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Kommentar Strafen für RaserBußgelder rauf!

Baha Kirlidokme
Kommentar von Baha Kirlidokme

Reiche Raser sollten höhere Bußgelder zahlen, findet der niedersächsische Innenminister Pistorius. Für eine gerechte Gesellschaft ist das wichtig.

Wartet nur auf die nächste Gelegenheit: Der Raser im roten Rennauto Foto: Borna Bevanda/Unsplash

E s ist nicht die Weltrevolution, doch es wäre der erste Schritt dahin. Niedersachsens Innenminister Boris Pistorius (SPD) will laut Gespräch mit der Süddeutschen Zeitung die Bußgelder für Geschwindigkeitsüberschreitungen erhöhen. Genauer gesagt möchte er Bußgelder für „gravierende Geschwindigkeitsüberschreitungen“ an das Einkommen der jeweiligen Raser koppeln. Also: Reiche sollen mehr bezahlen.

Das hält er zumindest für überlegenswert, weil eine Geldstrafe von 240 bis 680 Euro Großverdiener und Millionäre nicht trifft. Zwar schwächt Pistorius seine Aussage damit ab, dass es ihm nicht um alle Bußgelder geht, sondern nur um schwere Verstöße, die gefährlich seien. Aber warum soll man das nicht annehmen?

Für Reiche sind Bußgelder vielmehr günstige Tickets, statt Erziehungsmaßnahme. Nach dem Motto: „Um 20 Stundenkilometer zu schnell fahren zu dürfen, muss ich nur 35 Euro bezahlen? Ein Schnäppchen!“ Warum sonst ist das englische Wort für Strafzettel „Ticket“?

Solidarisches Bußgeld

Natürlich erhält man ab 21 Stundenkilometer zu viel einen Punkt, ab 41 zwei (innerorts ab 31). Und natürlich gibt es auch Fahrverbote. Reiche haben genauso wenig Lust auf Punkte und Fahrverbote wie normale Menschen. Sie haben durch ihre finanzielle Sicherheit aber eine andere Hemmschwelle.

Der Friseur oder die Studentin überlegt es sich zehnmal, ob er oder sie seine Lebensgrundlage fürs Zu-schnell-Fahren riskiert. Nebenher könnten Staat und Kommunen durch eine Einkommenskoppelung auch mehr Geld einnehmen.

Es geht hier aber um noch etwas anderes. Mit der Forderung rückt Pistorius einen Sachverhalt in den Fokus, der in der Gesellschaft leider wenig diskutiert wird: Einkommens- und Vermögensgerechtigkeit. So lässt sich das „Ticket-Prinzip“ auf viele andere Lebensbereiche anwenden.

Denn wer Geld hat, hat auch mehr Verantwortung, kann sich in unserer Gesellschaftsordnung aber leichter davor drücken. Wenn wir also anfangen, darüber zu reden, dass Menschen mit mehr Einkommen auch stärker zur Kasse gebeten werden, fangen wir an, über Solidarität zu reden.

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Baha Kirlidokme
Volontär bei der Frankfurter Rundschau. Aktuell im taz-Parlamentsbüro. Schreibt über Gesellschaft, Politik, Wirtschaft. Vornehmlich über Nahost, Linkspartei und Debatten. Macht manchmal laute Gitarrenmusik.
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10 Kommentare

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  • Bei der Gelegenheit alle Bussgelder mindestens verdoppeln. Falschparken kostet bald weniger als die Parkgebühren - mit etwas Glück auch heute schon (wenn man nicht jedes mal erwischt wird).

  • Wenn die kleine Krankenschwester € 50 zu berappen hat, tut ihr das richtig weh. Man sollte, wie Lohnerhöhungen ja auch jeweils in Prozentsätzen bearbeitet werden, auch Bußgelder so ansetzen. Wenn also bei der Krankenschwester 2% genommen werden, dann doch auch bei einem Vorstandsvorsitzenden, der seinen Fahrer zu schnell fahren läßt: Und € 20.000 kann er locker verkraften.

  • Genau, nochmal ganz viel und mehr Geld verdienen bevor es durch dass Autonomie fahren keine Tickets mehr gibt. Und natürlich noch so gut wie moglich als sozial und gerecht verkaufen:-)

    Das mit der Geschwindigkeit drosselt geht heute schon wenn Mann nur wollte.

  • Es lebe die Rechtsgleichheit! Wer sehr wenig Geld hat zahlt dann wenigstens einen Euro. Wegen der Solidarität.

  • 9G
    97088 (Profil gelöscht)

    Also die Verkettung zwischen Strafe, Einkommen, Reichtum und sozialer Verantwortung ist mir nicht eingängig. Ein Rechtsstaat zeichnet sich u. a. dadurch aus, dass der „gerecht“ ist. Im Falle einer Bestrafung z. B. von Menschen, die sich im Strassenverkehr nicht an Regeln halten können/wollen schlage ich vor: In allen Fällen sofortiger Entzug der Fahrerlaubnis. Kürzer oder länger, je nach Vorfall bis hin zur Verpflichtung, nach einer „Auszeit“ den Führerschein neu erwerben zu müssen.

  • Das ist derart unausgereift, daß es nur als purer Populismusversuch angesehen werden kann - einer, der auch noch ziemlich mißglückt ist.

    Ernst zu nehmen und begrüßendwert wäre es dann, wenn es sich auf alle Bußgelder beziehen würde und als Grundsatz zugrunde gelegt wäre, daß die Bemessungsgröße das Einkommen abzüglich des Existenzminimums ist.

    Denn ist ist ungerecht, wenn der eine durch ein Bußgeld sein Existenzminimum unterschreitet und der andere es bequem aus dem bezahlt, was er an Vermögenswerten angehäuft hat.

  • Das ist mir zuviel Neiddebatte. Grundsätzlich müssten Busgelder drastisch erhöht werden. Auf deutschen Autobahnen herrscht Krieg, niemand hält sich an irgendetwas, es herrscht das Recht des stärkeren. Wer einmal in den Genuss kommt in Ländern mit drakonischen Strafen fahren zu dürfen, kann sich dies nur wünschen. Dazu müsste dann auch endlich Tempo 130 kommen um den Schilderwald zu beseitigen

  • „Bußgelder rauf!“



    Diese zwei Worte würden jedem Populisten zur Ehre gereichen, denn sie versprechen, was jeder Populist verspricht: Einfache Lösung für ein durchaus nicht so einfaches Problem:



    Zunächst ist es aus Sicht des *r Geschädigten egal, ob ihm*ihr „der Friseur oder die Studentin“ oder ein*e „Großverdiener*In geschädigt hat. Und wenn ein Student zu spät zu einer wichtigen Prüfung erscheint, kann sich das durchaus auf seine künftige „Lebensgrundlage“ auswirken! Und wenn der Student einen „reichen Onkel“ hat?



    Für „schwere Verstöße“ gibt es übrigens auch das Strafgesetzbuch (hat der Autor vergessen zu erwähnen).



    Aber wenn es ums Bußgeld geht, woran soll man das festmachen? Am Kontostand oder am regelmäßigen Einkommen? Und wenn, dann brutto oder Netto? Oder an der Steuerlast, die Vollprofis je nach Bedarf fast beliebig hoch- oder runter rechnen können?



    Also erst mal überlegen!

    • @Pfanni:

      Gucken Sie einfach mal auf Wikipedia unter Tagessatz, Abschnitt Tagessätze im Strafrecht. Oder ist das für Sie auch nur blanker Populismus?

  • Im Prinzip gibt es das schon in unserem Justizwesen: Geldstrafe als 'Tagessätze' - da muss dann der/die Sünder*In halt soundsoviel 'Tagessätze' Netto-einkommen abdrücken. Funktioniert gut, und es ist letztlich ein Skandal, daß das im Verkehrsbereich noch nicht so ist.