Kommentar Russlands Anti-Terrorpolitik: Putins Rehabilitationskurs
Der Kreml-Chef darf sich sicher sein: Leistet er seinen Teil in Syrien, wird man ihn aus der Isolation entlassen. Europas Rechte freut sich.
L etzte Woche war Kremlchef Putin noch ein Geächteter. Am Montag wurde er zum Verbündeten Frankreichs im Kampf gegen den Terror. Eine Metamorphose, die Putin den Attentätern von Paris zu verdanken hat. Moskau ließ nichts anbrennen und mobilisierte noch am selben Tag sein Waffenarsenal gegen die Hochburg des IS in Rakka.
Es flog mit doppelter Frequenz und schickte seegestützte Marschflugkörper. Wohl das erste Mal wurde den Milizen vom Kreml wirklich eingeheizt. Bislang verschonte er den Gegner eher. Dieser war eher vorgeschoben für die Propaganda an der Heimatfront. Auch als Attentäter den Airbus über dem Sinai sprengten, verschwieg Putin den IS. Bis gestern, als sich aus europäischer Verteidigungsnot für Moskau eine Möglichkeit zur Kooperation bot.
Als hätte Putin einen direkten Draht nach oben. Seine außenpolitische Fortune ist schwindelerregend. Über Nacht wurde aus Assads Bomber, der zigtausende Syrer auf die Flucht nach Europa jagte, ein respektabler Teil der westlichen Opfergemeinschaft. Der Anstand vor dem russischen Blutzoll über dem Sinai gebietet es sogar, dies nicht infrage zu stellen.
Wladimir Putin darf sicher sein: Leistet er seinen Teil in Syrien, wird man ihn auch aus der Isolation entlassen. Ukraine hin oder her. Putins Versteher im Westen stehen schon in Klatschpose bereit. Am Ende wird ihm noch die Rettung der abendländischen Zivilisation gutgeschrieben, was bislang nur die Hofschreiber des Kreml wagten.
Dies bedeutet jedoch, Russland wird über Assad nicht mehr verhandeln. Auch dessen Rettung kann sich der Kremlchef dann ans Revers heften. Was für eine starke Botschaft an die verunsicherten europäischen Gesellschaften. Marine Le Pen reibt sich schon die Hände. Doch damit nicht genug. Ungeahnt tut sich mit der Zusammenarbeit auch eine Chance auf, das transatlantische Verhältnis noch zu trüben. Das wird sich Russland nicht entgehen lassen.
40.000 mal Danke!
40.000 Menschen beteiligen sich bei taz zahl ich – weil unabhängiger, kritischer Journalismus in diesen Zeiten gebraucht wird. Weil es die taz braucht. Dafür möchten wir uns herzlich bedanken! Ihre Solidarität sorgt dafür, dass taz.de für alle frei zugänglich bleibt. Denn wir verstehen Journalismus nicht nur als Ware, sondern als öffentliches Gut. Was uns besonders macht? Sie, unsere Leser*innen. Sie wissen: Zahlen muss niemand, aber guter Journalismus hat seinen Preis. Und immer mehr machen mit und entscheiden sich für eine freiwillige Unterstützung der taz! Dieser Schub trägt uns gemeinsam in die Zukunft. Wir suchen auch weiterhin Unterstützung: suchen wir auch weiterhin Ihre Unterstützung. Setzen auch Sie jetzt ein Zeichen für kritischen Journalismus – schon mit 5 Euro im Monat! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Kanzler Olaf Scholz über Bundestagswahl
„Es darf keine Mehrheit von Union und AfD geben“
Weltpolitik in Zeiten von Donald Trump
Schlechte Deals zu machen will gelernt sein
Einführung einer Milliardärssteuer
Lobbyarbeit gegen Steuergerechtigkeit
Wahlarena und TV-Quadrell
Sind Bürger die besseren Journalisten?
+++ Nachrichten im Ukraine-Krieg +++
Trump macht Selenskyj für Andauern des Kriegs verantwortlich
Treffen in Riad
Russland und USA beschnuppern sich vorsichtig