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Kommentar Streit bei den PalästinensernAbbas setzt Hamas unter Druck

Der Wiederaufbau im Gaza-Streifen wird teuer. Geld wird es nur geben, wenn Palästinerpräsident Abbas dort auch als Regierungschef anerkannt wird.

Zerstörte Moschee in Beit Hanoun, im Norden des Gaza-Streifens. Bild: ap

Palästinenserpräsident Mahmud Abbas sprach Klartext: Wenn die islamistische Hamas weiter an einer Einheitsregierung der Palästinenser beteiligt sein wolle, dann müsse sie ihre Haltung grundlegend ändern und aufhören, im Gazastreifen eine Schattenregierung mit 27 Vizeministern zu betreiben, die die Autorität der Zentralregierung untergrabe.

Nach sieben Jahren des tiefen Zerwürfnisses zwischen Hamas und der von Abbas geführten PLO und Fatah war die Bildung dieser Einheitsregierung am 2. Juni ein erster Schritt zu eine Versöhnung, auch wenn die Hamas selbst nicht am Kabinett beteiligt ist.

Ihre Zustimmung allein aber reichte Israel, die Gespräche mit Abbas abzubrechen, und sie war wohl ein Grund mehr für die beispiellose Gewalt während des 50-Tage-Krieges in Gaza.

Hamas hat zwar den angeblichen Sieg in diesem Krieg gefeiert, aber die Einschätzung von Abbas ist realistischer: 15 Jahre dürfte der Wiederaufbau dauern. Und Milliarden kosten. Geld, das die Hamas nicht aufbringen kann, sondern nur er – Abbas – als Vertreter einer Regierung, die im Gegensatz zu Hamas zu Kompromiss und Frieden mit Israel bereit ist.

Um diese Rolle zu übernehmen, muss die Zentralregierung aber auch in Gaza wieder das Sagen haben. Zumindest bis künftige Wahlen neue Machtverhältnisse schaffen. Diese Regierung muss auch dafür sorgen, dass Israel kein Vorwand für neue Angriffe auf Gaza geliefert wird, und sie muss das Verhältnis zum wichtigen Nachbarn Ägypten verbessern.

Es ist eine Chance für den Palästinenserpräsidenten, seine Autorität im palästinensischen Gebiet wiederherzustellen. Nur mit ihm wird es Verhandlungen mit Israel geben können. Erfolg oder Misserfolg hängen zwar von Israel ab, dessen Hardliner werden durch Rivalitäten unter den Palästinensern aber nur gestärkt.

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6 Kommentare

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  • Wie sehen die Standpunkte zwischen Hamas- und Fatah-Vertretern aus?

     

    Die Streitpunkte zwischen den großen Palästinenserorganisation auf dem Hintergrund des letzten israelischen Gazafeldzuges und -ombardements ,darauf geht Oliver Eberhardt im nd etwas ausführlicher, tiefer und gründlicher ein,

    http://www.neues-deutschland.de/artikel/945317.fuehrungskampf-zwischen-fatah-und-hamas.html

     

    und dabei kommt die Hamas etwas besser weg, als bei Peter Phillip. Diese Fragen aber sind zunächst aber durchaus unabhängig davon zu sehen, was durch die internationale Gemeinschaft für die palästinensische Bevölkerung, insbesondere nun im Gazastreifen getan werden müsste,

    und welche Spielchen und Einmischungen gegenüber den Palästinensern sich manche "Gebernationen" meinen leisten zu müssen.

  • "Um diese Rolle zu übernehmen, muss die Zentralregierung aber auch in Gaza wieder das Sagen haben. Zumindest bis künftige Wahlen neue Machtverhältnisse schaffen."

     

    Nein. Wichtig sind eben gerade nicht autoritäre Strukturen, sondern mehr Demokratie. Dazu gehört auch, dass das gewählte Parlament zusammentritt und Gesetze vom Parlament beschlossen werden und nicht vom Präsidenten. Natürlich werden Wahlen notwendig sein. Man sollte aber nicht so tun, als gäbe es im Moment zwar einen gewählten Präsidenten, aber kein gewähltes Parlament.

    • @Francesco:

      Immerhin äußert Herr Philipp die Einschätzung, ein Grund „..für die beispiellose Gewalt während des 50-Tage-Krieges..“, sei (für Israel) die Zustimmung der Hamas zur Bildung einer Einheitsregierung am 2. Juni gewesen.

      Dann wird er auch wissen, wie es zu Auseinandersetzungen zwischen Fatah und Hamas nach deren Wahlsieg gekommen war und wer verhindern wollte, dass der demokratische Wille der Wähler umgesetzt werden konnte. Schon allen ausbleibende Lohn und Gehaltszahlungen von Seiten der ausländischen Geldgeber sorgten für Unruhe, da die Lohnabhängigen für ihre Familien sorgen mussten. Auf solch ein erpresserisches Spiel kann sich die Hamas nicht erneut einlassen, dies muss jeder, der mit gesundem Menschenverstand ausgestattet ist, ins Kalkül ziehen – wenn er Moral hat, wird er dabei nicht versuchen, erneut mit solch einer Geldpolitik die Verbesserung der Lebensverhältnisse im Gazastreifen zu torpedieren.

       

      Herr Philipp sollte die Frage problematisieren, wer das Geld für den Wiederaufbau aufzubringen hätte und auch offen sagen, wer dabei welche Willfährigkeit verlangen möchte. Herr Philipp verschweigt, dass auch die Hamas nicht auf Krieg mit dem israelischen Staat aus ist, sondern auf die Erlangung des Selbstbestimmungsrechtes für die Palästinenser und die vorbehaltlose Anerkennung der den Palästinensern zustehenden Rechte, also vernünftige und diskutable Positionen hat !!!

       

      Fest steht, dass man es den Palästinensern bislang nicht ermöglichen mochte, aus eigener wirtschaftlich sich entwickelnder Kraft zu handeln. Der israelische Staat hat dies in den 1967 von ihm besetzten Teilen Palästinas weitgehend unterbunden, immer wieder versucht, die Palästinenser in allen Bereichen in Abhängigkeit von ihm und den “Freunden Israels“ zu halten.

      Diese Politik betreibt er ja auch gegenüber der palästinensischen Bevölkerung in seinem Staatsgebiet.

  • Herr Phillip,worum geht es hier, schreiben Sie nicht an der Sachlage vorbei?

     

    Wann gibt es ausreichend Wasser und Strom im Gazastreifen und werden die Menschen dort ein dauerhaftes Dach über den Kopf haben, wann kann man von dort Aus- und Einreisen, wie dies einem freien Menschen zusteht, wann wird man sich dort kulturell und wirtschaftlich ohne israelische Fesseln frei entfalten können, wenn man dies auch im Austausch mit dem Ausland möchte?

    Wann wird der Flughafen aufgebaut sein, Schiffe den Hafen von Gaza anlaufen können?

    Es geht um Menschen zustehende Freiheiten, Rechte und Würde?

     

    Bestimmte Staaten der EU haben schon einmal versucht, palästinensische Bevölkerung nach Wahlen mit Geld zu erpressen. Es ist ihr aber nur Blutvergießen gelungen und nun machen sie über Abbas wieder Druck, dem zudem die Umfrage zu schaffen machen könnte, in der die Hamas als Interessensvertreter der Palästinenser des Gazastreifens und der West-Bank vorne liegt?

    Entweder bezahlt die Besatzungsmacht die Schäden und sorgt für ein menschenwürdiges Dasein in den Gebieten, in denen diese die indigene Bevölkerung eingepfercht hält, oder aber die EU versucht wieder einmal zu kaschieren, dass sie sich im Nahen-Osten einen Auswuchs ihres historischen Versagens auf Kosten der Menschenrechte und des Völkerrechts in Palästina leisten will, und pumpt erneut Gelder in die Restzonen rein.

    Für die Toten und die Zerstörungen im Gazastreifen ist nicht nur die israelische Regierung, sondern sind auch diese EU-Regierungen verantwortlich – diesen Blick auf die Verhältnisse kann man nicht so leicht verwischen.

    Neben Klärung der Kriegsverbrechen war in den letzten Tagen in Palästina weitaus wichtigeres zu kommentieren – Ausschreibungen für Siedlungsbauten, Verhaftungen, weitere Tote durch israelische Militärgewalt – als zu versuchen, Hamas und Fatah gegeneinander auszuspielen.

  • Das wäre doch schon mal ein sehr begrüßenswerter Erfolg, wenn es Abbas gelingen würde, auch wieder im Gaza-Streifen die Oberhand zu gewinnen.

    Fragt sich nur, ob er das auch wirklich durchsetzen kann oder ob die Hamas weiterhin inoffiziell dort ihr Terrorregime fortsetzen kann.

    • @Age Krüger:

      Alle Achtung der Taz !

      Diese Meldung haben heute weder SPON noch die Faz veröffentlicht.

      (durchgesehen bis 18 Uhr MEZ)

       

      Abbas Kritik an der Hamas während der Sitzung der Arabischen Liga heute in Kairo muss so scharf gewesen sein, dass er mittendrin veranlasst wurde , seine Rede anzubrechen. Journalisten mussten den Saal verlassen.