rüstung und in der Klimapolitik auf Konfrontationskurs. Sie zögert vielleicht noch bei der Wahl der Mittel. Doch in Washington braut sich etwas zusammen.
Vor allem für Merkel heißt das nichts Gutes. Denn sie war die eigentliche Zielscheibe der Brüsseler Attacken. Trumps Standpauke zu den angeblich zu niedrigen Nato-Beiträgen und seine Klage über die „bösen“ Exporte zielte vor allem auf Deutschland und seine Kanzlerin.
Aus „Trump“ lernen?
Das ist ärgerlich, aber kein Grund, Merkel zu bedauern. Die CDU-Chefin hat es versäumt, den Falken in der Nato etwas entgegenzusetzen, die seit Jahren für Aufrüstung trommeln. Trump trommelt am lautesten, doch das Wettrüsten ging schon unter Merkels Liebling Barack Obama los.
Merkel hat es zudem versäumt, die völlig einseitige Export-Orientierung der deutschen Wirtschaft zu korrigieren. Statt heimische Investitionen und die Binnennachfrage zu fördern, setzt sie auf die totale Liberalisierung, bis in den letzten Winkel dieser Welt.
Das kann nicht gut gehen, auch nicht für Europa. Deshalb ist es fatal, dass die EU-Politiker nichts Besseres zu tun haben, als sich über Trumps Provokationen aufzuregen. Sie sollten sich an die eigene Nase fassen und eine andere Sicherheits- und Wirtschaftspolitik formulieren. Dann hätte Trump in Brüssel doch noch etwas Positives bewirkt.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Greenpeace-Mitarbeiter über Aufrüstung
„Das 2-Prozent-Ziel ist willkürlich gesetzt“
Keith Kelloggs Wege aus dem Krieg
Immer für eine Überraschung gut
Rechtspopulistinnen in Europa
Rechts, weiblich, erfolgreich
Rauchverbot in der Europäischen Union
Die EU qualmt weiter
Antisemitismus in Berlin
Höchststand gemessen
Ampel-Intrige der FDP
Jetzt reicht es sogar Strack-Zimmermann