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Kommentar Sparpaket in GriechenlandDer Oppositions-Premier

Kommentar von Jannis Papadimitriou

Eine surreale Situation: Nur dank der Opposition werden in Griechenland die ersten Reformgesetze beschlossen. Regieren kann Tsipras so nicht.

Teile von Syriza haben gegen die Reformvorschläge gestimmt. Tsipras brauchte die Opposition für das „Ja“. Foto: reuters

Noch so ein Sieg und wir sind verloren“ mag sich Premier Alexis Tsipras nach der gewonnenen Abstimmung im Parlament gedacht haben.

Surreales Endeergebnis: Nur mit Unterstützung der Opposition konnte Tsipras Sparmaßnahmen durchbringen, die er noch vor sechs Monaten verteufelt hat, da sie schmerzhafter sind, als alles, was Vorgängerregierungen den Griechen zugemutet haben.

Nach eigener Aussage glaubt der Premier nicht einmal an die Sparauflagen und will sie nur deshalb durchboxen, weil er durch die europäischen Partner dazu genötigt werde und sich ausgerechnet durch sein Nachgeben von dieser Erpressung befreien könne.

Alles klar? Natürlich ist es irgendwo bewundernswert, wie elegant und dennoch beharrlich Tsipras den Drahtseilakt zwischen den Forderungen der Kreditgeber und den hohen Erwartungen in seiner Partei vollzieht. Regieren kann er damit auf lange Sicht nicht.

Und auf uneigennützige Hilfe anderer wird er sich auch nicht mehr lange verlassen können. Jeder Hinterbänkler der Opposition wird sich schön dumm vorkommen, wenn er über seinen Schatten springt und der Regierung zum Erfolg verhilft, nur um dadurch dem linken Parteiflügel von Syriza den Luxus zu erlauben, die Revolution gegen die eigene Regierung weiter voran zu treiben.

Drachme-Fans drinnen und draußen

Sollte Tsipras eine endgültige Entscheidung getroffen haben, sein Land im Euro-Raum zu halten – wofür einiges spricht – dann muss er jetzt schwierige Entscheidungen in der eigenen Partei durchsetzen.

Denn diesen Knoten gilt es zu lösen: Erzkonservative Kreise in Europa, die Griechenland aus dem Euro drängen, aber die Schuld dafür allein den Griechen zuschieben wollen, verstehen sich derzeit prächtig mit der Fraktion der Drachme-Befürworter in Hellas, die zurück zur nationalen Währung möchten – aber das Ganze so aussehen lassen, als seien nur die bösen Geldgeber dafür verantwortlich.

Hinterlistige Spiele aus dem Ausland kann Tsipras kaum verhindern. Provokationen in der eigenen Partei dagegen schon. Der Ministerpräsident wäre auch gut beraten, Profilierungsversuche rechtzeitig in den Griff zu bekommen- wie etwa den Auftritt der Parlamentspräsidentin Zoe Konstantopoulou, die nur wenige Minuten vor der Abstimmung die Volksvertreter für das „Nein“ zu begeistern versuchte und es für eine gute Idee hielt, den europäischen Partnern Griechenlands „Verbrechen gegen die Menschlichkeit“ vorzuwerfen.

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6 Kommentare

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  • Naja... immerhin ist ein komplizierter, dialektischer Erkenntnisprozess... :

    Weg von Wachstumsøkonomie, hin zu irgend sozial/ziviler/human Økonomie ..

    (von SYRIZA und Herrn Varoufakis )

    in der EU ins Leben gerufen worden!

    Das historisch hässliche, økonomische Machtdenken der EU Ideologie: im Namen der Børse und der Aktionäre und Banken- zivile Bevölkerungen ins Leiden zu stürzen,oder auszusaugen-, hat Risse bekommen!

    Nun? Historisch dumme, dogmatische Wissenskultur von Økonomie und Banken, mit deren Axiomen ùnbegrenzten Reichtums´ ist herausgefordert sich den Begrenzungen der Welt zu stellen!

  • Tsipras und seine Partei glauben nicht einmal an die Sparauflagen und will sie nur deshalb durchboxen, weil er durch die europäischen Partner dazu genötigt werde!

    Das ist heldenhaft, vorbildlich griechisch: Er handelt für das Volk (das will den Euro) aber seine Partei, Syriza, bleibt bei ihrer richtigen Überzeugung. Das hat sogar der IWF erkannt. https://www.dropbox.com/s/5ijdvu8ze7c9muf/Screenshot%202015-07-16%2011.58.29.png?dl=0

    Lesen Sie Thomas Piketty, Das Kapital und von David Graeber, Schulden, das wird Ihnen die Augen öffnen: Schulden können nie zurückgezahlt werden. "Jeder Umsturz, jede Revolution beginnt mit Schulden, welche die Gesellschaft nicht mehr bezahlen kann."

    Gestern, am 14. Juli begann die Französischen Revolution, die uns endlich die Erklärung der Allgemeinen Menschenrechte gebracht hat.

    Das haben unsere gierigen Politiker wohl nie verstanden, denn jetzt zwingen sie die Griechen Schulden mit neuen Schulden zu bezahlen! Ich nenne das Schwachsinn oder Gier der Banken, denn wir hätten es wissen können!

    Siehe auch diese Meinung: https://www.dropbox.com/s/gsnf1bc1ml2xp3p/Screenshot%202015-07-16%2011.36.28.png?dl=0

    Wir begraben die Demokratie s. CHARLIE HEBDO heute https://www.dropbox.com/s/nnawjymubwcqlnr/Screenshot%202015-07-15%2013.17.17.png?dl=0

  • Tschüs Tsipras (du Hütchenspieler) und tschüs auch mit Tsipras verbündeter Pablo Iglesias (vom spanischen Podemos) und tschüs auch mit Tsipras verbündete deutsche Linkspartei. Euch alle haben Schäuble und Merkel über den Tisch gezogen.

    • @Kai Feloibas:

      Über den Tisch gezogen? Das freut Sie?

       

      Die Irish Times ist da weniger hoffnungsfroh:

      "Was ist der Unterschied zwischen der Mafia und der gegenwärtigen EU Führungsriege? Die Mafia macht dir ein Angebot, dass du nicht ablehnen kannst.

      Die Führer der EU bieten dir einen deal an, den du weder ablehnen noch akzeptieren kannst, ohne dich selbst zu zerstören.

       

      Die EU wie wir sie kannten, hat dieses Wochenende ihr Ende gefunden. Das EU Projekt war eine allmähliche Konvergenz von gleichen Staaten in eine "immer engere Union". Das wurde jetzt beendet."

       

      Wenn Sie das als Triumph empfinden wollen, ok dann haben Sie recht.

    • @Kai Feloibas:

      Lieber Kai, was willst Du uns jetzt damit sagen? Wie toll Merkel oder Schäuble ist?

       

      Als Europäer im Geiste schäme ich mich momentan fremd für meine Regierung.

       

      Deutschland lernt aus Fehlern nichts, absolut nichts. Fingespitzengefühl war uns schon immer ein Fremdwort.

       

      Und das soll jetzt ein Sieg sein?

       

      Das Problem ist nicht, dass die CDU (und auch mittlerweile die SPD) rechts/konservativ tickt. Das Problem ist die geballte Inkompetenz in Regierungskreisen.

       

      Wieso geht es Deutschland in den letzten Jahren nur so gut? Nicht, weil wir so toll sind, sondern weil wir andere nur zu gut über den Tisch ziehen können. Und darauf bist Du auch noch stolz? In einer fragwürdigen Geisteswelt Du lebst, mein Padawan.