Kommentar Snowden-Asyl in Venezuela: Der Rechtsstaat hat versagt
Nur Staaten mit zweifelhafter Reputation bieten dem amerikanischen Whistleblower Edward Snowden Asyl an. Er hat leider keine andere Wahl.
N a super. Edward Snowden, der Verteidiger der überwachungsfreien Welt, will Asyl in Venezuela, nachdem er zuvor schon in China und Russland Sicherheit vor der US-Strafverfolgung fand. Das hat, sagen wir, ein Gschmäckle, denn man braucht nicht lange, um sich vorzustellen, wie deren Regierungen mit Geheimnisverrätern Snowden’schen Zuschnitts umgehen würden.
Bloß: Wo soll der Mann denn hin? Immerhin waren Staaten mit zweifelhafter Reputation nicht die erste Wahl des Enthüllers der größten Überwachungsprogramme der Menschheitsgeschichte. EU-Europa hat seine Asylanfragen abgelehnt und gar noch die bolivianische Präsidentenmaschine gestoppt, weil die USA glaubten, Snowden könne drinsitzen. Dass, wer Zuflucht sucht, irgendwann dort landet, wo sie ihm versprochen wird, beschädigt seine Glaubwürdigkeit nicht.
Die klarsten Worte fand an diesem Wochenende Daniel Ellsberg. Viele US-Medien hatten Snowden mit dem Mann verglichen, der vor 40 Jahren die Pentagon-Papiere aus dem US-Verteidigungsministerium schmuggelte. Ellsberg legte damit das Lügengebäude der US-Regierung zur Rechtfertigung des Vietnamkrieges offen – und stellte sich nach wenigen Tagen. Aber das, erinnert Ellsberg in der Washington Post, waren andere USA.
ist Redakteur im Auslandsressort der taz.
Er kam seinerzeit gegen Kaution aus der Untersuchungshaft, konnte in Freiheit auf seinen Prozess warten und mit der Presse sprechen. Für die heutigen USA steht hingegen Bradley Manning, der junge Wikileaks-Informant. Seit Jahren sitzt er ohne Kontakt zur Außenwelt in Einzelhaft ; sein Prozess vor der Militärjustiz weckt immer weniger Medieninteresse.
Die US-Regierung zeigt gegenüber Whistleblowern heute einen Vernichtungswillen, der mit rechtsstaatlicher Strafverfolgung nichts mehr zu tun hat. Und die europäischen Regierungen halten still oder machen mit. Erst wenn sich das ändert, könnte man Snowden vorwerfen, vorübergehend Zuflucht in Moskau zu suchen und Asylländer wie Venezuela überhaupt in Betracht zu ziehen.
Bis dahin ist es gut, dass es solche sicheren Häfen gibt, auch wenn sie selbst mit bürgerlichen Freiheitsrechten nicht viel am Hut haben. So wie es gut war, dass die spätere chilenische Präsidentin Michelle Bachelet, wie so viele andere ihrer Landsleute, nach dem Putsch 1973 Zuflucht in der DDR fand.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Nach dem Anschlag in Magdeburg
Rechtsextreme instrumentalisieren Gedenken
EU-Gipfel zur Ukraine-Frage
Am Horizont droht Trump – und die EU ist leider planlos
Anschlag in Magdeburg
„Eine Schockstarre, die bis jetzt anhält“
Bundestagswahl am 23. Februar
An der Wählerschaft vorbei
Erderwärmung und Donald Trump
Kipppunkt für unseren Klimaschutz
Wirbel um KI von Apple
BBC kritisiert „Apple Intelligence“