Kommentar Terrorwarnung in München: Den Bahnhof sperren und weiterfeiern

Die Bilder von Antiterroreinheiten liefern der CSU Stoff: Müssen wir die Grenze für Menschen mit ungeklärter Identität schließen? Nein.

Konfetti liegt in der Pfütze

Regenwetter und Feuerwerkreste auf Münchens Straßen. Foto: dpa

Das klingt nach Chaos: Die Münchner Polizei erhält Namen potenzieller Attentäter, tippt sie in den Computer ein und findet – nichts. Ob sich die Terroristen in Deutschland aufhalten oder nicht, ob sie jemals hier waren oder vielleicht gar nicht existieren, kann sie nicht sagen.

Für die CSU ist das eine gute Nachricht. Auf der Tagesordnung ihrer Klausur in Wildbad Kreuth in der kommenden Woche steht ohnehin ein Hardliner-Beschluss: Flüchtlinge ohne gültige Papiere will sie nicht mehr über die Grenze reinlassen. Die Bilder von Anti-Terror-Einheiten am Münchner Hauptbahnhof liefern Seehofer und Co nun zusätzliche Munition: Warnen sie nicht seit Wochen, dass sich Terroristen unter die Flüchtlinge mischen könnten? Brauchen wir keinen besseren Überblick über Iraker und Syrer in Deutschland? Müssen wir die Grenze für Menschen mit ungeklärter Identität nicht endlich dicht machen?

Nun, eigentlich nicht.

Erstens reisen Terroristen nicht zwingend ohne Dokumente. Vor Weihnachten meldeten die Behörden, dass der IS syrische Blanko-Pässe erbeutet habe. Wenn er will, kann er seine Leute also mit perfekt gefälschten Papieren nach Europa schicken. Dass potenzielle Attentäter über die Grenze kommen, kann die CSU mit ihrem Vorschlag nicht verhindern.

Ein Fehlalarm?

Zweitens geben sich Terroristen nicht zwingend als Flüchtlinge aus. Die meisten der Attentäter von Paris waren französische und belgische Staatsbürger. Dass Deutsche in Deutschland Anschläge verüben, kann die CSU mit ihrem Vorschlag ebenfalls nicht verhindern.

Drittens, und das nur zur Erinnerung: In München ist nichts passiert. Es ist gut möglich, dass die Polizei durch ihren Einsatz einen Anschlag verhinderte. Es ist aber ebenso gut möglich, dass die Behörden auf einen Fehlalarm hereingefallen sind.

Als Anlass, das Asylrecht weiter zu verschärfen, taugt die Münchner Silvesternacht also nicht. Eher als Vorbild für besonnene Routine in Zeiten der terroristischen Bedrohung: den Bahnhof sperren und trotzdem weiterfeiern, gut aufpassen und trotzdem nicht auf die Kreuther Schaumschläger hereinfallen.

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Geboren 1988, arbeitet seit 2013 für die taz. Schreibt als Parlamentskorrespondent unter anderem über die Grünen, deutsche Außenpolitik und militärische Themen. Leitete zuvor das Inlandsressort.

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