Kommentar Syrien-Politik: Europas Ohnmacht

Zum Thema Syrien haben Bundesregierung und EU ihre Außenpolitik eingestellt. Starke Antworten werden gefordert, doch getan wird nichts.

Wie weiter mit Syrien? Bei Treffen der EU-Außenminister in Vilnius fehlten die Ideen Bild: dpa

Es ist ein bisschen wie das Pfeifen im Walde. Aus Angst, schon wieder als weltpolitische Lusche verspottet zu werden, hat sich die Europäische Union in eigenen Worten auf eine „klare und starke Antwort“ auf den Giftgaseinsatz in Syrien verständigt. Und die Bundeskanzlerin spricht von einem „Signal von unschätzbarer Bedeutung“.

Die hehren Worte suggerieren, dass die Europäer in einer der schwierigsten außenpolitischen Fragen Kompetenz und Entscheidungskraft bewiesen hätten. Doch das Selbstlob stinkt. Und zwar bis zum Himmel.

Im Klartext: Passieren wird nichts. Nicht vonseiten der Europäischen Union und schon gar nicht vonseiten der Bundesrepublik Deutschland. Die hat ihre Außenpolitik längst eingestellt. Die lächerliche Haltung der deutschen Regierung, die Syrien-Erklärung des G-20-Gipfels, die ja auch nur nebulös eine „starke internationale Antwort“ gefordert hatte, erst zu unterschreiben, wenn auch die anderen EU-Staaten dafür sind, ist an Peinlichkeit kaum zu überbieten. Deutschland betreibt eine Pinscherpolitik und zieht den Schwanz ein, wenn Führung gefragt ist.

Klopft man die Qualität dieser – in der Tat gemeinsamen – Antwort auf ihre praktischen Konsequenzen ab, dann bleibt de facto nur heiße Luft. Die so gern beschworene Gemeinsamkeit der EU erschöpft sich nämlich darin, zu sagen, dass ein solcher Giftgaseinsatz „in keiner Weise von der internationalen Gemeinschaft toleriert werden“ darf. Und jetzt?

Angst vor den Folgen einer Intervention

Die USA und Frankreich befürworten einen Militärschlag gegen Syrien. Frankreich will weiterhin die Vertreibung Assads von der Macht. Die USA wissen nicht, ob sie das wollen sollen. Großbritannien hat sich bekanntlich selbst aus dem Spiel genommen. Die anderen europäischen Staaten wissen nur, dass sie in keinen militärischen Einsatz hineingezogen werden wollen. Sonst nichts.

Selbst wenn endgültige Beweise auf dem Tisch lägen, dass das Giftgas nur vom Assad-Regime zum Einsatz gebracht worden sein kann, wäre die Konsequenz gleich null. Es scheint die feste Überzeugung der meisten Staatenlenker dieser Welt zu sein, dass es besser ist, der Bürgerkrieg geht in Syrien weiter, als dass es eine Eskalation gibt, deren Folgen völlig unabsehbar sind.

Diese Wahrheit auszusprechen, fehlt Europas Politikern aber der Mut, weil sie dann ihre Ohnmacht und ihr Versagen eingestehen müssten.

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61, ist Redakteur im Ausland und gelegentlich Chef vom Dienst. Er arbeitet seit 1995 bei der taz, für die er schon in den 80iger Jahren geschrieben hat. Derzeit ist er zuständig für die Europäische Union und Westeuropa. Vor seiner langjährigen Tätigkeit als Blattmacher und Titelredakteur war Georg Baltissen Korrespondent in Jerusalem. Noch heute arbeitet er deshalb als Reisebegleiter für die taz-Reisen in die Palästinensische Zivilgesellschaft. In den 90iger Jahren berichtete er zudem von den Demonstrationen der Zajedno-Opposition in Belgrad. Er gehörte zur ersten Gruppe von Journalisten, die nach dem Massaker von 1995 Srebrenica besuchte.

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