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Abstimmung Griechenland-HilfspaketDie Vertrauenskrise der Parteien

Vor der Parlamentsdebatte über ein drittes Griechenland-Hilfspaket streiten die Grünen um ihren Kurs. Einfach zustimmen geht nicht.

Wollen die Grünen wirklich so abstimmen wie Erika Steinbach? Foto: dpa

Berlin taz | Ein einziger Punkt steht am Freitag auf der Tagesordnung des Bundestags: „Verhandlungen der Bundesregierung über die Gewährung von Finanzhilfen an die Hellenische Republik Griechenland.“ Die Abgeordneten müssen also abstimmen, ob sie Bundeskanzlerin Angela Merkel und ihrem Finanzminister Wolfgang Schäuble (beide CDU) das Mandat erteilen, ein drittes Griechenland-Hilfspaket auszuhandeln.

Insbesondere die Grünen stehen vor einem Dilemma: Einerseits begreifen sie sich als aufrechte Europäer und sind gegen einen Grexit. Damit Griechenland in der Eurozone bleibt, braucht das Land ein drittes Hilfspaket.

Andererseits trauen die Grünen der schwarz-roten Regierung nicht mehr, dass sie den Grexit um jeden Preis vermeiden will. So hatte der Finanzminister am Wochenende den Vorschlag verbreiten lassen, dass die Griechen sich eine Auszeit aus der Eurozone nehmen sollten, und rät nun zur Einführung einer Parallelwährung – was einem Grexit gleichkäme.

„Die Empörung über Schäuble ist extrem groß“, äußerte der Grünen-Finanzpolitiker Gerhard Schick gegenüber der taz. Schick ist sich einig mit anderen Vertretern der Opposition: „Wir können nicht einfach ein Verhandlungsmandat für eine Regierung erteilen, die in die völlig falsche Richtung verhandelt hat.“

„Das geht gar nicht“

Um die Entscheidung zwischen Pest und Cholera zu umgehen, wollte die Fraktion am Donnerstagabend einen eigenen Antrag beraten, mit Bedingungen für die Verhandlungen über ein drittes Hilfspaket: dass das Land nicht weiter kaputtgespart wird, einen Zahlungsaufschub erhält und ein Investitionspaket. Das enthebt die Grünen allerdings noch nicht von der Notwendigkeit, sich zum Regierungsantrag zu verhalten.

Dieter Janecek, bayerischer Abgeordneter, der den Realo-Flügel der Bundestagsgrünen koordiniert, hat sich bereits entschieden: „Ich werde mit Ja stimmen und auch dafür werben“, sagte er der taz. Ein Nein käme nicht in Frage. „Denn dann wäre man auf der Seite von Erika Steinbach, und das geht gar nicht“, meint Schick.

Auch in der Union gibt es Abgeordnete, die gegen die Aufnahme von Verhandlungen für ein drittes Hilfspaket an Griechenland stimmen wollen. Darunter sind die CSU-Abgeordneten Steinbach, Exverkehrsminister Peter Ramsauer, die Vorsitzende des Ausschusses für wirtschaftliche Zusammenarbeit, Dagmar Wöhrl, und natürlich CDU-Politiker Wolfgang Bosbach.

Das ist nicht gerade die erste Reihe der Fraktion, aber doch eine wachsende Gruppe. Sie begründet ihr Nein zu einem neuen Hilfspaket ebenfalls mit einem Vertrauensverlust – in die griechische Regierung, nicht in Merkel.

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2 Kommentare

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  • Interessant wäre es auch mal so die Herkunft der CDU-Abgeordneten zu erfahren, die gegen das sogenannte Hilfspaket stimmen. Sind es her so national-konservativ eingestellte Unionsmitglieder wie Erika Steinbach? Wobei meine Gründe, das sogenannte Hilfspaket kritisch zu sehen, sicherlich andere sein werden als die von Frau Steinbach und einigen ihrer Unionskollegen.

     

    Hilfspaket wird es zwar genannt. Das einzig Erfreuliche daran ist aber, dass die Banken mal wieder den Griechen Geld auszahlen. Ansosnten ist es den Begriff Hilfspaket doch nicht würdig. Es sind Bedingungen, die nach nahezu einheilliger Überzeugung der Wirtschaftsexperten von Griechenland nicht erfüllt werden können. Warum setzen die deutschen Verhandlungsführer so einen Unfug durch? Warum sollen wir denen für weitere Verhandlungsrunden noch trauen?

     

    Das Verhalten während der Verhandlungen von Herrrn Schäuble dürfte dabei auch von recht peinlicher Art geprägt sein. Ich stelle mir das vor wie dessen früheren Umgang mit Pressesprecher Offer.

  • Das zeigt nur , dass die Grünen das Grundproblem nicht begriffen haben, und das heisst Euro. Sie kapieren nicht, dass der Euro das Instrument anglo-amerikanischer Finanzinteressen ist und mit der nervigen Idee des europäischen Sozialstaats aufräumen soll. Griechenland ist die Blaupause für das, was kommen wird. Nun hoffen die Grünen, durch Opportunismus und Gefälligkeit den Draht zur Macht nicht ganz zu verlieren, man will ja "koalitionsfähig" bleiben. Die Grünen - ein Desaster. Nie war die Diskrepanz zwischen der Eigenwahrnehmung und der Realität bei einer Partei krasser.