Kommentar Saudi-Arabien und Kanada: Kronprinz auf Konfrontationskurs
Dass Saudi Arabien den kanadischen Botschafter rauswirft, klingt nach Kurzschluss. Doch es ist ein durchdachter Zug mit klarer Botschaft.
W umms. Wohl kaum ein Beobachter hatte erwartet, dass Saudi-Arabien so heftig auf die Kritik der kanadischen Außenministerin an der Inhaftierung von MenschenrechtsaktivistInnen reagieren würde. Diese „Einmischung“ wollte Riad sich nicht bieten lassen. Die Saudis schmissen nicht nur den Botschafter raus und beendeten ein Handelsabkommen. Sie strichen auch die Kanada-Flüge der saudischen Airline und wollen alle ihre Stipendiaten, die in Kanada studieren, in andere Länder verlegen.
Was wie eine beleidigte Reaktion gekränkter Diktatoren anmutet, ist ein rational durchdachter Schachzug. Legt euch nicht mit uns an: Das ist die Message, die das Regime ans Ausland sendet. Die saudische Presse ist voller Lob für die entschiedene Reaktion. Kanada müsse extrem aufpassen und sollte als Entschuldigung eine Delegation schicken, rät die Zeitung Arab News.
Im Inland festigt die Überreaktion den Ruf des Kronprinzen Mohammed bin Salman – MbS genannt – als „starker Führer“, der das Land die nächsten Jahre, wenn nicht Jahrzehnte führen könne. Dass ausgerechnet MenschenrechtlerInnen für diese Selbstinszenierung des künftigen Königs ihren Kopf hinhalten müssen, ist perfide, funktioniert aber: AktivistInnen wie Samar Badawi haben im Land wenig Unterstützung. Viele Saudis sehen deren konfrontative Herangehensweise kritisch und setzen auf langsamen Wandel mit gleichzeitigem Respekt für die konservative Kultur. Das sei effektiver als der kompromisslose Kampf der im Westen gefeierten AktivistInnen.
Wichtiger aber ist die Message ans Ausland: Gestärkt durch die Männerfreundschaft mit Trump und die Anti-Iran-Politik der USA setzt MbS seinen Konfrontationskurs weiter fort. Aus Washington ist derzeit keine Kritik an der Menschenrechtssituation im Land zu befürchten. Den Kanadiern hat Riad es jetzt auch gezeigt. Und die Europäer? Auch die werden es sich jetzt zweimal überlegen, bevor sie für inhaftierte saudische AktivistInnen öffentlich Stellung beziehen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Anschlag in Magdeburg
Bis Freitag war er einer von uns
Elon Musk und die AfD
Die Welt zerstören und dann ab auf den Mars
Magdeburg nach dem Anschlag
Atempause und stilles Gedenken
Biden hebt 37 Todesurteile auf
In Haftstrafen umgewandelt
Jahresrückblick Erderhitzung
Das Klima-Jahr in zehn Punkten
Analyse der US-Wahl
Illiberalismus zeigt sein autoritäres Gesicht