Kommentar Smartphones im Unterricht: Verweigerer in der Minderheit
Der Einsatz digitaler Medien ist kein Widerspruch zum Lernen mit allen Sinnen. Aber die Skeptiker dürfen nicht überrannt werden.
D ie Oma hat es, die Tante auch. Viele Menschen finden es extrem praktisch, ein Gerät zu haben, das sie mit all ihren Lieben vernetzt, mit dem sie jederzeit alles knipsen und filmen können. Und sehr viele Schüler haben es eben auch. Der Gedanke ist charmant, ein Gerät, das so viel kann, ins Klassenzimmer zu integrieren, statt vor das Schultor zu verbannen.
Doch nicht nur Hirnforscher wie Manfred Spitzer sagen, dass Kinder mit allen Sinnen lernen müssen. Das heißt: echte Sachen machen, auf Bäume klettern, rückwärts laufen, Stift, Papier und Knete in die Hand nehmen.
Der Einsatz digitaler Medien ist kein Widerspruch dazu. Die fantastischen Möglichkeiten der digitalen Welt können selbstbestimmtes Lernen sogar unterstützen. Doch der Zeitpunkt, ab wann ein Kind so ein Gerät in die Hand bekommt, ist eine sensible Frage. Mit zehn, mit zwölf oder mit 13 – das macht schon einen Unterschied, in der kindlichen Entwicklung passiert in einem Jahr sehr viel. Da kann nicht ein Senator per Federstrich die Spielregeln ändern.
Klar, kein Elternteil ist gezwungen, seinem Zehnjährigen ein Smartphone zu kaufen, zur Not stellt die Schule eins bereit. Aber es wird künftig eben doch zum neuen Schuljahr Usus sein. Wer um die Abstiegsängste von Eltern gerade in Klasse 5 weiß, kann sicher sein: Die Verweigerer werden eine Minderheit bilden.
Aber eine, deren Rechte es zu schützen gilt. Es gibt Eltern, die pädagogisch anderer Ansicht sind und meinen, ihr Kind solle erst mal ein Buch lesen. Oder Eltern, die gesundheitliche Bedenken haben. Oder Eltern, die einfach nicht die Zeit oder den Nerv haben, sich täglich mit ihren Kindern um Geräte zu streiten.
Die Skeptiker müssen überzeugt werden. Sie denken stellvertretend für jene, die sich keinen Kopf machen. Vielleicht kommt es ja anders, und gerade die Medieneinbindung in den Unterricht sorgt dafür, dass die Kinder bewusster damit umgehen lernen. Das wäre gut. Wer die digitale Aufrüstung im Kinderzimmer bestimmt, muss die häuslichen Probleme jedenfalls mitdenken.
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