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Kommentar Schwarz-Grüne StrategienDer Chefstratege aus Stuttgart

Ulrich Schulte
Kommentar von Ulrich Schulte

Keiner weiß, wer 2017 im Bundestag die Mehrheit stellen wird. Umso unklüger, dass Winfried Kretschmann außer Schwarz-Grün nichts mehr sieht.

Hier lang? Dorthin? Oder doch ganz woandershin? Foto: dpa

D ass Winfried Kretschmann für Schwarz-Grün im Bund wirbt, ist so überraschend wie die erwiesene Sympathie des Karpfens für Süßwasser. Baden-Württembergs Ministerpräsident ist im Herzen ein grüner Konservativer, der für Merkel betete und über weite Strecken CDU-affine Politik macht. Da fragt man sich nur, warum der Chefstratege aus Stuttgart so viel dafür tut, Schwarz-Grün am Ende zu verhindern.

Jürgen Trittin weist zu Recht auf die lustige Tatsache hin, dass ausgerechnet der Oberrealo aus dem Südwesten in öffentliche Ausschließeritis verfällt – gegenüber der Linkspartei. Diese strategische Naivität wollten die Grünen eigentlich überwunden haben. Keiner weiß, wie die Mehrheiten 2017 im Bundestag sind.

Indem Kretschmann seine Partei ein Jahr vor der Wahl ohne Not festlegt, drückt er den Preis für Koalitionsverhandlungen mit der CDU. Und treibt rot-grüne Wechselwähler, die Merkel nicht die Macht sichern wollen, in die Arme der SPD.

Schwarz-Grün passe in die Zeit, schwadroniert Kretschmann im Spiegel vage, es komme darauf an, den Zusammenhalt der Gesellschaft zu sichern. Aber wäre Letzteres nicht die Aufgabe jeder Koalition? Und ist es nicht vor allem eine Definitionsfrage, wie sich die Gesellschaft am besten zusammenhalten lässt? Eine gerechtere Verteilung des Reichtums mit Rot-Rot-Grün wäre ja zum Beispiel sehr hilfreich, während der dumpfe Populismus der CSU in Sachen Demokratiesicherung zerstörerisch wirkt.

Mit seiner Ausschließeritis treibt Kretschmann rot-grüne Wechselwähler in die Arme der SPD

Macht um der Macht willen – das erinnert doch sehr an die FDP, eine in alle Richtungen biegsame Scharnierpartei. Kretschmann spaltet seine Partei, indem er die Linksgrünen brüskiert. Aber Schwarz-Grün, das sollte der Oberrealo wissen, ist ohne den linken Flügel nicht zu machen. Jene Grünen, die sich Schwarz-Grün wünschen, müssen den Skeptikern in ihrer Partei Angebote machen. Und sie sollten für ihr Ziel in der Öffentlichkeit vor allem eines tun: schweigen.

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Ulrich Schulte
Leiter Parlamentsbüro
Ulrich Schulte, Jahrgang 1974, schrieb für die taz bis 2021 über Bundespolitik und Parteien. Er beschäftigte sich vor allem mit der SPD und den Grünen. Schulte arbeitete seit 2003 für die taz. Bevor er 2011 ins Parlamentsbüro wechselte, war er drei Jahre lang Chef des Inlands-Ressorts.
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24 Kommentare

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  • Müsste es statt schwarz-grün im Fall der Kretschmanngrünen nicht besser schwarz-tiefschwarz heißen?

  • Das Thema Schwarz-Grün lockt doch keinen Hund mehr hinterm Ofen vor: Das ist doch alles längst kompatibel.

     

    Interessant wird´s erst wieder bei Grün-Blau. Ich schätze mal, wenn sich die AfD die nächsten 10 Jahren etablieren sollte, wird man bei den Grünen beizeiten entsprechende Realo-Pläne in Erwägung ziehen - freilich anfangs mit Bauchschmerzen, Migräne und Zahnweh, aber das vergeht bald, gell, Winne? Du hast´s auch überstanden! Ja, die Zeit heilt alle Wunden und besser schlecht regiert als gut opponiert, oder?

  • Rot-Rot-Grün?

     

    Das möge die Linke bitte verhindern! Denn wer mit Leuten regiert, die sonst mit Schwarz regieren, kann auch gleich selber mit Schwarz regieren.

     

    Rechts von der Linken gibt´s keine Linken.

  • 5G
    571 (Profil gelöscht)

    ... "Und treibt rot-grüne Wechselwähler, die Merkel nicht die Macht sichern wollen, in die Arme der SPD."

     

    Den Wähler möchte ich kennen, der sich in die Arme der SPD treiben lässt.

    Aus diesem Blickwinkel betrachtet hat selbst SPD-Chef Gabriel als Fernhaltemittel sein Gutes.

    • @571 (Profil gelöscht):

      Ich glaube es gibt dennoch genug verwirrte rot-grün-fans, die lieber die spd wählen würden als die Grünen, wenn diese mit der CDU koalieren.

  • Es wäre ein großer Fortschritt für Deutschland in sämtlichen Belangen, wenn endlich Schwarz-Grün regieren würde.

  • 1G
    1714 (Profil gelöscht)

    Kretsche wird langsam aber sehr sicher größenwahnsinnig!

    • @1714 (Profil gelöscht):

      Realo-Politik = Größenwahn?

       

      Bitte erklären Sie mir dies.

  • Wie immer muss man im Südwesten leben wenn man das verstehen will. Es geht immer prasgmatisch zu bei uns ..

    ... mir misset doch weiterkomme! Reiß de mol zsamme!

     

    Was sagt uns das?

    Es liegt an der SPD und den LInken selbst. Die sind zu schwach und selbtsverwirrt um weiterzukommen.

     

    Also SPD und Links: Profiliert euch endlich was euch wichtig ist (keine Sonntagswünsche) und bleibt mal länger als drei Wochen bei der gleichen Meinung; und ganz wichtig: Sagt WIE ihr das UMSETZEN wollt!?

     

    Sonst wird das nix in Südwest. Kretschmann hat das verstanden (logo, der kommt halt au von do) und daher arbeitet der so.

    • @Tom Farmer:

      ...wenn man außer Acht läßt, daß gerade Kretschmann & Schwabengrüne vor der Wahl nicht nur nicht sagen, wie sie was umsetzen wollen, sondern nach der Wahl das Gegenteil dessen tun, was sie vorher sagten, dann kann man Ihnen fast Recht geben.

       

      "Pragamtisch" wird die Politik im Schländle immer dann, wenn üppige Parteispenden winken. Diese Tradition führen die Grünen in der Tat nahtlos fort.

      • @DR. ALFRED SCHWEINSTEIN:

        Ok!

        Ich habe ja auch nur die emotionale Mechanik versucht zu erläutern.

         

        Die Inhalte und Fakten stehen auf einem anderen Blatt.

  • Neutralität - Distanz¿!

    Mach Witze!

     

    Das Fotto der Strategen -

    du grün-k-melatenblond!

    Sacht doch mehr -

    Als tausend Worte!;()

    • 5G
      571 (Profil gelöscht)
      @Lowandorder:

      "Das Fotto der Strategen - "

       

      sagt mir gar nix.

      • @571 (Profil gelöscht):

        Schonn klar - ;(€))

         

        Ha noi. Bin ich doch mal was boshaft -

        Richter sind gezwungen -

        Jedesmal neu hinzuschauen -

        Das schärft die Wahrnehmung;)

        Lehrers - wie ja auch im Bild -

        Schauen klassendauerweise -

        Das schwächt - Zumal Sie ja -

        Ungern - doch doch - was auf -

        Ihren Landesvater & exPersetter

        Kommen lassen! Gell!;))

        • @Lowandorder:

          Sare, sare, d´Pfanne hodd e Loch!

          Und d´Knepfle sind verfahra,

          d´Suppe hommer doch!

           

          Hond nia nix g´hedd, hond no nix,

          selig sind dia Muadderkind

          wo Dag und Nacht im Wirtshaus sind.

           

          Borschtig, borschtig, borschtig ischt die Sau

          und wenn die Sau it borschtig ischt

          denn frißt se koine Rüabaschnitz!

           

          Hoorig, hoorig, hoorig ischt die Katz

          und wenn die Katz it hoorig ischt

          denn frißt se koine Meise nicht!

           

          Pletz am Fiedle, Pletz am Loch

          Hungerleider simmer doch!

  • Kretschmann ist ja vielleicht schon im Wahlkampfmodus – nein nicht zur Bundestags- sondern zur Bundespräsidentenwahl.

    Der Lehrer der eigentlich schon in Rente gehen wollte, ist jetzt Ministerpräsident. Was für eine Karriere! Fehlt zum Glück nur noch das Präsidentenamt. Dann wäre das Glück kaum noch zu toppen – außer vielleicht...

    Nach Ablauf der Amtszeit, wenn der Himmel mitspielt und seinen Botschafter in Rom abberuft, könnte der heilige Geist den Kardinälen doch mal einen Tipp geben.

    So, oder ähnlich, stell ich mir die Gedankenwelt unseres MP vor. Und da die Grünen in Baden-Württemberg eh eine CDU mit Frosch im Logo sind, kann er diese Gedankenspiele natürlich nur mit der CDU Träumen.

  • Sind die taz-Leserkommentarseiten tatsächlich zur Besprechung der idealen Wahlwerbestrategie für die Grünen da ? Ich hätte mir mehr Neutralität und Distanz erwartet.

  • spd und grün ist für mich eher pol .Heimat als die anderen. Wird man älter , finde ich, dass auch die Konservativen mich in mancher Hinsicht vertreten können . Kretschman wie auch Trittin können niemals alles das machen was optimal wäre, beide, wir alle, sind befangen beschränkt durch unsere Prägung unsere Erfahrungen unser Temperament. Trittin könnte nicht vertreten/durchsetzen, was K. kann und umgekehrt. Ist es daher nicht naiv von K. zu verlangen ere solle T folgen?

    Linke Politik, zumindest unter Schröder, hat sie den Zussamenhalt der Gesellschaft befördert?

  • 2G
    24636 (Profil gelöscht)

    "Diese strategische Naivität wollten die Grünen eigentlich überwunden haben."

     

    Da ist sie mal wieder, die Achse der Symbolpolitik. Anders wird der Schuh daraus: Kretschmann sagt an, wohin er mit wem will. Das ist strategisch solide, höchstens taktisch nicht auf Gewinnmaximierung angelegt, wenn man (bequem) unterstellt, dass die Wähler das nicht honorieren würden. Und wieviel Prozent hat der so strategisch solide und berechenbare Mann noch mal geholt? Der Mann, nicht die Partei!

  • Kretschmann, hört sich irgendwie an wie "wir schaffen das".

  • Eine Große Koalition ist Gift für unsere demokratische Kultur, noch schlimmer, wenn die Schwarzen auch noch ihre grüne Gegenkraft an ihre Brust holen und auslutschen. Grün hiess für mich früher immer Anti-Schwarz. Es sind opportunistische Spielchen von Merkel und Spahn, sowie die Verbürgerlichung der Grünen, die so gefährlich werden können. Gerade in der Netzpolitik gibt es noch die Reibefläche.

  • Die Grünen müssen mit der CDU/CSU und der SPD aufpassen, weil diese Parteien substanzlos sind und das macht sie gefährlich. Die Linkspartei sollte man nicht ignorieren, aber da hilft doch eigentlich nur eine echte politische Offenheit: Die Grünen müssen das beste an Inhalten für eine grüne Politik suchen. Soziale Fragen gehören dazu - das spricht aber dann gegen Union und Sozialdemokraten. Aber das größte Problem bleibt doch, dass die Grünen mit einem klaren, verständlichen und eigenständigen Wahlkampf punkten müssen. Dazu gehöt Negativ-Campagning gegen Union und SPD. Ohne den Kontrast wird es für die Grünen nicht laufen - weichgespülte Politiker durch Regierung und Verpflichtungen sind da eher Gift. Die Grünen waren kurz vor 1998 mit einem aggressivem Fischer am Besten. Das war pausenloses Negativ-campagning - das schärft das Profil und verdeutlicht der Bevölkerung, was eine Partei will. Seit dieser Zeit tun sich die Grünen damit schwer, auch weil es an einer solchen Figur mangelt, aber es hat auch inhaltliche Gründe. Viele Grüne wirken austauschbar, ausgerechnet das Alternative haben sie eingebüsst.

    • @Andreas_2020:

      "Die Grünen müssen mit der CDU/CSU und der SPD aufpassen, weil diese Parteien substanzlos sind und das macht sie gefährlich."

       

      Dann passen die Grünen doch hervorragend dazu.

  • ich finds auch total klug usw.