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Kommentar Seehofer zu MigrationRätselhafter Innenminister

Dominik Baur
Kommentar von Dominik Baur

Im Rennen um den markigsten, rechtspopulistischsten Spruch liegt er weit vorne. Der Rechtsschwenk hilft aber der AfD, nicht der CSU.

Horst Seehofer bezeichnet die Migrationsfrage als „Mutter aller Probleme“ Foto: dpa

S elig die, die sich noch aufregen können. Schließlich ist der Diskurs in Sachen Flüchtlinge auf einem Niveau angekommen, wo viele bei neuen verbalen Entgleisungen nur noch den Kopf schütteln. Aktuell ist mal wieder der Bundesinnenminister Horst Seehofer der Auslöser. Die Migration sei die Mutter aller Probleme in Deutschland, sagt der CSU-Chef diesmal.

Wer ist schuld an den unbezahlbaren Mieten? Die Migration. Am Pflegenotstand? Die Migration. Und am Fachkräftemangel? Am Dieselskandal? Am Klimawandel? Am Amselsterben? Allein sich die Mühe zu machen, Seehofers Satz ernsthaft zu widerlegen, kommt einer Beleidigung an den Intellekt des Gegenübers gleich.

Aus Seehofer schlau zu werden war stets etwas für Fortgeschrittene. Doch seit er von seiner Partei aus der Münchner Staatskanzlei vertrieben worden ist, sind auch profilierte Seehofer-Exegeten ratlos. Was reitet diesen Mann?

Statt seine Partei zusammenzuhalten, begibt er sich ohne Not in ein Wettrennen um den markigsten, den rechtspopulistischsten Spruch. Er setzt noch einen oben drauf, wo selbst Dobrindt und Söder sich zurücknehmen – für ihre Verhältnisse. Schließlich zeigt das historische Umfragetief ihrer Partei: Der Rechtsschwenk hilft der AfD, nicht der CSU.

Um sein eigenes Schicksal scheint sich Seehofer nicht mehr viel zu scheren. Das dürfte ohnehin besiegelt sein. Noch hält ihn seine Partei als Chef und Bundesminister – aber nur, weil sie ihn nach der Landtagswahl in Bayern als Sündenbock braucht. Schickt man Seehofer dann in die Wüste, kann die CSU das – mit Glück – als Neuanfang verkaufen, auch wenn sie Ministerpräsident Söder im Amt belassen sollte.

Doch Seehofer will nicht das Bauernopfer spielen. Vielleicht erklärt das zu einem Teil sein immer irrationaleres Gebaren. Wenn Seehofer sagt, der Ausgang der Bayern-Wahl sei „die Messlatte für uns alle“, klingt das wie: Ich zieh’ euch mit in den Abgrund. Das muss nicht gelingen. Könnte aber.

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Dominik Baur
Bayernkorrespondent
Jahrgang 1971. Seit 2015 Bayernkorrespondent der taz. Davor unter anderem zehn Jahre Redakteur und Ressortleiter bei "Spiegel Online", seit 2009 frei. Mitglied des Journalistennetzwerks beschreiber.de.
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11 Kommentare

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  • Ohne das rechte Christlich-Nationale-Soziale Parteibuch wird Personen in solch einem Zustand eine "Betreuung" gerichtlich angeordnet. Auf jeden Fall aber der Eintritt in den Ruhestand mit 63. So, hurry up!!!!



    Solange Frau Dr. Merkel gewählt wird, und sie sich mit solchen senilen "Altvorderen" umgibt, wird Deutsche Politik nicht im 21. Jahrhundert ankommen. Zukunft geht anders.

  • Ein Linksschwenk nützt auch der AfD.

    • @TazTiz:

      Nö, denn dann gäbs vernünftige Löhne, bezalhbaren Wohnraum und so Zeug...

  • I hoast I, und Ei hoast Egg, und Eck hoast Corner, und Koana hoast Nobody! :-)

    Das "hoast" kann man auch durch "Horst" ersetzen.

    Manche Leute versteht man nicht. Horst Seehofer gehört für mich dazu. Er macht einen intelligenten Eindruck, hat das scheinbar auch nachgewiesen, aber seine Ansichten zeugen von größter Dummheit.

  • "Aus Seehofer schlau zu werden war stets etwas für Fortgeschrittene," schreibt die taz.

    So fortgeschritten braucht man da gar nicht zu sein. Seehofer will außerhalb Bayerns das rechte Lager stärken und somit die AfD. Wenn dann die Merkel-CDU Federn lassen muss, kann es diesem Bundesinnenminister nur recht sein, denn sein Fernziel heißt : Schwarz-Blau-Braune Koalition im Bund mit einem Kanzler aus Bayern.

    Da nimmt er es gern in Kauf, dass die AfD auch in Bayern auf Kosten der CSU stärker wird. Wenn nämlich sein Intimfeind Söder etwas gestutzt wird, hat er nichts dagegen, denn dieser könnte dennoch in München schon bald nach einigem Hin und Her zum erstenmal auf deutschem Boden die C-Partei mit der AfD in eine Koalition führen.

    Die schwarz-rote Merkel-Regierung in Berlin kann die CSU zu jedem beliebigen und für Seehofer günstigen Zeitpunkt in die Luft jagen, so dass für den neuen Papen 2.0 der Weg frei werden könnte.







    Wenn Herr Baur von der taz sich mit diesem nicht ganz ausgeschlossenen Szenario etwas näher befasst, kann er sogar aus "Seehofer schlau werden.,

    Denn eines ist der heute unbeirrt rechte AfD-Sprüche klopfende Bayer ganz bestimmt : viel schlauer als alle, die Politik erklären sollen und ihn für "irrational" erklären.

  • Ich habe eine verwegene Theorie: Was ist, wenn der Innenminister der CSU gar nicht helfen will, weil er seine politische Zukunft in der AFD sieht?

    • @DanielDeFoe:

      Ja. Genau so etwas habe ich auch gedacht. Wer kreischte damals so laut "wir schaffen das nicht!"? Ja, das war Onkel Horscht. Ohne ihn wäre die AfD erst gar nicht so gross geworden.

      Ich habe zwei Theorien:

      (1) die verschwörerische: Onkel Horscht ist ein U-Boot der AfD. Schon seit langem.

      (2) die mythopsychologische: die AfD ist das Golem, das sich die CDU/CSU geschaffen hat, um eine drohende linke Mehrheit zu verhindern; mittlerweile ist das Golem, wie so oft, leider ein Bisschen ausser Kontrolle geraten.

      • 9G
        91690 (Profil gelöscht)
        @tomás zerolo:

        Die linke Mehrheit verhindert sich schon selber...... man könnte Heulen ! Horst wäre längst ausgemustert, wenn man sich auf das Verhindern von Rechts konzentriren würde.. aber man ziert sich ohne Ende... Bravo ! Tröstet es Frau Wagenknecht wenn sie dann in Auslandtalkshows ( in Deutschland wird man seine Meinung dann nicht mehr so sagen dürfen ) endlos darüber lamentiert, dass ja eigentlich Frau Merkel schuld war ??? und das nur um zu bemänteln, dass man zu feigewar , lieber nichts getan hat und nicht bereit war auch seine politische Karriere hintan zu stellen .. Das Gegenteil alles Behaupteten ist wahr... diejenigen, die eine Koalition der Demokraten ( z.B. mit Frau Wagenknecht ) gegen rechts abgelehnt hätten wären jetzt die blamierten

    • @DanielDeFoe:

      Warum sollte er in dem Alter noch an einer Zukunft arbeiten wollen?

      • @Thomas Elias:

        Nicht in, sondern mit der AFD!



        Die Heimatfilmgesellschaftsapologeten Deutschlands schauen doch hoffnungsfroh nach Ungarn, Polen, Italien, auf die Österreich-Ostmarkler- oder die Netanjahukoalition, wo ihr reaktionärer Backslash voll durchhaut, Trumpistan nähert sich ihrem Wunschniveau und der Brexit ist die Morgenröte ihrer reichsbraunen Träume.



        Unsere Freiheit ist nicht deren Freiheit - Gleichberechtigung, Freizügigkeit und Wahlfreiheit, internationale Wahlen und Gerichte - all dies sind Mittel mit denen der gesetzte Mann seiner angestammten Macht beraubt wurde, und deren Hass über den Machtverlusst macht sie Zivilisationszügellos - früher langten ein paar Watschen dass der Hund, Knecht, Kind, Frau, Nachbar, Land und Restwelt wussten wo es lang geht.



        Und heute - Demokratisierung und Verrechtlichung aller Gesellschaftsbereiche. Sogar ne protestantische Mutti ist jetzt Chef und die Fremdarbeiterputze darf mann auch nicht ungestraft begrapschen.



        Sie wollen nicht nur ihr Monney back sondern wieder die alte Machtfülle.

  • Zum x-ten male: Seehofer geht es nicht mehr darum, AfD Wähler zurückzuholen sondern darum nicht noch mehr Wähler an die AfD zu verlieren. Die CSU verliert rechts nämlich mehr als sie links gewinnen kann. Aber, an sich ist diese ganze Diskussion über Seehofer und Söder ja nutzlos weil beide mittlerweile als Merkels Bettvorleger gelten.