Kommentar Spaniens Terrorbekämpfung: Fahnden statt verschärfen
Spaniens Polizei hat exzellente Arbeit geleistet. Darauf sollten die Bürger künftig vertrauen – statt sich Gesetze zur Einschränkung ihrer Rechte wünschen.
D er Spuk in Spanien ist vorbei. Alle zwölf Mitglieder der islamistischen Terrorzelle sind tot oder stehen vor dem Haftrichter. Und das haben die Katalanen hauptsächlich ihrer eigenen Polizei zu verdanken. Im Alleingang kamen die Mossos d’Esquadra der Dschihadistenzelle auf die Spur, vereitelten einen weiteren Anschlag im Badeort Cambrils und spürten am Montag den letzten flüchtenden Attentäter auf.
Die „Mossos“ haben effizient zugeschlagen, die Bevölkerung mit dreisprachigen Tweets auf dem Laufenden gehalten und dann noch den Schneid gehabt, dem sorgenlosen spanischen Innenminister zu widersprechen, der schon von einer zerschlagenen Terrorzelle sprach, als der Hauptverdächtige noch frei herumlief.
Doch diese Leistung scheint in Spanien niemand so recht zu würdigen. Stattdessen wird von vielen Seiten reflexhaft das gefordert, was für eine offene Gesellschaft keine Alternative sein sollte: der Ausbau von Maßnahmen, die nur die Illusion von totaler Sicherheit nähren und ihrerseits Gefahren – Stichwort: Bürger- und Versammlungsrechte – bergen. Beste Warnung: Das „Gesetz zum Schutz des Bürgers“, mit dem die damalige konservative Regierung vor zwei Jahren vor allem dessen Rechte einschränkte.
Noch heute gilt: Wer Polizisten etwa bei unverhältnismäßiger Gewalt filmt und das Ganze unautorisiert ins Netz stellt, muss – kein Witz – mit einer Strafe von über einer halben Million Euro rechnen. Bußgeld für unangemeldete Demos: 30.000 Euro. Allein im Baskenland wurden seither 5.270 Strafen wegen Verstößen gegen das „Knebelgesetz“ verhängt.
Alles zum Schutz der Bürger
Dieser Irrsinn ist offenbar nicht Warnung genug: Barcelonas Bürgermeisterin Ada Colau musste sich schon rechtfertigen, warum sie die „Rambla“ noch nicht mit Betonpollern schützt – und nicht mehr Sicherheitskräfte auf die Straße schickt. Das Innenministerium in Madrid empfiehlt den Gemeinden diese Maßnahmen. Natürlich zum Schutz der Bürger.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Nan Goldin in Neuer Nationalgalerie
Claudia Roth entsetzt über Proteste
Politikwissenschaftlerin über Ukraine
„Land gegen Frieden funktioniert nicht“
taz-Recherche zu Gewalt gegen Frauen
Weil sie weiblich sind
Verein „Hand in Hand für unser Land“
Wenig Menschen und Traktoren bei Rechtspopulisten-Demo
Internationaler Strafgerichtshof
Ein Haftbefehl und seine Folgen
Scholz und Pistorius
Journalismus oder Pferdewette?