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Kommentar Sparpläne bei SiemensEin Wunsch zu Weihnachten

Pascal Beucker
Kommentar von Pascal Beucker

Profitable Werke zu schließen ist eine asoziale Strategie. Mehr gesetzlicher Schutz und Stärkung der Rechte der ArbeitnehmerInnen braucht es dagegen.

Demonstration von Siemens-Angestellten in Offenbach/Hessen Foto: dpa

V iele Siemensianer werden in diesem Jahr kein fröhliches Weihnachtsfest feiern. Daran dürften auch die Beschwichtigungen von Joe Kaeser bei seinem Überraschungsbesuch im Görlitzer Turbinenwerk am Dienstag nichts ändern: Mit „Ich lasse Sie nicht allein“ und „Ich verspreche, dass es fair und mit Anstand zugehen wird“, gab sich der Siemens-Vorstandsvorsitzende fürsorglich. Doch das ist nicht mehr als wohlfeile Managerlyrik. Denn von seinen Werkschließungsplänen nahm er kein Wort zurück. Da blieb Kaeser knallhart. Nach zwei Stunden war der Herr Konzernlenker wieder weg. Die große Verunsicherung der Belegschaft ist geblieben.

Es hat schon etwas Perverses: Da macht ein Konzern einen historischen Rekord­gewinn von knapp 6,2 Milliarden Euro – und will gleichzeitig weltweit fast 7.000 Arbeitsplätze abbauen, die Hälfte davon in Deutschland. Die Schließung der ostdeutschen Werke in Leipzig und im strukturschwachen Görlitz scheint bereits fest beschlossene Sache zu sein, obwohl beide Standorte rentabel wirtschaften.

640 Jobs stehen in Mülheim auf der Kippe, 300 in Berlin, 680 in Offenbach. Um nur einige der betroffenen Städte zu nennen. Doch damit nicht genug. Dazu kommen weitere 6.000 Arbeitsplätze, die in den nächsten Jahren bei der deutsch-spanischen Windkrafttochter Siemens Gamesa wegfallen sollen.

Mag Siemens-Chef Kaeser auch in Sonntagsreden so gerne über die gesellschaftliche Verantwortung der Wirtschaft schwadronieren: Hier zeigt der Kapitalismus sein Gesicht.

Spargroschen für Kaeser

Um seine eigene Zukunft muss sich Kaeser freilich keine großen Gedanken machen. Sein Vertrag wurde erst im August vorzeitig um vier Jahre verlängert. Und für den Fall, dass es für ihn bei Siemens irgendwann mal nicht mehr so gut klappen sollte, wird er sich wohl den ein oder anderen Spargroschen zurückgelegt haben: Allein im vergangenen Geschäftsjahr hat der 60-Jährige knapp 7 Mil­lio­nen Euro verdient.

Sozialneid? Keineswegs. Aber vielleicht nutzen Kaeser und seine Vorstandskollegen ja die kommenden besinnlichen Tage und denken mal über diejenigen nach, die für sie die fürstlichen Gehälter erwirtschaftet haben. Also über jene Siemens-Beschäftigten, die dieses Weihnachten in Angst um ihren Arbeitsplatz verbringen müssen. „Ihre Argumente werden gehört“, hat Kaeser bei seinem Besuch in Görlitz versprochen. Es wäre schön, wenn dem so wäre.

Und wenn das nichts nützt? Dann sollten möglicherweise auch die künftigen Regierungsparteien mal ernsthaft über den Vorschlag der Linkspartei nachdenken, Massenentlassungen und Werkschließungen in profitablen Unternehmen gesetzlich zu verbieten und die Mitbestimmungsrechte der Arbeitnehmer deutlich auszubauen.

Es wäre unsinnig, Siemens dafür zu kritisieren, sich zukunftssicher aufstellen zu wollen – aber bitte nicht auf Kosten der Beschäftigten, sondern mit ihnen. Klingt unrealistisch? Mag sein. Aber an Weihnachten darf man sich ja etwas wünschen.

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Pascal Beucker
Inlandsredakteur
Jahrgang 1966. Arbeitet seit 2014 als Redakteur im Inlandsressort und gehört dem Parlamentsbüro der taz an. Zuvor fünfzehn Jahre taz-Korrespondent in Nordrhein-Westfalen. Seit 2018 im Vorstand der taz-Genossenschaft. Sein neues Buch "Pazifismus - ein Irrweg?" ist gerade im Kohlhammer Verlag erschienen.
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11 Kommentare

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  • Ist ein Werk wirklich noch profitabel, wenn absehbar ist, dess der entsprechende Absatzmarkt einbricht?

    • @DiMa:

      Ja

      • @El-ahrairah:

        Kommt wohl eher darauf an. Solange ein Werk unter Berücksichtigung der Auftragsentwicklung und der laufenden Kosten zumindest die Rücklagen für die künftige Schließung und Abwicklung übersteigt wahrscheinlich schon, andernfalls wahrscheinlich eher nicht.

         

        Ein Werk welches nur zur Kostendeckung läuft ist ebenfalls nicht rentabel. Daher lässt sich nur aus den Auftragsbüchern ohne Kenntnis der Kosten und der zukünftigen Entwicklung kein Rückschluss auf die Rentabilität ziehen. Eine echte Cash-Cow hätte Siemens jedoch wahrscheinlich eher nicht dicht gemacht, oder?

  • Siemens hat vor die Gewinnmarche von derzeit beachtlichen 8,2% noch weiter zu steigern.

    Unter Voraussetzungen sollten die Aktiengewinne drastisch besteuert werden, da gäbe es solche Auswüchse nicht mehr.

    Subventionen müssten zurück gezahlt werden und die Gehälter solange abschlagsfrei weiter gezahlt werden, bis die Leute wieder eine andere, neue Beschäftigung zum ähnlichen Lohn im Festvertrag haben.

    Hier wäre die Regierung gefragt! Die SPD könnte sich profilieren....

    SPD und arbeitende Bevölkerung?

    Das war ein Fehler von mir, oder Wunschdenken.

    Tja, dann eben die Linke...

  • Siemens hat von 2010 bis heute 35000 Mitarbeiter dazugewonnen.

    Seien sie sicher, dass sich Herr Kaeser auch schon vor Weihnachten darüber Gedanken gemacht hat, in welchem Umfang die einzelnen Standorte zum Geschäftsergebnis beigetragen haben.

    Sie schreiben: Profitable Werke zu schließen ist eine asoziale Strategie.

    Neine solche Strategie ist außerdem ziemlich dumm.

    Nur habe ich nach ihrer Behauptung die Betriebe seien profitabel eigentlich Zahlen zu ihrer Behauptung erwartet.

    Ich bin mir sicher das diejenigen die mit ihrer Standortbewertung

    d'accord sind, schlange stehen werden, die Produktionstätten zu übernehemn, denn wer lässt sich im Kapitalismus schon Gewinne entgehen.

  • Es ist der x-te Offenbarungseid eines Wirtschaftssystemes, das "soziale Marktwirtschaft" genannt wird.

     

    Denn "sozial" ist diese Marktwirtschaft auch nicht für jene, die das haben, was gemeinhin als "sicherer Arbeitsplatz" genannt wird. Wenn die Mehrheit der Beschäftigten nicht davon profitiert, wenn es der Wirtschaft gut geht, wenn mehrheitlich befristete Arbeitsplätze geschaffen werden, wenn viele Beschäftigte nicht einmal den schon nicht für's Leben nicht ausreichenden Mindestlohn erhalten ... - wie kann ein solches Wirtschaftssystem als sozial bezeichnet werden?

     

    Dass SIEMENS, trotz guter Ertragslage, bei einer solchen Werksschliessung (offenbar) noch nicht einmal die staatlichen Subventionen zurück zahlen muss, die das Unternehmen für seine Ansiedlung erhalten hatte, spricht Bände.

     

    Ich halte die Forderung der LINKEN im Ziel für richtig und überfällig, den konkreten Weg jedoch für problematisch, eher: für unausgegoren. Vor allem, weil viele Fragen nicht nur offen bleiben, sondern offenbar noch nicht einmal gestellt wurden.

    • 8G
      849 (Profil gelöscht)
      @Der Allgäuer:

      Wenn man profitable Betriebe nicht schließen dürfte, würde da nicht gleich wieder die alte Leier kommen, dass Arbeitsplätze ins Ausland abwandern würden und der Industriestandort Deutschland dadurch dem Niedergang geweiht wäre? Kein Unternehmen, so bekäme man zu hören, würde doch unter solchen Umständen noch in Deutschland investieren, oder?

      • @849 (Profil gelöscht):

        Das Kapital - mal scheues Reh, mal wandernder Heuschreckenzug. Aber so hochmobil, wie es immer tut ist es garnicht. Die marktkonformen Gebiete sind seit 15 jahren eher kleiner geworden. Und so ein Finanzsitz ist schnell verlegt. So eine Maschinenbaufabrik ist schon aufwändiger

      • @849 (Profil gelöscht):

        Wohin, wieder nach China? Dieses Land haben ja die weitsichtigblinden Manager erstmal reich gemacht bevor sie merken, dass sie die Trottel waren.

        Drittweltländer, da fehlen die qualifizierten Arbeitskräfte.

        Aber drohen werden sie damit. Aber man könnte ihnen die erneute Abreise erschweren, wenn die Politik nur nicht so empfänglich für “gute Worte “ Wäre!

  • Wie genau stellt man sich denn Zukunftssicher auf ohne werke zu schließen, wenn absehbar ist, dass diese bald keinen profit mehr abwerfen sondern miese machen?

    Damit bringt man den gesamten Konzern in Gefahr. Wenn die Aktien sinken und die Heuschrecken übernehmen geht es für die Mitarbeiter sich nicht besser zu.

    Wenn der Vorschlag der Linken irgendwann gesetz werden sollte, heißt das bloß das niemand mehr in Deutschland produzieren wird, weil es viel zu riskant ist.

  • "Es wäre unsinnig, Siemens dafür zu kritisieren, sich zukunftssicher aufstellen zu wollen – aber bitte nicht auf Kosten der Beschäftigten, sondern mit ihnen. Klingt unrealistisch? Mag sein. Aber an Weihnachten darf man sich ja etwas wünschen."

     

    Was für unterwürfiges Gewinsel. Das hätte die SPD auch nicht kriecherischer formulieren können.