piwik no script img

Kommentar Schweizer SpionageAufklärung nicht zu erwarten

Andreas Zumach
Kommentar von Andreas Zumach

Jahrzehntelang versteckten Schweizer Banken Vermögen aus dem Ausland. Einsicht in das frühere kriminelle Verhalten fehlt bis heute.

Im Visier der schweizer Nachrichtedienste: Deutsche Steuerfahnder Foto: ap

D ie Schweiz hält sich für einen Rechtsstaat. Doch das stimmt nur mit Einschränkungen. Die Affäre um die illegale Spionagetätigkeit des Schweizer Bundesnachrichtendienstes (NDB) in Deutschland zeigt einmal mehr: Wenn es – zumal im Konflikt mit dem Ausland – um die Sicherung wirtschaftlicher und finanzieller Vorteile für Schweizer Banken und Unternehmen geht, sind Schweizer PolitikerInnen auch illegale Mittel recht.

Zur Erinnerung: Das kriminelle Ursprungsdelikt, das die aktuelle Affäre ausgelöst hat, ist die von der eidgenössischen Regierung, Behörden, Banken und Vermögensverwaltern seit dem Zweiten Weltkrieg nicht nur gedeckte, sondern aktiv geförderte Steuerflucht in die Alpenrepublik. Nicht nur Diktatoren aus Afrika, Asien und Lateinamerika versteckten die ihren Völkern geraubten Gelder auf Schweizer Geheimkonten, sondern auch Zehntausende Steuerflüchtlinge aus europäischen Nachbarstaaten der Schweiz.

Allein aus Deutschland lagen vor 15 Jahren noch über 150 Milliarden ­unversteuerte Euro bei eidgenössischen Geldinstituten. Allen Versuchen, diesen massiven Raub ausländischer Steuergelder durch die Schweiz mittels zwischenstaatlicher Abkommen – bilateral oder multilateral im Rahmen der OECD – zu beenden, widersetzte sich die Regierung in Bern jahrzehntelang beharrlich. Beendet wurde dieser schwere Raub erst, nachdem deutsche Finanzbehörden CDs mit den Daten von Steuerflüchtigen angekauft und ausgewertet hatten – eine völlig legitime Notwehrmaßnahme.

Doch die Einsicht in das frühere kriminelle Verhalten fehlt in Bern bis heute: Für den Einsatz der NDB-Spione in Deutschland, der auch nach ­Schweizer Recht illegal war, war die Regierung in Bern verantwortlich. Eine Aufklärung durch das Parlament in dessen für den NDB zu­ständiger Kommission, in der die Reaktion aus Deutschland bereits als „Berliner Wahlkampfgetöse“ ­abgetan wurde, ist kaum zu erwarten.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Andreas Zumach
Autor
Journalist und Buchautor, Experte für internationale Beziehungen und Konflikte. Von 1988-2020 UNO- und Schweizkorrespondent der taz mit Sitz in Genf und freier Korrespondent für andere Printmedien, Rundfunk-und Fernsehanstalten in Deutschland, Schweiz,Österreich, USA und Großbritannien; zudem tätig als Vortragsreferent, Diskutant und Moderator zu zahlreichen Themen der internationalen Politik, insbesondere:UNO, Menschenrechte, Rüstung und Abrüstung, Kriege, Nahost, Ressourcenkonflikte (Energie, Wasser, Nahrung), Afghanistan... BÜCHER: Reform oder Blockade-welche Zukunft hat die UNO? (2021); Globales Chaos-Machtlose UNO-ist die Weltorganisation überflüssig geworden? (2015), Die kommenden Kriege (2005), Irak-Chronik eines gewollten Krieges (2003); Vereinte Nationen (1995) AUSZEICHNUNGEN: 2009: Göttinger Friedenspreis 2004:Kant-Weltbürgerpreis, Freiburg 1997:Goldpreis "Excellenz im Journalismus" des Verbandes der UNO-KorrespondentInnen in New York (UNCA) für DLF-Radiofeature "UNO: Reform oder Kollaps" geb. 1954 in Köln, nach zweijährigem Zivildienst in den USA 1975-1979 Studium der Sozialarbeit, Volkswirtschaft und Journalismus in Köln; 1979-81 Redakteur bei der 1978 parallel zur taz gegründeten Westberliner Zeitung "Die Neue"; 1981-87 Referent bei der Aktion Sühnezeichen/Friedensdienste, verantwortlich für die Organisation der Bonner Friedensdemonstrationen 1981 ff.; Sprecher des Bonner Koordinationsausschuss der bundesweiten Friedensbewegung.
Mehr zum Thema

2 Kommentare

 / 
  • Ja, das ist eine der dunklen Seiten der Schweiz. Jean Ziegler der vor Jahren Bücher darüber geschrieben hat (z.B. über das in der Schweiz deponierte Nazi-Gold) ist dafür vor Schweizer Gerichten in Grund und Boden geklagt worden.

  • Lieber Herr Zumach,

     

    Sie sollten sich mal an Peer Steinbrück ein Beispiel nehmen. Der übertrieb zwar auch und sprach erkennbar mit ziemlicher Wut im Bauch über die Schweiz. Aber in Bezug auf die rechtliche Situation und die daraus resultierenden Handhabe des deutschen Fiskus gegen die Schweizer "Finanzwirtschaftspolitik" lag er DEUTLICH näher an der Realität: Außer mit der Kavallerie ging da gar nichts.

     

    Es ist dabei völlig hanebüchen, die Schweizer Rechtslage als "illegal" zu bezeichnen oder dem Land gleich (partiell) die Rechtsstaatlichkeit abzusprechen. Die Schweiz ist kein deutsches Territorium und hat ihr eigenes Recht. Es hat schon seinen Grund, dass jedes Land seine eigene Legislative hat - damit es nämlich auch mal andere Gesetze machen kann als die anderen Länder. Wenn von vornherein ein Zwang zur internationalen Gleichschaltung der Rechtsordnungen bestünde, wäre es mit der Souveränität nicht weit her. Und "Souvernänität" - damit gewinnen Sie in der Schweiz JEDE Wahl. Also frage ich mal in bebendem Varoufakis-Pathos: Wo bleibt Ihr Respekt vor der Demokratie?

     

    Wenn Sie übrigens schon auf die universelle Geltung deutschen Strafrechts pochen, sollten Sie dieses wenigstens einigermaßen korrekt anwenden: Steuerhinterziehung ist KEIN (schwerer) Raub; und wenn die Schweiz zulässt, das auf ihrem Gebiet Privatleute (Banker) anderer Privatleute Schwarzgeld aufbewahren, eignet sie sich dieses Geld damit noch lange nicht an. Insofern schießen Sie auch sprachlich weit übers Ziel hinaus.

     

    Am Ende hilft eben keine überkandidelte moralische Entrüstung sondern nur Druck:

    Wenn man einen Staat gefügig machen will, muss man ihn das Fürchten lehren. Er muss signalisiert bekommen, dass es für ihn schlecht endet, wenn er seine Politik nicht ändert. Das gilt für Putin, für Griechenland und eben auch für die Schweiz. Die Spionage (als Mittel, den Steuerflüchtenden das Schweizer Bankgeheimnis als Schweizer Käse vorzuführen) war wahrscheinlich die billigste Methode, dies zu tun.