Kommentar Sündenbock Rote Flora: Ein Aktionsplan, der mieft
Bislang hat Hamburg die Rote Flora geduldet. Doch nach G20 will die SPD dem autonomen Zentrum die Schuld in die Schuhe schieben.
Olaf Scholz und seine SPD versuchen in durchsichtiger Weise, die eigene Verantwortung für die aus dem Ruder gelaufenen Ausschreitungen während des G20-Gipfels auf die Rote Flora abzuwälzen. Das ist für eine regierende Partei nicht nur ausgesprochen peinlich.
Ist es doch die SPD, die in Hamburg die Zügel in der Hand hat – und von der man daher auch erwarten sollte, dass sie ein Mindestmaß an Verantwortung übernimmt. Aber weit gefehlt. Im entscheidenden Moment, in dem alle eine Aufarbeitung des Geschehens erwarten, erweisen sich die Sozis um Scholz als ausgewiesene Drückeberger.
Ausgerechnet die Rote Flora soll nun herhalten, deren inoffizieller Sprecher Andreas Blechschmidt sich noch in der Nacht der Ausschreitungen – ketzerisch ausgedrückt – in vollen Problembewusstsein über die brenzlige Situation in einer Art vorauseilendem Gehorsam vor die Kameras gestellt hatte, um sich von den Randalierern zu distanzieren. In diesem Augenblick hat der Mann ganz offenkundig Verantwortung übernommen – für eine Situation, über die man im Nachgang viel streiten kann.
Streiten kann man über diese Frage: War es die Rote Flora mit der Vorabenddemo, die wohlgemerkt im Zeichen der Polizeigewalt stand, oder waren es vielleicht doch eher Angela Merkel und Olaf Scholz, die das militante Publikum angelockt haben, indem sie den Gipfel der Autokraten und Demokraten hierhergeholt haben?
Richtig, solche Schuldzuweisungen bringen uns nicht weiter, sie zeigen nur, auf welcher platten Ebene die Diskussion läuft. Ebenso wenig wie die Forderung der CDU-Fraktion nach einem Rücktritt von Olaf Scholz der Wahrheitsfindung dient. Analog dazu tritt die SPD nach links und fordert sozusagen den Rücktritt der Roten Flora. Aber mindestens will sie das autonome besetzte Stadtteilzentrum, das sie noch 2014 in städtischen Besitz überführt hat, ordentlich an die Kandare nehmen.
Das Ganze nennt sie dann Aktionsplan. Aus diesem trieft leider nur blinder Aktionismus, der wenig auf geprüften Tatsachen, aber reichlich auf der kruden Annahme einer Gesinnungshaftung basiert.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Lohneinbußen für Volkswagen-Manager
Der Witz des VW-Vorstands
Deutungskampf nach Magdeburg
„Es wird versucht, das komplett zu leugnen“
Rechte Gewalt in Görlitz
Mutmaßliche Neonazis greifen linke Aktivist*innen an
Polizeigewalt gegen Geflüchtete
An der Hamburger Hafenkante sitzt die Dienstwaffe locker
Gedenken an den Magdeburger Anschlag
Trauer und Anspannung
Anschlag in Magdeburg
Vorsicht mit psychopathologischen Deutungen